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Children of Tomorrow
Kapitel 1: Die Phoenix-Zwillinge


The Center
Blue Cove, Delaware
Juli 1996


Zur Mittagszeit hatten sich mehrere Mitarbeiter des Centers in der Lobby eingefunden, um dort in kleinen Gruppen ihr Mittagessen ein zunehmen. Im Vergleich zu den karg beleuchteten, unterirdischen Subleveln des Centers wirkte die Lobby einladend und es herrschte dort eine angenehmere Atmosphäre als in den Laboratorien, wo es nach Metall, Medikamenten und Desinfektionsmittel roch.

In Mitten der gut gekleideten Center-Angestellten hätten die beiden etwa siebenjährigen Kinder auffallen müssen, die wie hypnotisiert hinauf zu der Glaskuppel starrten. Obwohl sie das Sonnenlicht nur durch milchiges Glas erblickten, war es mehr von der Außerwelt als sie bisher gesehen hatten, und es beflügelte ihre Phantasie. Die beiden Kinder schienen Geschwister zu sein – ein Junge und ein Mädchen -; das hellbraune Haar des Jungen war ein bisschen dunkler als das des Mädchens, genauso waren seine Augen dunkelblauer als die seiner Schwester. Beide trugen weiße Leinenhosen und weiße Leinen-T-Shirts.

Ein bisschen abseits, am oberen Rand der Treppe stehend, fielen sie Sam sofort ins Auge, als er durch die Lobby lief. Der Sweeper hatte ein Päckchen von Jarod in der Hand, das er ins Miss Parkers Büro bringen sollte, doch er vergaß seine Aufgabe, als er die beiden Kinder sah, und fragte sich, was die beiden hier wohl machten. Innerlich hoffte er, dass die beiden nur kurz im Center waren, für ein harmloses Experiment, eine harmlose Statistik… Bei jedem Kind, das Sam im Center sah, wurde er jedes Mal angewiderter von seinem Arbeitsplatz.

Die beiden Kleinen würden garantiert in Schwierigkeiten geraten, wenn Raines sie hier fand, also beschloss er, sie dorthin zurück zu bringen, wo sie sein sollten. Sam wusste, wozu manche der Trainer im Center fähig waren, wenn ihre Schützlinge ihnen nicht gehorchten. Seufzend lief er die Treppe nach oben; die Kinder schienen ihn nicht zu bemerken, denn sie starrten weiterhin ungestört nach oben.

„Hey, ihr zwei“, riss er sie aus ihren Gedanken.

Die Köpfe der beiden senkten sich schnell wieder; der Junge schob das Mädchen, das links neben ihm stand, mit seiner Schulter ein Stück nach hinten, als wolle er sie vor dem Mann beschützen. Allerdings sahen sie ihn mit offener Neugier und Teilnahmslosigkeit an.
„Solltet ihr nicht bei einem Trainer sein, oder wartet ihre auf eure Eltern?“, fügte Sam hoffnungsvoll hinzu. Der Junge schüttelte mit ernster Mine den Kopf. „Wo gehört ihr denn hin?“, hakte der Sweeper nach.

Die beiden Kinder drehten ihre Köpfe in Richtung des Aufzugs, der zum Tower hinauffuhr. In diesem Moment öffneten sich die Türen des Aufzugs und Mr. Parker und zwei Schwarze – Mitglieder des Triumvirats, wie Sam an ihrer bunten, afrikanischen Kleidung sehen konnte – stiegen aus. Zielstrebig liefen die drei Männer auf die Kinder und Sam zu. Sam bemerkte das milde Lächeln des Chairmans als er den Jungen und das Mädchen erblickte und es verwirrte ihn.

„Mr. Parker“, begrüßte Sam ihn diskret, als er zu ihnen hinüber gekommen war.
Der ältere Mann nickte. „Sam, genau Sie wollte ich heute noch sprechen; nun, wenn sie einen Augenblick hier bleiben wollen, dann kann ich das auch gleich erledigen.“ Mr. Parker drehte sich zu den beiden Triumviratsmitgliedern um. „Das hier ist Projekt Phoenix – Gage und Hannah, die Phoenixzwillinge. Sie sind ein persönliches Projekt von Dr. Raines, und – wenn ich das so sagen darf – der Beginn der Zukunft des Centers.“
Die beiden Zulus nickten erfreut, die Zwillinge jedoch starrten auf die farbenfrohen Gewänder der Afrikaner. In die knöchellangen Hemden waren Goldfäden eingewoben, leuchtend grüne, blaue und rote Wolle war zu verschiedenen Mustern darin verarbeitet worden. Solche Farben kannten die beiden Kinder zwar, aber sie hatten sie noch nie gesehen und – anders als auf Farbpaletten – sahen sie nun viel leuchtender und beeindruckender aus.

„Die beiden sind zweifelsohne sehr begabt.“ Mr. Parker räusperte sich. „Und das“, er deutete mit einem Nicken auf Sam, „ist einer unserer loyalsten Mitarbeiter, Samuel Grey. Schon sein Vater hat für uns gearbeitet. In Anbetracht der Tatsache, dass Projekt Phoenix höchste Priorität genießt, halte ich es für ratsam, wenn Mr. Grey sich um die Sicherheit des Projekts kümmert.“

Sam war von dieser Ankündigung überrascht worden; Mr. Parker wusste gut, dass Sam als persönlicher Sweeper seiner Tochter sich hauptsächlich um die Suche nach dem Pretender Jarod kümmerte, der vor einem halben Jahr davongelaufen war. Warum dann noch diese zusätzliche Aufgabe?

Gage und Hannah sahen Sam nun mit ihren großen, blauen Augen an und der Hauch eines Lächelns erschien auf ihren Gesichtern. Sam lächelte matt zurück und damit waren all seine Sorgen über den Zeitaufwand verschwunden. Diese beiden Kinder konnten einen weniger strengen Betreuer gut gebrauchen, vor allem wenn sie zu einem Prioritätsprojekt gehörten.

„Nun, Sam, wenn Sie einverstanden sind, dann möchte ich Sie nun bitten, die beiden zurück in den Raum 14 auf SL-23 zu bringen. Sie erhalten heute Abend ausführliche Instruktionen über das Projekt.“



Miss Parkers Geschenk von Jarod machte die Ice-Queen des Centers nur noch wütender an diesem Tag – es war eine Packung Petz. Sams Gedanken schweiften während des gesamten Tages immer wieder ab; die Phoenix-Zwillinge hatten etwas Bekanntes an sich, aber er konnte nicht genau erklären, was es war. Es war etwas in ihren Augen, an ihrem Blick...

Als der Sweeper an diesem Abend ins Parkhaus lief, wartete bereits Willie vor Sams Wagen auf ihn. Der andere Sweeper reichte ihm wortlos zwei weiße Akten und ging davon. Neugierig öffnete Sam die oberste Akte noch bevor er sein Auto aufgeschlossen hatte. In der linken, oberen Ecke des obersten Papiers in der Mappe waren die schwarzen Konturen eines Vogel – eines Phoenix' – abgedruckt. Es waren die Unterlagen für den Jungen, Gage. Hinter seinem Namen stand eine Nummer: 18-072496-01. Außer unpersönlichen Angaben zu Wachstum, Blutgruppe und dergleichen standen bei „Herkunft“ noch zwei Codenummern: 12-072463-01 und 12-0724-07. Sam legte seine Stirn in Falten und öffnete die zweite Mappe, in der sich Hannahs Unterlagen befanden. Die Zwillinge waren laut diesen Aufzeichnung nahezu identisch bis auf das Geschlecht.
Mit den Akten unter dem Arm wollte Sam schließlich in seinen Lincoln steigen, als ihm ein Notizzettel von Mr. Parker auffiel, der in Gages Akte gelegen hatte. Die Notiz war auf die Rückseite eines Fotos von Miss Parker geschrieben: Sie werden die Ähnlichkeit bemerkt haben. Ich verlasse mich darauf, dass sie die Zukunft des Centers vor denen beschützen, die ihnen Böses wollen- schon alleine aus diesem Grund, Sam. Dennoch müssen sie Stillschweigen bewahren.

Als er hinter dem Steuer seines Wagens saß fröstelte es den Sweeper. Gage und Hannah – natürlich! Warum war es ihm noch schon am Nachmittag aufgefallen? Die Zwillinge hatten Parkers blaue Augen! Der Gedanke, dass die beiden im Center „erschaffen“ wurden, ohne dass ihre Mutter wusste...

Damit kann es kein gutes Ende nehmen, dachte Sam.









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