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šRechtliche Hinweise: Die bekannten Charaktere der Fernsehserie The Pretender gehören MTM, NBC und 20th Century Fox (und leider nicht mir). Die folgende Geschichte dient keinerlei kommerziellen Zwecken, sondern wurde nur zum Vergnügen anderer Fans wie mir geschrieben.
Spoiler: Bis zum Ende der dritten Staffel.

Zur Handlung: Miss Parker kehrt zurück in die Zivilisation, doch nicht für lange...




Kostbare Momente
Teil 4

von Miss Bit





Sydney saß an einem Tisch im Technikraum. Den Morgen hatte er allein in seinem Büro verbracht, doch irgendwann hatte er es nicht mehr ausgehalten. Er war in den Technikraum gegangen, wo ihm wenigstens Broots Gesellschaft leistete. Der Techniker wertete gerade die Spuren aus, die bei dem zerstörten Lagerhaus gefunden worden waren. Unglücklicherweise hatte auch Miss Parkers Handy zu den verkohlten Fundstücken gehört.

Sydney runzelte die Stirn. Nicht nur, daß sie Miss Parker nicht hatten erreichen können - auch Jarod hatte sich nicht bei ihnen gemeldet. Dieser Umstand verwirrte Sydney. Sie wußten, daß Miss Parker bei ihm war, aber warum hatte der Pretender ihnen nicht wenigstens mitgeteilt, daß sie am Leben war, daß es ihr den Umständen entsprechend gutging?

Wieder schlich sich eisige Angst in seine Gedanken. Es gab eine Erklärung für Jarods Verhalten, aber die gefiel ihm ganz und gar nicht. Was war, wenn Miss Parker die Explosion nicht überlebt hatte, wenn Jarod nichts mehr für sie hatte tun können? Dann sah er vielleicht gar keinen Grund, Sydney anzurufen...

"Syd?"

Broots' Stimme klang aufgeregt. Sydney drehte den Kopf, um ihn anzusehen. Als er den Mund öffnete, um Broots zu fragen, was los war, schüttelte der Techniker nur den Kopf. Seine Lippen waren zu einem leichten Lächeln verzogen.

"Hören Sie", wisperte er.

Ein wenig überrascht neigte Sydney den Kopf zur Seite, um zu lauschen. Zunächst hörte er gar nichts, nur das leise Summen der Lüftung. Doch dann hörte er es auch. Ungläubig sog er die Luft ein. Das war einfach unmöglich. Und doch hörte er die Schritte, das unverwechselbare Geräusch, das schnell näher kam. Sydney schüttelte den Kopf, erlaubte sich nicht einmal einen Funken Hoffnung.

"Das muß Brigitte sein", sagte er zu Broots, aber der Techniker ließ sich von seinen Worten nicht beeindrucken, schüttelte nur seinerseits leicht den Kopf.

"Also wirklich, Syd. So lange war ich nun auch wieder nicht fort, daß Sie mich mit diesem Troll verwechseln könnten."

Sydneys Kopf fuhr herum, als er die Stimme von der Tür her hörte. Miss Parker. Sie war es tatsächlich. Vor Erleichterung wurde ihm fast schwindelig. Einen Moment lang sah er sie nur an. Ihr Gesicht war blaß, und ihr Körper war deutlich sichtbar angespannt. Sie lehnte ganz leicht am Rahmen, fast als wäre sie erschöpft.

"Miss Parker!"

Als er sich endlich von seiner Überraschung erholt hatte, stand Sydney auf. Mit ein paar schnellen Schritten war er bei ihr. Er zog sie in seine Arme. Nur sehr widerstrebend ließ er sie nach ein paar Sekunden wieder los.

"Wie geht es Ihnen?"

"Wo sind Sie gewesen?"

Broots, der ebenfalls zu ihr gekommen war, stellte seine Frage fast im selben Moment. Auch seiner Stimme konnte man deutlich seine Erleichterung anhören. Miss Parker sah sie beide an, eine Braue leicht gewölbt.

"Mir geht's gut, und ich war irgendwo mitten im Niemandsland von Alaska."

Sydney sah sie besorgt an, als er die Müdigkeit in ihrer Stimme hörte.

"Miss Parker, Sie sollten sich setzen. Sie sehen müde aus."

Er wußte, wie sie auf seine Sorge normalerweise reagierte, aber das hielt ihn trotzdem nicht davon ab, sich um sie zu kümmern. Sie seufzte und schüttelte den Kopf.

"Es war ein langer Flug. Ich fahre gleich weiter nach Hause. Vorher wollte ich nur sicher gehen, daß hier alles in Ordnung ist. Schließlich weiß ich ja, welches Chaos Sie hier für gewöhnlich anrichten, wenn ich mal ein paar Tage nicht da bin."

Sydney entging nicht die Wärme in ihrer Stimme, und er unterdrückte ein Lächeln, als er den Blick sah, mit dem Miss Parker ihn und Broots musterte. Sie hatte sie beide vermißt.

Ihre nächsten Worte ließen ihn innerlich zusammenzucken, und auch Broots verzog überrascht das Gesicht.

"Irgendwelche Spuren von Jarod?"

"Aber... wir dachten, er wäre bei Ihnen gewesen", brachte Broots erstaunt hervor. Sydney beobachtete gespannt Miss Parkers Reaktion.

"Bis gestern", gab sie mit ruhiger Stimme zu. "Dann haben sich unsere Wege getrennt. Ich dachte, daß Sie vielleicht in der Zwischenzeit etwas von ihm gehört haben."

Sie warf Sydney einen wissenden Blick zu, den er gelassen erwiderte. Aus irgend einem Grund schien es ihr sehr wichtig zu sein, zu wissen, ob Jarod sich bei ihnen gemeldet hatte. Was war in Alaska zwischen den beiden passiert?

"Nein. Das letzte Mal haben wir mit ihm kurz vor der Explosion gesprochen", erwiderte Sydney. Noch einmal gab er seiner Sorge um sie nach. "Geht es Ihnen wirklich gut, Miss Parker?"

Miss Parker nickte, und Sydney hatte fast das Gefühl, daß sie ihrer Stimme nicht mehr traute.

"Ich werde morgen früh wieder hier sein. Bis dahin erwarte ich Ergebnisse."

Sie drehte sich abrupt um und ließ die beiden Männer verwundert in der Tür zurück.

"Glauben Sie, sie hat das ernst gemeint?" fragte Broots nach einer Weile zögerlich. Sydney antwortete nicht, sondern starrte gedankenverloren in den leeren Korridor. Ein Lächeln breitete sich langsam auf seinem Gesicht aus, als eine Idee in seinem Kopf Gestalt annahm.

"Mr. Broots", sagte er, "Sie haben Miss Parker gehört. Wenn sie morgen früh zurückkommt, sollten wir ihr lieber die gewünschten Ergebnisse präsentieren."

*******

Es war noch früh am Morgen, als Miss Parker am nächsten Tag ins Centre zurückkehrte. Sie hatte die ganze Nacht wachgelegen, obwohl sie nach der langen Reise und den letzten Tagen in der Hütte mehr als müde gewesen war. Wieder und wieder hatte sie Jarods Gesicht vor sich gesehen, den Schmerz in seinen Augen, hatte die Leere in ihrem Inneren gespürt. Und dann war da noch der Traum gewesen...

'Ich werde dir nicht erlauben, diese Entscheidung zu treffen.'

Obwohl es nur ein Traum gewesen war, war sich Miss Parker absolut sicher, daß ihr Vater diese Worte auch in Wirklichkeit sagen würde, sollte er jemals den Verdacht haben, daß sie mehr für Jarod empfand als nur das Interesse, ihn wieder zurück ins Centre zu bringen.

"Hallo, Schwesterchen."

Miss Parker zuckte erschrocken zusammen, als sie auf einmal die leise Stimme direkt hinter sich hörte. Wütend fuhr sie herum, nur um sich dichter vor Lyle wiederzufinden, als ihr lieb war. Sie machte einen Schritt zurück, veranlaßte ihn damit zu einem spöttischen Lächeln. In seinen Augen glitzerte es kalt.

"Verschwinde, Lyle", zischte sie.

"Hast du deinen kleinen... Urlaub mit Jarod genossen?" erkundigte sich ihr Zwillingsbruder glatt.

"Wieso fällst du nicht einfach tot um?" gab sie eisig zurück. Lyle ging langsam um sie herum, und Miss Parker fühlte sich auf einmal unangenehm an ihren Traum erinnert. Sie schluckte trocken.

"Oh, offenbar war eure gemeinsame Zeit wohl doch nicht das, was du erwartet hattest, hm?"

Miss Parker biß sich auf die Lippen.

"Wenigstens hat Jarod mich nicht einfach bei dem Lagerhaus zurückgelassen."

Echte Überraschung zeigte sich auf Lyles Gesicht, bevor er leise lachte.

"Hat er dir das gesagt? Nun, ich kann nicht sagen, daß mich das wirklich überrascht. Ich hätte dich schon ins Centre zurückgebracht, aber Jarod ist mir leider zuvorgekommen."

Verwirrt runzelte Miss Parker die Stirn. Sagte Lyle die Wahrheit? Hatte Jarod sie deshalb mitgenommen, damit sie nicht Lyle und dem Centre ausgeliefert war?

"Was ist los, Parker?" wisperte Lyle auf einmal dicht neben ihrem Ohr. "Ist es dir am Ende vielleicht lieber, daß unser kleiner Pretender mir zuvorgekommen ist?"

"Natürlich nicht", antwortete sie scharf.

"Wo ist er eigentlich?" erkundigte sich Lyle beiläufig. Miss Parker kniff die Augen zusammen.

"Wieso gehst du nicht und versuchst, es selbst herauszufinden?" erwiderte sie verärgert. "Ich habe jedenfalls noch ein paar Tage Urlaub übrig, und solange Jarod nicht in Maine auftaucht, ist es mir egal, wo er ist."

Ihr entging das interessierte Aufblitzen in Lyles Augen, als sie Maine erwähnte.

"Sorry, Schwesterchen, aber deinen Urlaub wirst du wohl vergessen können. Nach den letzten Ereignissen will das Triumvirat Jarod endlich zurück im Centre sehen. Und dagegen kann nicht einmal unser guter alter Dad etwas unternehmen."

"Großartig", zischte Miss Parker entnervt. "Wirst du mir jetzt endlich aus dem Weg gehen?"

Lyle machte einen Schritt zur Seite.

"Aber gerne. Mir ist sowieso gerade eingefallen, daß ich noch etwas zu erledigen habe. Ich sehe dich in ein paar Tagen." Er zwinkerte ihr zu, dann drehte er sich um und ging mit langen Schritten den Korridor entlang. Sie sah ihm ein paar Sekunden lang nach, hin und hergerissen zwischen ihrer Wut auf ihn und dem unguten Gefühl, das sich in ihr regte. Schließlich unterdrückte sie ihre Vorahnung und setzte ihren Weg fort.

Ein paar Minuten später erreichte sie den Technikraum. Broots saß vor dem Computer, mehrere Aktenstapel um sich herum, und tippte fleißig. Sydney saß an einem Tisch in seiner Nähe, ebenfalls vertieft in seine Arbeit. Er sah auf, als er Miss Parker hereinkommen hörte.

"Ah, guten Morgen, Miss Parker", begrüßte er sie beinahe fröhlich. Mißtrauisch erwiderte sie seinen Blick. Sie kannte Sydney gut, und im Moment war sie sich fast sicher, daß er irgend etwas vorhatte.

"Morgen, Sydney, Broots. Was haben Sie für mich?"

Broots drehte sich zu ihr um und grinste leicht.

"Wir haben eine Spur von Jarod", erklärte er, offenbar zufrieden mit sich selbst.

Miss Parker seufzte, beinahe verzweifelt bemüht, die Schuldgefühle zu unterdrücken, die Broots' Worte in ihr ausgelöst hatten. Sie mied Sydneys Blick, da sie genau wußte, daß er ihr ihre innere Zerrissenheit ansehen würde.

"Raus damit, Broots", sagte sie nur.

"Er ist in Nebraska", antwortete Sydney an seiner Stelle, zwang sie damit, ihn wieder anzusehen.

"Nebraska. Anscheinend zieht es ihn in letzter Zeit von einem kalten Ort zum anderen."

'Nicht, daß es dort kälter sein könnte als in meiner Nähe', dachte sie in einem Anflug von Selbstironie.

"Was macht er dort?" erkundigte sie sich so desinteressiert wie möglich.

"Offenbar leitet er eine Rettungsaktion in den Bergen", erklärte Sydney. Miss Parker fand, daß er eine Spur zu gleichgültig klang.

"Und er ist noch immer dort?"

"Oh, so wie es aussieht, wird er noch mindestens zwei Tage dort sein, da sich das Wetter verschlechtert hat", sagte Broots.

"Wir sollten ihn dort antreffen, wenn wir uns gleich auf den Weg machen", fügte Sydney hinzu. "Mr. Raines billigt unser Vorgehen, und er hat uns Angelo zur Verfügung gestellt, damit diesmal auch wirklich nichts schiefgehen kann."

Miss Parker kniff die Augen zusammen. Angelo? Wieso machte das für sie keinen Sinn? Angelo mochte ihnen vielleicht helfen können, vom Centre aus eine Spur von Jarod zu finden, aber wenn es darum ging, Jarod zu fangen, würde er ihnen doch nur im Weg sein.

"Ich bin mir nicht sicher, daß Angelo uns von Nutzen sein wird", sagte sie langsam.

"Aber ich fürchte, Mr. Raines besteht darauf, daß wir ihn mitnehmen."

Miss Parker seufzte erneut.

"Na schön, von mir aus. Wir haben schon genug Zeit verschwendet. Ich will, daß wir in einer Stunde unterwegs sind."

*******

Sydney lächelte, als er die Hütte aufschloß und überlegte, ob der schwierigste Teil wohl schon hinter ihnen lag oder ob er ihnen erst noch bevorstand. Miss Parker hierher nach Nebraska zu locken war mehr als einfach gewesen, aber auf die Neuigkeiten, die sie hier erwarteten, würde sie wohl nicht besonders gut reagieren.

"Ich kann einfach nicht glauben, daß ich schon wieder in einer gottverdammten Hütte mitten im Nirgendwo festsitze", murmelte Miss Parker irgendwo hinter Sydney. Er runzelte die Stirn über ihren Kommentar, beschloß aber, sie erst später danach zu fragen.

"Wo ist Angelo?" erkundigte er sich statt dessen.

"Er spielt draußen im Schnee", erwiderte Miss Parker abwesend, während ihr Blick durch das Wohnzimmer der Hütte schweifte. "Wenigstens müssen wir nicht lange bleiben. Am besten fangen wir gleich damit an, Jarod ausfindig zu machen."

"Wir sollten lieber warten, bis Broots hier eintrifft", meinte Sydney. Miss Parker drehte sich zu ihm um.

"Ich verstehe immer noch nicht ganz, warum er nicht mit uns gekommen ist", sagte sie. Ihr Tonfall gab Sydney das Gefühl, es mit einer trotzigen Sechsjährigen zu tun zu haben.

Sydney seufzte innerlich. Der schwierige Teil stand ihnen eindeutig noch bevor.

"Sie waren diejenige, die so schnell wie möglich aufbrechen wollte, Miss Parker", erinnerte er sie. "Es ist viel einfacher für Mr. Broots, die Daten über Jarods möglichen Aufenthaltsort im Centre auszuwerten."

Er hoffte, daß sie seine Erklärung akzeptieren würde. Gleichzeitig fragte er sich, wo Broots blieb. Auch wenn sie durch den Jet einen Zeitvorsprung hatten, sollte er doch so langsam bei der Hütte eintreffen.

Miss Parker verzog das Gesicht.

"Wir warten noch eine Stunde. Wenn er dann nicht hier ist, brechen wir ohne ihn auf", erklärte sie in einem Tonfall, der jeden Widerspruch im Keim erstickte. Sydney nickte nur, dann griff er nach seiner Tasche und machte sich auf den Weg in sein Zimmer.

*******

Miss Parker stand am Fenster und blickte hinaus auf die schneebedeckte Landschaft. Ein Zittern lief durch ihren Körper. Alles hier erinnerte sie an Claremont. Und viel schlimmer noch, es erinnerte sie an ihre Zeit mit Jarod nach der Explosion. Der Schnee, die Hütte, die Kälte...

Eine Bewegung vor dem Fenster lenkte ihre Aufmerksamkeit von der Vergangenheit ab. Angelo tollte im Schnee herum, einen begeisterten Ausdruck auf dem Gesicht.

'Wenigstens einer, der hier glücklich ist', überlegte Miss Parker düster. Doch dann entlockte ihr Angelo ein Lächeln, als er kopfüber einen kleinen Hügel herunterrollte. Miss Parker schüttelte den Kopf. Wann hatte sie aufgehört, sich an den kleinen Dingen des Lebens zu erfreuen?

Erschöpft lehnte sie sich an den Fensterrahmen. Sie wollte überhaupt nicht hier sein. Viel lieber wäre sie jetzt wieder in Maine, bei Ben. Der Gedanke an ihn versetzte ihr einen Stich. Verwirrt runzelte sie die Stirn. Schon den ganzen Tag fühlte sie sich unwohl, sobald sie an Ben dachte. Aber vermutlich lag das nur daran, daß sie jetzt nicht bei ihm war.

Statt dessen war sie hier, um Jarod zu fangen. Dieser Gedanke war noch viel unerträglicher für sie. Nicht nur, daß sie ihn nicht mehr fangen wollte, sie fragte sich auch, was aus ihm werden würde, wenn er zurück im Centre war. Viel zu deutlich erinnerte sie sich daran, wie er sich in der kurzen Zeit verändert hatte, als er nach der Sache mit Major Charles und dem Klon von Raines zurückgebracht worden war.

Damals war es leichter für sie gewesen. Es war nicht sie gewesen, die ihn eingefangen hatte, sondern Raines. Dadurch waren ihre Schuldgefühle weniger heftig gewesen. Doch dieses Mal würde sie diejenige sein, die ihn zurück ins Centre brachte, zurück zu einem Leben in Gefangenschaft und Ausbeutung. Und ihr Vater würde sie mit seinem falschen Stolz überschütten.

Der Gedanke daran machte sie krank. Vielleicht war es jetzt endlich Zeit, ihren Teil der Abmachung einzufordern. Jarods Freiheit für ihre.

Aber was würde dann aus ihrer Jagd nach Tommys Mörder werden?

*******

"Angelo, du solltest jetzt lieber wieder ins Haus kommen", rief Sydney. Er wartete, bis der Empath an ihm vorbei nach drinnen gegangen war, dann wollte er die Tür schließen. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Ein Taxi kam den schmalen Weg zur Hütte hinauf. Erleichtert seufzte Sydney.

'Gott sei Dank, sie sind hier.'

"Miss Parker, Broots ist hier."

Sydney machte ein paar Schritte nach draußen, um den Neuankömmlingen entgegen zu gehen.

"Wurde auch Zeit", hörte er Miss Parkers Stimme von drinnen. Besorgt runzelte er die Stirn. Ihre Stimmung schien sich sogar noch verschlechtert zu haben. Hoffentlich würde sie nicht zu heftig reagieren, wenn sie herausfand, was er getan hatte. Aber schließlich war es ja nur zu ihrem Besten geschehen.

Die Türen des Taxis öffneten sich, und Sydney erkannte sofort den Grund für Broots' Verspätung.

"Was ist denn mit Ihnen passiert?"

"Bitte fragen Sie mich nicht, Syd", erwiderte der Techniker. Ein Teil seiner unnatürlichen Blässe wich einem kräftigen Rotton.

Sydney starrte auf Broots' linken Arm, der in einem Gipsverband steckte. Er öffnete den Mund, um entgegen Broots' Bitte doch etwas dazu zu sagen.

"Hallo, Sydney!"

Debbie kletterte aus dem Taxi und kam ihm entgegen. Sie umarmte ihn kurz und lächelte ihn strahlend an.

"Daddy hatte einen kleinen Unfall auf dem Flughafen", erklärte sie mit einem Kichern. Ihr Vater beugte sich ein wenig zu ihr hinunter.

"Erinnerst du dich noch an das Gespräch über Geheimnisse, das wir vorhin hatten?" fragte er.

"Sicher, Dad", erwiderte Debbie. Sie zwinkerte, und Broots rollte mit den Augen.

"Dann ist es ja gut", murmelte er. "Haben Sie Miss Parker schon erzählt..."

"Mir was erzählt?" erkundigte sich Miss Parker von der Tür her. Debbies Gesicht hellte sich beträchtlich auf, als sie Miss Parker sah. Sydney hielt den Atem an.

"Sydney!" Miss Parkers Stimme war ein düsteres Grollen. "Was zum Teufel..."

Weiter kam sie nicht, denn Debbie hatte mittlerweile die Distanz zu ihr überbrückt und sie in ihre Arme geschlossen. Parker erwiderte die Umarmung, und für einen Moment wich alle Wut aus ihrem Blick. Aber der Moment war viel zu schnell vorbei, und Sydney begriff, daß jetzt definitiv der schwierige Teil begann. Und zwar für ihn.

"Wieso gehen wir nicht alle erst mal ins Haus?" schlug er vor, schob Miss Parkers Fragen noch für einen Augenblick vor sich her. Er ignorierte den wütenden Blick, den sie ihm zuwarf, als er an ihr vorbeiging.

"Wow, was für eine tolle Hütte!" rief Debbie begeistert. Sie drehte sich einmal um ihre eigene Achse, sah sich dabei neugierig um. Miss Parkers Blick ruhte ein paar Sekunden lang auf Broots' Tochter, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit Sydney zu. Der Psychiater begann, sich unter ihrem Blick unwohl zu fühlen, wußte er doch um die heftigen Gefühle, die allzu oft unter Miss Parkers scheinbar glatter, kalter Oberfläche brodelten.

"Ihre Zimmer sind im ersten Stock", sagte Sydney, obwohl er eigentlich nicht unbedingt mit Miss Parker alleingelassen werden wollte. Broots seufzte erleichtert.

"Komm, Debbie. Laß uns unsere Sachen raufbringen."

"Ist gut, Dad."

Sydney sah den beiden nach, als sie die Treppe raufgingen. Miss Parker machte ein paar Schritte auf ihn zu, bis sie dicht vor ihm stand.

"Was soll das, Sydney?" fragte sie ihn leise. Ihr ruhiger Tonfall täuschte ihn nicht über ihren Zorn hinweg. "Jarod ist überhaupt nicht hier, habe ich recht? Ich habe doch gleich gewußt, daß hier etwas nicht stimmt."

"Miss Parker, Sie hatten Urlaub nötig", begann er.

"Hören Sie auf!" unterbrach sie ihn aufgebracht. Sie zitterte. Sydney begriff, daß sie sich nur noch mit Mühe beherrschte. Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, daß sein Plan vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war.

"Ich wollte, daß sie mit Menschen zusammen sind, die Sie mögen."

Miss Parker atmete tief ein.

"Und dafür haben Sie mich hierher gebracht. In eine einsame Hütte, mitten im Schnee", sagte sie sehr leise. "Vielen Dank, Sydney."

Sie drehte sich um, um zu gehen. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, aber sie schüttelte sie ab. Mit energischen Schritten ging sie die Treppe hinauf. Ein paar Sekunden später hörte Sydney, wie sie die Tür ihres Zimmers geräuschvoll hinter sich schloß.

"Ich schätze, Sie hat Ihre Sorge nicht zu würdigen gewußt", sagte Broots von der Treppe her.

"Ist schon gut, Broots. Geben Sie ihr ein bißchen Zeit."

"Warum ist Miss Parker wütend?"

Debbie war hinter ihrem Vater aufgetaucht.

"Ich glaube nicht, daß sie wirklich wütend ist", beantwortete Sydney ihre Frage. "Es ist nur sehr lange her, seit sie zum letzten Mal Urlaub gemacht hat."

"Jemand sollte nach ihr sehen", erklärte das Mädchen ernst. Bevor Broots sie aufhalten konnte, war sie die wenigen Stufen bis zum Ende der Treppe hinauf gelaufen.

"Debbie, warte!" rief Broots.

"Lassen Sie sie gehen. Ich glaube, sie ist jetzt genau das, was Miss Parker braucht."

*******

Der Raum war beinahe völlig dunkel, nur erhellt vom schwachen Licht eines Computerbildschirms. Major Charles starrte unentschlossen auf die Karte, die darauf zu sehen war. Es war Zeit, diesen Ort zu verlassen und weiterzuziehen, schon allein um der Sicherheit des Jungen willen.

"Dad?"

"Mhm?"

Er drehte sich um und musterte Jay, der in der Tür stand. In den letzten Wochen hatten sie viel Zeit gehabt, um sich aneinander zu gewöhnen, und Major Charles hatte fast das Gefühl, eine zweite Chance bekommen zu haben. Eine Chance, seinen Sohn aufwachsen zu sehen. Wie immer, wenn er Jay ansah, mußte er unwillkürlich an Jarod denken. Was sein ältester Sohn wohl gerade machte?

"Ich kann nicht schlafen."

Der Major unterdrückte ein Lächeln. Trotz der Umstände, unter denen Jay aufgewachsen war, war er doch ein ganz normaler Teenager. Und genau wie ein ganz normaler Teenager schien er so gut wie keinen Schlaf zu brauchen.

"Hm, dann könntest du mir vielleicht dabei helfen, eine wichtige Entscheidung zu treffen", erwiderte Charles langsam. Jays Miene hellte sich auf.

"Worum geht es, Dad?" erkundigte er sich neugierig, als er zu seinem Vater ging und sich auf die Lehne seines Stuhls setzte.

"Erinnerst du dich noch an Miss Parker?"

Ein nachdrückliches Nicken beantwortete seine Frage.

"Natürlich!"

"Sie hat uns vor ein paar Tagen einen großen Gefallen getan", erklärte Charles. "Und ich überlege gerade, ob wir ihr dafür nicht persönlich danken sollten." 'Außerdem möchte ich sichergehen, daß ich mich nicht in dem Grund täusche, aus dem sie uns geholfen hat', fügte er in Gedanken hinzu.

Jay sah ihn begeistert an.

"Worauf warten wir noch? Laß uns gehen!"









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