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Eagle Inn, 16.55 Uhr

Was hat er dieses mal nur wieder vor? Miss Parker schaute sich gründlich in Jarods Hotelzimmer um. Wie es aussah, war er tatsächlich erst angekommen, denn es lag eine Reisetasche mit Klamotten und sonstigem Kram auf dem Bett. Jarod war also noch in der Nähe! Und er rechnete nicht damit, dass man ihm schon auf den Fersen war. Miss Parker spürte aus Gewohnheit einen Hauch von Triumph in sich aufsteigen hatte aber sofort ein schlechtes Gewissen. Sie hatte immer noch keine Antwort auf ihre Frage gefunden.
Was wird dann geschehen? - Was wird geschehen, wenn es ihr tatsächlich gelingen würde, Jarod heute zu fangen? Miss Parker spürte wie sie der Mut verließ. Am liebsten hätte sie alles hingeschmissen und wäre ins Centre zurückgekehrt. Doch sie wusste, dass das nicht möglich war. Und sie musste jetzt endlich damit aufhören, dauernd an Jarod zu denken! Wer war er schon, dass er sich so in ihren Gedanken breit machte?
"Miss Parker, sehen Sie sich das hier mal an.", unterbrach Broots ihren Gedankenstrom.
Miss Parker trat hinter Broots und musterte die Landkarte, die er in den Händen hielt. Ein Hügel auf der Karte war eindeutig von Hand rot markiert worden. "Was will unser Genie denn auf diesem Hügel?", fragte Miss Parker skeptisch.
"Vielleicht muss er einen seiner Fälle noch zu Ende bringen.", meinte Sydney und hielt eines von Jarods roten Notizbüchern in der Hand. Miss Parker nahm das Buch an sich und blätterte es durch. Sie überflog die Artikel über ein Mädchen, dass von einer Lawine verschüttet und Tot geborgen worden war.
"Es ist also genau dieser Hügel, auf dem dieses Mädchen verschüttet wurde. Wir sollten uns dort mal umsehen. Vielleicht treffen wir unser Wunderkind noch an.", sagte Miss Parker dann bestimmt. Am liebsten wäre es ihr aber gewesen, Jarod nicht dort anzutreffen. Sie war so schon verwirrt genug, da konnte eine Begegnung mit Jarod nicht gerade Hilfreich sein.

Die Fahrt zu dem von Jarod markierten Gebiet dauerte weit über eine Stunde, da der besagte Hügel ein gutes Stück außerhalb der Stadt lag und der angekündigte Schneesturm schien sich langsam aber sicher einzustellen. Die Flocken rieselten immer schneller richtung Erde und die Straßen waren glatt. Hier oben in den Bergen schien es auch keine regulären Streuwagen zu geben. Der Mietwagen kroch also im Schneckentempo über die vereisten, weißen Straßen.


Gegen 19 Uhr irgendwo außerhalb von Vancouver

Jarod hatte natürlich daran gedacht die Polizei herzubeordern und der Streifenwagen hätte normalerweise schon längst da sein müssen. Doch die Straßen waren mittlerweile sehr glatt und es war schwierig durchzukommen. Der Schnee lag schon ziemlich hoch und immer noch rieselten die großen weißen Flocken zu Boden. Nervös sah Jarod auf seine Armbanduhr und trottete den kleinen Hügel auf und ab um sich warm zu halten. Johnson brüllte immer noch im Hintergrund, doch Jarod interessierte nicht, was ihm dieser Verrückte noch zu sagen hatte. Für ihn war der Fall durch das Geständnis erledigt.
Seine Gedanken wanderten mal wieder zu Miss Parker.
Warum musste er nur immer wieder an sie denken? Warum konnte er sie nicht einfach aus seinen Gedanken vertreiben? Als er wieder etwas aus seinen Gedanken auftauchte bemerkte Jarod, dass plötzlich gar nichts mehr zu hören war. Merkwürdig. Hatte Johnson etwa aufgegeben? Irgendetwas schien hier ganz und gar nicht zu stimmen. Jarod hatte da so ein mieses Gefühl im Bauch und normalerweise waren seine Gefühle zutreffend, außer es ging um Miss Parker. In dieser Hinsicht war er absolut verwirrt. Doch dann lenkten ihn neue Geräusche ab, die eindeutig nicht von Johnson stammen konnten. Jarod hörte ein Auto den Hügel hoch kommen. Dann knallende Wagentüren und Stimmen. "War das die Polizei?"
Dann sah er die Frau, die ihn auch in seinen Gedanken verfolgte. Doch Miss Parker hatte Jarod im gleichen Augenblick ebenfalls bemerkt, zückte ihre Waffe und rannte auf ihn zu. Jarod stand nahe einem kleinen Vorsprung und wusste genau, dass es keinen anderen Weg für ihn geben würde, als gradewegs nach unten. Doch er würde sehr weit Fallen.
Konnte er es wirklich wagen da hinunterzuspringen? Miss Parker und die Sweeper, die ihr hinterher geeilt kamen, hatten Jarod schon fast erreicht, als ein Schuss fiel.
Alle wirbelten herum und blickten überrascht in die Richtung, aus der der Schuss kam.
Dort stand Johnson. Wir war er nur da unten raus gekommen? Doch Jarod musste sich die Frage erst gar nicht selbst beantworten. Er bekam die Antwort prompt geliefert.
"Hey, Idiot, du hast wohl nicht bedacht, dass ich Lou noch mal vorher anrufen könnte. Hab ihm zwar nur auf den AB quatschen können, doch es hat gereicht, damit er uns findet.", schrie Johnson Jarod entgegen. Lou richtete das lange Jagdgewehr auf Jarod, doch dann hielt er inne und zielte auf Miss Parker, die in dem Augenblick als der Schuss fiel kurz vor Jarod stehen geblieben war.
"Lass die Waffe sinken, Schätzchen, oder du hast ne Kugel im Kopf.", rief Lou Miss Parker zu. Sie legte widerwillig, aber bedächtig die Waffe auf den zugeschneiten Boden.
"Wir müssen sie alle aus dem Weg räumen . Wer weiß wie viel die alle wissen.", raunte Johnson Lou zu. Doch Jarod hatte es gehört und war entsetzt. Er musste sich schnell etwas einfallen lassen. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren.
"Hast recht Partner.", grinste Lou und legte nun das Gewehr an, immer noch auf Parker zielend. Jarod erstarrte den Bruchteil einer Sekunde.
"Nein." schrie er. Doch Lou machte sich nichts daraus, sondern feuerte. Verzweifelt warf sich Jarod im letzten Moment vor Miss Parker. Sie stand nahe am Abgrund und hielt sich, verzweifelt nach einem Halt suchend, an Jarod fest, als sie abrutschte. Beide verloren das Gleichgewicht und stürzten in die Tiefe.


Jarod versuchte seine Orientierung wiederzuerlangen. Er befreite sich aus dem Tiefschnee und blickte sich suchend nach Miss Parker um. Reflexartig legte er sich schützen die Hände vor die Augen. Rings um ihn lag Schnee, soweit das Auge reichte und die dicken Flocken machten eine Sicht auf weite Distanz unmöglich.
"Miss Parker! Wo sind sie?" Jarod stierte angestrengt in das Weiß, konnte sie jedoch nirgends entdecken. Wo war sie bloß? Ist sie vielleicht beim Sturz verletz worden? Jarod versuchte wieder auf die Beine zu kommen, was durch den vielen Schnee nicht einfach war. Als er endlich halt gefunden hatte, sah er sich wieder suchen um und rief erneut nach ihr. Dann fiel ihm zu seiner Linken eine vage Bewegung im Schnee auf. Er versuchte so schnell wie möglich dorthin zu gelangen, doch es fiel ihm schwer, sich im hohen Schnee voranzuarbeiten. An der Stelle, wo er die Bewegung ausgemacht hatte, blieb er stehen und ließ sich in den Schnee sinken. Mit beiden Händen begann er hastig den Schnee zur Seite zu schaufeln. Jarod war mehr als erleichtert, als er sah, dass es Miss Parker gut ging.
"Was zum Teufel..?!" keuchte sie atemlos. Jarod half ihr, sich aufzurichten und blickte nach oben. Er konnte nicht sagen, wie tief sie gefallen waren, das Schneegestöber war zu stark und die Stelle, von der sie Abstürzten nicht im geringsten zu erkennen. Sie mussten aber bestimmt noch ein gutes Stück den Abhang hinunter gerollt sein.
"Wir haben wohl großes Glück gehabt" meinte Jarod und sah Miss Parker an. Sie erwiderte unsicher seinen Blick. Es war seltsam, ihm wieder allein gegenüber zu stehen. Verunsichert tastete sie nach ihrer Pistole, wurde aber nicht fündig. Sie musste sie bei dem Sturz verloren haben, dachte sie im ersten Moment, doch dann wurde ihr klar, dass sie immer noch oben, auf dem Vorsprung lag. Auch das noch! Sie blickte auf und sah, dass Jarod sie mit seinen Augen musterte. Einen Moment lang sagte keiner etwas dann meinte Jarod:
"Wir müssen uns nach einem Unterschlupf umsehen. Der Schneesturm wird bald seine volle Stärke erreicht haben und Lawinen auslösen. Hier draußen haben wir keine Chance."
"Oh nein, mein Lieber! Wir beide werden zurück zu den anderen gehen und zwar sofort!" Jarod schaute ihr direkt in die Augen und sein Blick ließ keinen Widerspruch zu.
"Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich einfach mit ihnen gehen würde? Ihr Waffe haben sie schließlich dank Lou oben zurücklassen müssen. Und abgesehen davon, öffnen sie doch ihre Augen! Es gibt keinen Weg zurück, den Berg hinauf. Das wäre der absolute Wahnsinn! Es bleibt uns keine andere Möglichkeit, als uns nach einem halbwegs sichern Ort umzuschauen. Ich habe noch eine Hütte in Erinnerung, die auf der Karte eingezeichnet war. Wir werden sie suchen und dort werden wir dann das Ende des Sturms abwarten."
Miss Parkers Augen funkelten, doch sie wusste, dass er Recht hatte, es gab keine andere Möglichkeit. "Dann lassen sie uns diese verdammte Hütte schnell finden!"
Jarod nickte. Das hoffte er auch. Die Entwicklung des Schneesturms machte ihm Sorgen. Wenn er sich nicht irrte war die kleine Berghütte in süd-östlicher Richtung markiert gewesen. Jarod versuchte sich vorzustellen, wo um diese Uhrzeit die Sonne stehen müsste, denn am Himmel war nichts zu sehen, außer einer weißen Decke.
"Dort lang.", meinte er dann und zeigte geradewegs ins Schneegestöber. Miss Parker hoffte nur, dass er Recht behielt und in dieser Richtung wirklich ein Unterschlupf zu finden war. Die eisige Kälte machte ihr langsam zu schaffen. Vorsichtig stapften sie durch den hohen Schnee. "Wir müssen sehr vorsichtig sein, damit wir keine Lawine lostreten.", rief Jarod leise gegen den Sturm an. Miss Parker blieb hinter ihm und versuchte nicht darüber nach zu denken, was sie wohl zu hören bekam, wenn sie - höchstwahrscheinlich ohne Jarod - wieder im Centre war.
Das wandern durch den Schnee war mühselig und der Wind peitschte ihnen kalt ins Gesicht. Miss Parker kam nur mit Mühe voran, da ihre hohen Schuhe hier nicht gerade hilfreich waren. Nach etwa einer halben Stunde schweigendem nebeneinander Hergehen deutete Jarod nach vorn. "Da ist es."
Miss Parker konnte die Umriss der kleinen Hütte vage erkennen. "Na Gott sei Dank"
Sie konnte inzwischen ihre Beine und Finger nicht mehr spüren und war ziemlich erschöpft. Doch genau wie Jarod eilte sie auf die kleine hölzerne Hütte zu und blieb vor dem verschlossenen Eingang stehen. Jarod drückte sich mit der Schulter gegen die Tür und sie öffnete sich mit einem lauten Knarren. Er lies Miss Parker den Vortritt und sie ging ohne umschweife über die Schwelle. Im innern der Hütte war es auch nicht viel wärmer als draußen, aber mindestens wehte ihnen hier kein eisiger Wind riesige Schneeflocken ins Gesicht. Die Hütte selbst war in drei Räume unterteilt. Der Eingangsbereich mit dem daran grenzenden Wohnzimmer, die Küche und ein Schlafzimmer, mit einem großen klobigen Bett. Jarod musterte eingehend den kleinen Kamin im Wohnzimmer.
"Ich werde mich mal nach Feuerholz umsehen, wahrscheinlich muss ich ein paar der Stühle, die in der Küche stehen zu Brennholz umfunktionieren, aber Hauptsache, wir können uns irgendwo aufwärmen.", meinte er dann.
"Tun sie dass, oder wir werden höchstwahrscheinlich in dieser gottverdammten Gegend erfrieren." Miss Parker ging im Raum umher um sich wieder halbwegs aufzuwärmen. Währendessen hatte Jarod einen kleinen Verschlag entdeckt, indem er aufeinandergestapeltes Brennholz fand. Na Gott sei Dank, dachte Jarod und machte sich, beladen mit Holz, wieder auf den Rückweg in die Hütte. Miss Parker unterdessen war damit beschäftigt die Schränke in der Küche zu inspizieren.
"Glauben sie wirklich, dass sie da etwas brauchbares finden? Lebensmittel wären bestimmt schon schlecht und ansonsten wüsste ich nicht..." Doch Miss Parker unterbrach ihn.
"Wenn man das hier nicht brauchbar nennen kann." Sie hielt eine angebrochene Flasche Whiskey in der Hand und lächelte triumphierend. Dann nahm sie sich ein verstaubtes Glas aus dem Küchenschrank, wischte es mit einem wohl genauso staubigen Tuch sauber und schenkte sich ein. Mit dem Glas in der Hand setze sie sich auch einen Stuhl und beobachtete Jarod, der dabei war, das Holz systematisch im Kamin aufzuschichten.
"Was denken sie, Jarod, wie lange wird der Sturm da draußen toben?".
"Schwer zu sagen, aber es sieht nicht nur nach einer Kleinigkeit aus.
Das müssen wir abwarten. Haben sie zufällig Feuer?", fragend Blickte er zu Miss Parker hoch.
"Nein, die Zeiten, als ich noch rauchte sind vorbei, obwohl ich mir manchmal wünsche, ich hätte es nicht aufgegeben."
Sie deutete auf eine Ablage über dem Kamin. "Dort."
Über dem Kamin lag eine Schachtel Streichhölzer. Jarod tastet danach, nahm diese in die Hand, suchten sich ein wenig Papier und versuchte ein Feuer zu entfachen. Dann setzte er sich auf und blickte zu ihr hinüber. Unwillkürlich musste Jarod lächeln. Doch es war mehr ein trauriges lächeln.
"Was ist denn so amüsant?", fragte sie mit einem schiefen Blick auf ihn.
"Wenn sie jetzt schon anfangen sich zu betrinken..."
"Und was soll das jetzt heißen?", Miss Parker sah ihn verwirrt an.
Jarod begann in seiner Jackentasche zu stöbern, dann fischte er einen Briefumschlag aus der rechten Tasche und warf diesen Miss Parker zu.
"Was ist das?", wollte Miss Parker dann wissen, während sie den Briefumschlag in ihren Händen hin und her drehte.
"Ich wollte ihn auf der Post aufgeben, sobald ich aus den Bergen zurück in der Stadt bin, aber wie sie wissen, bin ich nicht mehr dazu gekommen. Sie wussten es zwar in gewisser Weise schon, aber in diesem Brief werden sie entgültige Antworten finden, oder besser gesagt eine entgültige Antwort."
Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch riss Miss Parker den Umschlag auf. Sie hielt das Blatt Papier in den Händen und während sie begriff, was da stand lief ihr eine einsame Träne über die Wange. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander wie die Schneeflocken vor dem Fenster. "Dann ist Daddy also wirklich nicht mein Vater, sonder.., sondern...". "...Raines." Jarod sah sie an. Mit leerem Blick starrte sie zurück und schloss dann die Augen. "Oh mein Gott." Als sie sie wieder öffnete, tastete sie nach der Flasche Whiskey und füllte ihr Glas. "Ich glaube, jetzt verstehe ich ihren kleinen Scherz.", meinte sie und nahm einen kräftigen Schluck. Woher haben sie nur diesen Brief"
"Ich habe ihn in einer Wertkassette ihrer Mutter gefunden. Sie lag in ihrem Schließfach. Ich dachte, sie sollten jetzt endlich erfahren, wer ihr wirklicher Vater ist."
"Warum hat meine Mutter einen Vaterschaftstest machen lassen, Jarod?" sagte sie mit matter Stimme.
"Ich denke, dass auch sie sich nicht sicher war, wer nun der Erzeuger ihrer Tochter ist. Sie wollte wohl auch Antworten haben, so wie sie." Jarod sah sie verständnisvoll an. Er konnte ihren Schmerz verstehen. Miss Parker nahm noch einen Schluck aus ihrem Glas, dann wandte sie sich wieder Jarod zu.
"Trinken sie einen Schluck mit mir Jarod."
"Nein, danke ich trinke nicht.", wies er sie höflich ab. Doch Miss Parker hörte nicht auf ihn. Sie stand auf und holte ein weiteres verstaubtes Glas aus dem Schrank, wo sie schon ihres her hatte. Dann säuberte sie auch dieses, setzte sich neben Jarod auf die Couch, goss etwas von dem Flascheninhalt in das zweite Glas, reichte ihm dieses und füllte dann auch ihres neu auf. "Trinken wir auf meinen wunderbaren Vater, der es doch immer wieder schafft unser beider Leben zu zerstören.", sagte sie dann sarkastisch, mit Tränen in den Augen und hielt Jarod ihr Glas zum anstoßen hin. Zögerlich nahm er das Glas hoch und stieß mit ihr an.
Ganz im Gegensatz zu ihr nahm er vorsichtig nur einen kleinen Schluck, denn er war es nicht gewohnt Alkohol zu trinken, erst recht nicht hochprozentigen. Doch er hatte ihr diesen Wunsch einfach nicht abschlagen können.
"Haben sie eigentlich noch einmal eine Spur von ihrer Mutter gefunden, Jarod?"
"Nein, bis jetzt noch nicht. Ich weiß nur, dass sie in Schottland wohl nach Antworten gesucht haben muss.
"Ja, ich bin wohl nicht die einzige, die danach sucht. Antworten, auf all diese Lügen des Centres. Manchmal bin ich mir nicht sicher, wen ich mehr jage. Sie, oder die Wahrheit."
Er musste lächeln. Beide schwiegen eine Weile, während sie gelegentlich einen Schluck von dem Whiskey nahmen. Jarod hatte noch längst nicht so viel getrunken, wie Miss Parker, doch dieser plötzliche Alkholkonsum machte sich langsam bemerkbar.
"Ich frage mich, was in den Schriftrollen steh.t", sagte Miss Parker dann. Jarod sah überrascht zu ihr rüber.
"Tja dank ihres Va...äh ich meine, dank ihres Onkels werden wir es wohl nie erfahren."
Sie blinzelte einige Male traurig. "Wahrscheinlich nicht.", meinte sie dann mit schwerer Stimme.
"Entschuldigen sie, ich wollte nicht einfach so, ich meine ich wollte sie nicht...", stotterte Jarod nervös herum.
"Schon in Ordnung Jarod. Es ist gut endlich zu wissen, wer mein Vater ist. Auch wenn mir die Wahrheit nicht besonders gefällt. Mal wieder".
"Ja, Parker, wir suchen nach der Wahrheit, die das Center uns vorenthält und wenn wir die Antworten auf unsere Fragen gefunden haben, sind sie erschreckend. Da geht es uns beiden gleich. Wie ich schon sagte, wir sind beide lange Zeit Gefangene des Centres gewesen."
Miss Parker drehte ihr Glas in den Händen und blickte dann zu ihm auf.
"Jarod, ich...wir..., das, was in Schottland war,... es war so dass,...wir hätten nicht..."
Er sah sie mit warmem Blick an. Sie verstummte und vergaß völlig, was sie eigentlich hatte sagen wollen. Da war wieder diese wohlige Wärme, die nicht von dem Feuer im Kamin herrührte. Nein. Diese Wärme, die sie einhüllte, wenn er sie mit diesem Blick ansah, ließ all ihre Sorgen und ihr Misstrauen verschwinden. Da war nur noch Sicherheit und Verständnis. Wie selbstverständlich kamen sich ihre Gesichter ganz nahe...Ihre Lippen berührten sich für einen kleinen, kurzen Moment.
Miss Parker riss sich von ihm los.
"Nein Jarod, wir..." Doch er legte ihr liebevoll den Finger auf die Lippen und gab ihr einen weiteren Kuss. Er strich ihr mit der Hand über den Rücken und zog sie noch näher zu sie heran. In seiner Umarmung vergaß sie alles um sich herum, samt ihrem Inneren Kampf.
Sie war nicht mehr fähig ihren Verstand zu gebrauchen und versank im Strudel ihrer Gefühle, die sie so lange zu unterdrücken versucht hatte. Sie erwiderte seinen Kuss, erst vorsichtig doch dann immer drängender. Sie spürte, dass es seit langem das einzige richtige war, was sie tat. Bei Jarod fühlte sie sich sicher.
Dann legte sie ihre Hand unter sein Hemd und zog es ihm über den Kopf. Jarod begann ihre Bluse aufzuknüpfen, während sie sich immer fordernder küssten. Und dann ließen sie ihren Gefühlen den Lauf. Einige Stunden später lagen beide eng aneinander im großen Bett des Schlafzimmers und waren eingeschlafen.


Miss Parker wurde wach. Sie drehte ihr Gesicht zu Jarod und gab ihm dann einen sanften Kuss auf die Stirn. Vorsichtig befreite sie sich aus seinen Armen. Sie wollte ihn nicht wecken, wollte ihm nicht gegenüber stehen und in die Augen sehen müssen. Das konnte sie nicht. Nicht nach dieser Nacht. Sie verließ den Raum und suchte sich ihre Sachen zusammen. Das Feuer im Kamin war längst herunter gebrannt und die Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster. Sie zog ihren Mantel an und öffnete die Tür. Bei dem knarrenden Geräusch hielt sie einen Moment inne und lauschte. Doch es war kein Laut von Jarod zu hören. Der Whiskey hatte wohl Auswirkungen. Sie trat ins Freie und sah, dass der Sturm vorbei war. Die Sicht war klar und in einiger Entfernung konnte sie deutlich das Städtchen ausmachen, durch dass sie am Tag zuvor auf der Suche nach Jarod gekommen waren. Jarod. Sie wusste, dass sie ihn liebte, doch sie wusste auch, dass es für sie beide keine Zukunft gab. Ihr beider Leben wurde vom Centre geschrieben. Sie war unfähig, etwas dagegen zu tun. Sie musste ihn vergessen. Mit einem letzen Blick auf die Couch verließ sie die Hütte und schloss so leise wie es ging die Tür. Nach knapp einer Stunde hatte Miss Parker die ersten Häuser der kleinen, verschneiten Stadt erreicht. Es war ihr nicht leicht gefallen sich durch den Schnee zu wühlen und noch viel schwieriger war es, Jarod einfach so zurück zu lassen. Sie war sehr durcheinander. Die letzte Nacht war eindeutig sehr schön gewesen, das konnte sie nun wirklich nicht leugnen. Jarod so nahe sein zu können, war wunderbar gewesen. Aber sie musste diese Gedanken loswerden, es gab keinen anderen Weg.
Nach einer Weile hat sie dann auch das Hotel ereicht, in dem sie Jarods Sachen gefunden hatten. Miss Parker war der Meinung, dass sich die anderen hier aufhalten würden und außerdem wusste sie auch nicht, wohin sie sonst hätte gehen sollen.
Tatsächlich fand sie Sydney und Broots beim Frühstücken im Speisesaal des Eagle Inns. Als Broot sie sah sprang er auf und umarmte sie erst einmal herzlich.
"Oh Miss Parker, gut sie zu sehen. Wir haben uns solche Sorgen gemacht..."
Miss Parker versuchte sich erst gar nicht gegen die Art der Begrüßung zu wehren.
"Setzen sie sich Parker. Wollen sie etwas frühstücken oder trinken?" fragte Sydney einladend. Dankbar lies sie sich an den Tisch auf einen der Stühle fallen. Sydney winkte unterdessen einen Kellner zum Tisch, doch bevor Miss Parker überhaupt dazu kam, ihre Wünsche zu äußern traten einige Sweeper in den Raum und kamen zielstrebig auf sie zu.
"Wo ist Jarod?" fragte dann auch gleich der erste. Miss Parker lies eine leises Stöhnen vernehmen und sagte dann in barschem Ton zu den Sweepern:
"Ich weiß es nicht. Wir haben in einer kleinen Hütte Unterschlupf gesucht und dort bin ich dann wohl irgendwann eingenickt. Heute morgen war dann spurlos verschwunden, muss wohl in der Nacht als der Schneesturm nachgelassen hat abgehauen sein." Sie sah dem Sweeper geradewegs in die Augen, doch sie spürte trotzdem den musternden Blick Sydneys. War ihm klar, dass sie gelogen hatte? Die Sweeper jedoch gaben sich mit dieser Antwort, wenn auch nicht gerade begeistert, zufrieden und verschwanden. Miss Parker kam endlich dazu, sich etwas zu essen zu bestellen. In der vergangenen Nacht hatte sie zwar nicht ans Essen gedacht, doch jetzt machte ihr ihr Magen klar, dass sie seit rund zwölf Stunden keine Nahrung mehr zu sich genommen hatte. Während sie aß löcherte Broots sie mit Fragen.
"Sind sie unverletzt? Dieser Sturz sah mörderisch aus, ich...wir dachten schon, ihnen wäre schlimmes zugestoßen und..." Miss Parker sah in an.
"Broots, es geht mir gut." Sie sagte es mit Nachdruck, doch dabei war sie sich nicht so sicher, ob sie wirklich in Ordnung war. Was tat wohl Jarod in diesem Augenblick? Was wird er gedacht haben, als er aufgewacht ist, und ich verschwunden war? Miss Parker versuchte nicht mehr über Jarod zu grübeln und stellte mit zunehmendem Unbehagen fest, dass Syd´s Blick immer noch auf ihr Ruhte. Doch er sagte nichts.
"Broots, packen sie schon mal ihre Sachen. Hier gibt es nichts mehr für uns zu tun. Wir werden ins Centre zurückkehren.", meinte Miss Parker dann, mehr zu sich selbst als zu Broots.
"Und was ist mit Jarod´s ganzem Zeugs? Dass liegt ja noch immer im Zimmer rum."
"Das nehmen wir natürlich auch mit. Zumindest haben wir die Discs wieder."
Broots stand auf und ließ sie mit Sydney allein.
"Hier ist ihre Waffe". Er reichte ihr ihre 9 mm über den Tisch hinweg.
"Sie haben meine Waffe aufgehoben, Sydney. Was ist eigentlich aus diesen beiden durchgeknallten geworden?"
"Ach die,", begann Sydney, "Sam hat den bewaffneten niederschlagen können und danach waren die beiden keine Gefahr mehr. Was ist mit Jarod, geht es ihm auch gut?"
Sie hatte diese Frage erwartet, aber was sollte sie antworten?
"Ich denke schon, wenn er sich heute Nacht einfach so davon schleichen konnte.", meinte sie dann. Sydney musterte sie weiterhin scharf, es kam ihr vor als würde sein Blick sie durchbohren.
"Es muss schwierig für sie gewesen sein, mit Jarod da alleine zu sitzen. Für sie beide muss es schwierig gewesen sein. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass Jarod sie so einfach dort zurückgelassen hat, Parker.", meinte Sydney dann.
"Worauf wollen sie hinaus Syd?", fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
"Was ist dort oben auf dieser Hütte vorgefallen?", fragte er neugierig.
"Das geht sie nichts an Sydney.", sagte sie, wohl etwas zu laut, denn nun zog Sydney die Augenbrauen hoch.
"Also ist etwas vorgefallen.", stellte er fest.
"Es war nichts...", erwiderte Miss Parker in scharfem Ton, "nichts von Bedeutung!"
"Wenn sie das sagen.", meinte Sydney dann ruhig. "Ich hoffe nur, dass Jarod das genau so sieht."
Miss Parker wurde blass. Was, wenn Jarod Sydney etwas davon erzählte? Vielleicht hätte sie doch besser in der Hütte bleiben sollen, um die Umstände zu klären. Doch gleichsam war ihr klar, dass sie dies nie hätte durchstehen können. Jarod in die Augen zu sehen und dann zu sagen, dass das ganze ein Fehler war, nein das hätte sie nie geschafft. Ein Seufzen unterdrückend stand Miss Parker auf. "Kommen sie Sydney, wir fahren zurück ins Centre!"

Jarod erwachte, von den hellen Sonnenstrahlen geblendet. Er wollte sich aufrichten, doch der stechende Schmerz in seinem Kopf zwang ihn in sein Kissen zurück. Was war nur los mit ihm? Langsam fielen ihm die Geschehnisse der letzen Nacht wieder ein und er wandte seinen Kopf abrupt zur Seite. Sie lag nicht mehr neben ihm. So schnell, wie es sein brummender Schädel zuließ erhob er sich, zog sich an und verließ das Zimmer. Was hatte er erwartet? Das sie auf ihn wartend auf dem Sofa sitzen würde? Sie war weg. Miss Parker war immer noch Miss Parker. Sie kam mir ihren Gefühlen nicht zurrecht und war davongelaufen. Jarod ließ sich auf einen Stuhl sinken und schloss für einen kleinen Moment die Augen um in Erinnerungen an die vergangene Nacht zu schwelgen. Der Abend war so schön gewesen. So echt, doch wie ihm jetzt klar wurde auch so unwirklich.


Zurück im Centre, Miss Parkers Büro

"Ähm, Miss Parker, ...sie sollen in das Büro ihres Vaters kommen." Broots stand in der Tür und trat nervös von einem Bein auf das andere. Miss Parker zuckte kaum sichtbar zusammen. Das Büro ihres Vaters. Daddy war nicht ihr Vater und in seinem Büro wartete nun Raines auf sie. Er hatte den Platz von Mr. Parker eingenommen, von dem immer noch jede Spur fehlte. Was wollte er nur von ihr? Seit den Ereignissen in Schottland war sie ihm nicht mehr gegenübergestanden. Sie hatte versucht ihm so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Und jetzt bestellte er sie in sein Büro.
"Schon gut, Broots. Dann wollen wir mal sehen, was Raines auf dem Herzen liegt.? Widerwillig erhob sie sich aus ihrem Stuhl und machte sich, an Broots vorbei, auf den Weg.

Energisch stieß sie die breiten Flügeltüren zu Raines Büro auf. Er saß mit dem Rücken zu ihr in seinem Sessel. Ohne ein Wort zu sagen blieb sie vor seinem Schreibtisch stehen. Langsam wurde sie ungeduldig. "Was wollen sie?" stieß sie barsch hervor."
"Daddy!" Der Sessel hatte sich gedreht und Sie blickte nun in das Gesicht von Mr. Parker. "Engelchen. Komm in meine Arme" Er hatte sich erhoben und kam auf sie zu.
"Wo warst du" Ich dachte,...als du aus dem Flugzeug gesprungen bist, da..." Miss Parker befreite sich aus der Umarmung und sah ihn an.
"Ich bin hier, Engelchen. Nur das zählt!"
Dann setzte er eine strenge Miene auf "Ich habe gehört, Jarod ist dir wieder einmal entwischt."
"- Daddy, lass uns über was anderes reden." sagte sie mit bemüht ruhiger Stimme.
Miss Parker war im Moment überhaupt nicht in der Stimmung schon wieder über Jarod zu reden und schon gar nicht mit ihm. Das blieb ihr jedoch auch erspart, denn in diesem Augenblick wurde die Tür aufgestoßen und Mr. Raines und Lyle traten ein.
"Ah, schön,", begann Mr. Parker, "Nun da die ganze Familie anwesend ist...."
Miss Parker warf ihm einen anklagenden Blick zu. Womit habe ich das nur verdient? dachte sie. Auch noch die beiden.
"...Ich möchte euch alle heute Abend zum Essen einladen, dann können wir mal wieder in Ruhe miteinander reden.", vollendete Mr. Parker.
Raines und Lyle stimmten zu und was wäre Miss Parker da schon übrig geblieben, als auch ja zu sagen.
Der Abend war sehr langsam vorüber gegangen und Miss Parker hatte nichts wirklich wissenswertes in Erfahrung bringen könne. Sie war heilfroh, endlich wieder zu Hause zu sein. Erschöpft ließ sie sich auf das Sofa fallen und ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es schon nach Mitternacht war. Wieder einmal begannen ihre Gedanken zu kreisen. Doch dann holte sie das Telefon in die Wirklichkeit zurück. Sie tastete genervt nach dem Hörer.
"Was??" Wer zum Teufel rief um diese Uhrzeit noch an?
"Ach, sie sind auch mal wieder zu Hause."
"Jarod.", stellte sie fest.
"Wir müssen miteinander reden..." Doch sie unterbrach ihn.
"Jarod es gibt nichts, worüber wir reden müssten."
"Und was ist mit, mit der letzten Nacht?". fragte er teils mit einem Anflug von Ärger in der Stimme, teils traurig.
"Jarod, es war nichts gestern Nacht. Wir beide waren betrunken, das hatte absolut nichts zu bedeuten."
"Sie und ich wissen, dass das nicht wahr ist.", sagte er mit rauer Stimme.
Doch dann legte Miss Parker einfach auf. Sie war erschöpft und wollte nur noch schlafen um nicht über all das nachdenken zu müssen.
Doch es war schwierig gewesen, Jarod diese Dinge zu sagen. Natürlich hatte sie gelogen, so wie sie den ganzen Tag lang gelogen hatte.
Sie war den Fragen ausgewichen und hatte eine Mauer um sich gezogen. Auch beim Essen hatte sie eigentlich nur unbeteiligt am Tisch gesessen. Daddy war zurück und alles war wieder beim alten.
Miss Parker füllte sich ein Glas und nahm einen kräftigen Schluck von ihrem Scotch.
Sie wusste nicht was er, Lyle und Raines als nächstes planten und es war ich auch egal. Sie hatte ihre eigenen Probleme. Todmüde stellte sie ihr Glas auf dem Couchtisch ab und ließ sich in den Sessel sinken.


Centre, zwei Monate später.

"Ah, Guten Morgen Miss Parker! Wo haben sie nur so lange gesteckt? Es ist doch schon fast 12 Uhr!" Broots blickte sie fragend an.
"Ich war beschäftigt. Gibt´s was neues von Jarod?"
Sydney ging nachdenklich im Raum auf und ab.
"Nein, immer noch nicht. Aber ich habe mir eben noch mal einige Discs angesehen.
Wir können von Glück reden, dass das Centre sie wiederbekommen hat. Sie sind von erstaunlichem Wert."
"Jarod wäre von viel erstaunlicherem Wert, wenn es mir gelingen würde ihn aufzuspüren.
Seit zwei Monaten keine Spur von ihm." Murmelte Miss Parker vor sich hin. Mit leerem Blick starrte sie in die Gegend und ließ die beiden dann mit den Worten "Ich bin in meinem Büro" einfach stehen.
"Wissen Sie was in letzter Zeit mit ihr los ist?" Broots sah Sydney erstaunt an, doch der zuckte einfach nur mit den Schultern.









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