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Die meisten Figuren dieser Geschichte gehören nicht mir, wem auch immer,mir nicht! Die anderen, die mir gehören, gehören mir ganz allein! DieseGeschichte wurde geschrieben, weil ich gerne schreibe, nicht weil ich damit Geld verdienen will!



Die vergessene Akte
Teil 7
von Dara





Sam drehte die Scheibe zwischen ihren Fingern. Sie betrachtete sie nachdenklich. "Was für ein Spiel spielst du denn jetzt?” Sie grübelte kurz und ging dann zum Computer.

Vorsichtig legte sie die DSA ein und wartete eine Sekunde: "Dieses Teil ist total veraltet!” schimpfte sie laut. Sie stand vorm Monitor, in der Überwachungskamera war nur ihr Rücken zu sehen. Sie hackte sich in die Administratordateien des PCs ein und sperrte sämtliche Überwachungsmechanismen. Die Backupfunktionen und die Verbindungen zum Server des Centres schaltete sie ab, erst dann spielte sie die Disc ab, die Lyle ihr zugespielt hatte.

"I’ve got you under my skin...”, sang sie, während sie die Disc untersuchte. Sie lud die Informationen auf eine kleine Chipkarte und grinste. Dann löschte sie sämtliche Beweise und legte die DSA in den Lüftungsschacht, damit Angelo sie finden konnte.

***

"Was macht sie gerade?” Sydney bemerkte Miss Parker; sie starrte auf den Monitor. Sie tat das in der letzten Zeit öfter, sie schien Sam gerne zu beobachten oder sich gerne mit ihr zu unterhalten. Syd vermutete, daß sie und Sam Freundinnen hätten werden können, wenn sie nicht auf zwei verschiedenen Seiten des Centres stehen würden.

"Sie singt,” antwortete Miss Parker abwesend, "und tanzt! Wie kann sie nur so ruhig bleiben, bei dem, was morgen anstehen soll?” Sie sah Sydney fragend an. Der Doktor trat neben sie und blickte nachdenklich auf den Bildschirm.

***

Sam summte ein Lied und schunkelte, dann tanzte sie vom Schreibtisch weg zur Wand. Sie stolperte, konnte sich aber noch am Gitter für die Entlüftung festhalten. Ein kurzes Kichern und dann sang sie lauthals weiter und tanzte wild durchs Zimmer. "Don’t you know, little fool, you never can win! Use your mentality, wake up to reality…”

***

Sydney seufzte: "Ich weiß nicht, vielleicht empfindet sie das Centre wirklich als Zuhause, hier ist ihre Familie, hier ist sie aufgewachsen.” Er zuckte traurig mit den Schultern.

"Aber ich lasse es nicht zu, daß Raines sie in die Finger kriegt, eher schmuggele ich sie hier raus!” zischte Miss Parker leise.

"Was denn? Willst du etwa einer Laborratte zur Flucht verhelfen, hab ich mich eben verhört?” Die Stimme kam aus dem Dunkel. Sie war tief und warm – Jarod. Sydneys Atem ging schneller, doch er drehte sich nicht um.

"Was machst du hier? Das ist viel zu gefährlich!”

"Ich dachte, ich besuch dich mal bei der Arbeit!” meinte Jarod lapidar. Er zog die Augenbrauen nach oben und lächelte, denn er hatte die Besorgnis in Syds Stimme gehört und es tat ihm gut. Syd sorgte sich um ihn, und nicht, weil er ein gutes Studienobjekt war. Miss Parker hatte sich von ihrem Schreck gefangen. Als sie seine Stimme gehört hatte, hatte sie sich unwillkürlich versteift. Wieso hatte er bloß diese Wirkung auf sie? Gott, sie liebte seine Stimme. Wenn er sprach, war alles gut, sie war sicher und sie konnte ihm trauen. Sie haßte es, daß sie nicht dagegen ankam. Sie räusperte sich.

"Du holst sie raus und verschwindest von hier”, sagte sie bestimmend, "sie ist in deinem Zim… Wo ist sie?” Sie starrte ungläubig auf den Monitor. Sam war verschwunden. Eben noch hatte sie getanzt vom Bett zum Schrank, zum Schreibtisch, zum Bett und dann war sie in einem schwarzen Winkel der Kamera verschwunden und kam nicht wieder hervor.

"Jarod! Sie kommt aus dem Sublevel nicht raus, die Sicherheitsmaßnahmen sind verschärft worden!” Sie drehte sich zu Jarod um, doch der Platz war leer. "Wie macht er das?” fragte sie irritiert, doch dann eilte sie zum Fahrstuhl. Sie mußte zum SL 1, vielleicht konnte sie helfen.

***

Sie krabbelte den Lüftungsschacht entlang, dann sprang sie in ein kleines Zimmer.

"Ah, Angelo war fleißig!” Sie kicherte. Eine Perücke und Kleidung lagen in der Ecke. Schnell zog sie sich um. Sie öffnete die Tür und trat heraus. Sie straffte sich und ging schnurstracks zum Lift. Sie drückte den Knopf. Der Wächter vor ihrer Tür sprach in sein Walkie Talkie. Sie sah in seine Richtung. Er sah sie prüfend an; sie nickte ihm lächelnd zu. Die Tür glitt auf, sie trat hinein.

Der zweite Fahrstuhl öffnete sich. Miss Parker sprang heraus. Sie sah kurz auf die sich schließende Tür. Sam sah ihr genau in die Augen. Parker erkannte sie. Die beiden lächelten sich an. Der Wachmann im Hintergrund stürmte in Sams Zimmer. Parker warf einen letzten Blick zu Sam und rannte dann zum Wachmann. Die Tür schloß sich entgültig und fuhr los.

Sie kletterte durch die obere Luke auf das Dach des Fahrstuhls. Sie wartete eine Sekunde. Dann sprang sie an die Rettungsleiter. Sie kletterte ein Stück zurück. Sie kroch durch einen Lüftungsschacht. Zwei Meter geradeaus, dann eine Biegung nach links - ein Gitter - der Flur. Sie sprang in den dunklen Flur. Sie war auf Sublevel 4. Hier kannte sie sich aus, hier waren die Sicherheitsvorschriften recht lau, trotz der Veränderungen im Sicherheitssystem. Sie lief zu einer Tür. Sie hielt die Chipkarte in der Hand, zog sie durch das elektronische Schloß. Die Tür klickte und öffnete sich. "Du hast was gut bei mir!” flüsterte sie leise. Sie betrat den Raum, sie lief zum Ende des Raumes, eine andere Tür. Wieder die Karte. Die Tür ging auf. Ein weiterer dunkler Flur. Sie konnte nun den Alarm leise hören, der in SL 1 ausgelöst worden war. Sie fand die Röhre. Angelo wartete schon. Sie lächelte.

***

Jarod traf Angelo auf dem Weg zu SL 1. "Warte draußen!” hatte der ihm zugeflüstert. Jarod änderte seinen Plan, er lief zu seinem geheimen Ausgang. Gerade als er das Röhrensystem verlassen hatte, ging der Alarm los. Er sah auf die Uhr: "Ich hoffe, du hattest Recht ,Angelo!” flüsterte er. Jarod lief zu seinem Wagen und versteckte sich. Er war bereit, sofort loszufahren.

***

"Hier lang!” Angelo krabbelte vor ihr her. Er kannte die Wege einfach besser. Ihre Orientierung war nach 10 Jahren doch etwas eingerostet. Sie rutschte eine Röhre hinunter. Angelo wartete ungeduldig und wies in eine Richtung: " 2mal geradeaus, links, geradeaus, rechts, rechts, hoch und raus. Jarod wartet!” Er krabbelte in eine andere Richtung. Sie sah ihm kurz hinterher.

"Angelo, paß auf dich auf!” Er lächelte und winkte, dann verschwand er hinter einer Biegung. Sam holte tief Luft, den letzten Weg mußte sie alleine gehen. Sie krabbelte in die Richtung. Die nächsten Kreuzungen geradeaus, dann eine Abzweigung nach links, wieder geradeaus für 10 Meter, dann nach rechts und noch mal nach rechts. "Gott, ich hoffe, ich bin richtig", betete sie. Das Rohr vor ihr hatte eine Abzweigung nach oben. Sie stand auf und stieß das Gitter raus. Eine Hand streckte sich ihr entgegen. Nach kurzem Zögern ergriff sie sie. Sie wurde nach oben gezogen. Sie sah in seine Augen: "Jarod, verdammt, du hättest im Wagen warten sollen!” fluchte sie erleichtert. Gemeinsam liefen sie zum Wagen und fuhren davon.

***

"So langsam gehen mir diese Laborratten auf die Nerven!” donnerte Miss Parker wütend. Sie stand neben Sydney und Broots auf dem Gang. Die Sweeper auf dem Flur versuchten krampfhaft, ihren Wutausbruch zu ignorieren. Sydney mußte sich zusammenreißen, um nicht loszulachen. Zwischen ihren lauten, wütenden Bemerkungen flüsterte sie nämlich ganz andere Sachen: "Dieser Idiot hat ihr sogar noch schöne Augen gemacht und sie nicht erkannt!” Raines und ein Trupp seiner privaten Sweeper waren am Ende des Ganges zusehen. Miss Parker war wieder lauter geworden: "Wenn die denken, daß ich jetzt auch noch dieses Weib jage, haben die sich aber geschnitten. Ich sehe nicht ein, für die Unfähigkeit anderer meine Arbeit zu versauen!” Broots zitterte stärker, je näher Raines kam. Er trat nervös von einem Fuß auf den anderen. "Broots, was stehen Sie hier so dumm rum, Sie sollen doch nach Jarod suchen”, fauchte Miss Parker ihn an. Dankbar strauchelte er in Miss Parkers Büro, weg von Raines. Hinter der Tür holte er tief Luft.

"Wie ich sehe,” Raines sog seinen Sauerstoff tief ein, "haben Sie schon davon gehört!” Er stierte zu Miss Parker, die kalt lächelte. Er wandte den Blick schnell ab und konzentrierte sich auf Sydney: "Wie es scheint, ist schon wieder einer ihrer Schützlinge geflohen, Dr. Greene!” Raines röchelte hinterhältig. Falls Sydney nervös war, so lies er es sich nicht anmerken.

"Sie ist erst geflohen, als Sie eine Untersuchung durchführen wollten, obwohl sie ausdrücklich gesagt hat, sie arbeitet nicht mit Ihnen zusammen, Mr. Raines!” Das Lächeln auf Raines Gesicht zerbröckelte leicht. "Ich mußte ihr den Plan ja gestern vorlegen, was für Simulationen geplant waren." Sydney zuckte unschuldig mit den Schultern. Miss Parker grinste: auch Sydney konnte gute Schuldzuweisungen fabrizieren, so was lernte man im Centre mit der Zeit.

Sie sah kalt zu Raines herunter: "So was, Frankenstein? Hätten Sie sich nicht eingemischt, wäre wahrscheinlich alles in Ordnung gewesen!” In Raines arbeitete es.

"Woher wußten Sie überhaupt, daß ich eine Untersuchung veranlaßt habe?”

"Ich befürchte, daß ist mir so rausgerutscht!” Lyles Stimme kam aus dem Hintergrund. Parker war erstaunt, er half ihr? Warum? "Ich konnte einfach nicht widerstehen, es meiner Schwester unter die Nase zureiben. Mea Culpa!” Er zuckte kalt mit den Schultern und ging weiter, wo immer er auch hinging. Selbst Raines sah verdutzt hinter ihm her. Sydney war der erste, der sich fing.

"Entschuldigen Sie uns bitte, wir müssen noch arbeiten. Immerhin müssen wir ja auch noch nach Jarod suchen, nicht wahr.” Miss Parker nickte kalt und ging mit Sydney in ihr Büro. Raines stand wie angenagelt da. Er haßte es, wenn er die Kontrolle verlor.

***

Lyle setzte sich in seinen Ledersessel und grinste schelmisch. Chaos, überall herrschte Chaos, und er konnte es zu seinen Gunsten nutzen. Er liebte Sam dafür. Sie war die Chaosqueen. Er lächelte zufrieden. Er hatte immer geahnt, daß sie am Leben war. Aber nun wußte er es. Er schloß kurz die Augen und blickte zurück in eine Zeit, als er noch Bobby hieß.

*

"Bobby, komm her.” Sam winkte ihn von der Ecke zu sich. Er schlich an der Kamera vorbei. Sie zog ihn in den Schatten. "Wollen wir ein bißchen Unruhe verbreiten?” Sie kicherte. Er blickte auf ihre Hand, die sich um seinen Arm geschlossen hatte. Er konnte den Duft ihrer Haare riechen. Er nickte wortlos und grinste. "Okay, was kann Rainilein, das Stachelschwein, auf den Tod nicht ausstehen?” Sie kicherte immer noch, dann zog sie sein Ohr ungeduldig zu ihrem Mund. "Ich sag nur ein Wort: Kontrolle!” hauchte sie ihm verschwörerisch ins Ohr. Sie blickte ihn ernst an. Natürlich, sie erwartete, daß er sie verstand, aber er war nicht so wie sie, nicht so schnell. Sie lächelte: "Ach Bobby, was sagt er immer zu dir? Kontrolle ist Macht! Und Raines denkt – sie betonte das Verb sehr stark – er ist mächtig. Also denkt er, er hat die Kontrolle!” Sie war immer so geduldig. Er verstand das nicht: Raines haßte es, wenn er etwas nicht richtig machte. "Bobby, wir müssen ihn ein bißchen ärgern, ich kann Raines nicht leiden!” Sie sah ihn großäugig an.

Er lächelte: "Dann ärgern wir ihn eben.” Wenn er mit Samantha Streiche spielte, hatte er keine Angst, dann war er stark, stärker als Raines. Dann verschwand die Stimme in seinem Kopf. Raines Stimme.

"Okay, komm, ich zeig dir, wo es ist!” Sie schlichen sich an einem Sweeper vorbei und schlüpften in einen großen Raum: "Der hier ist vernetzt mit allen anderen Computern vom diesem Gebäude!” Jetzt verstand er auch, was sie wollte.

"Du manipulierst seine Daten!” flüsterte er.

Sie grinste ihn schelmisch an: "Mum hat immer gesagt: mach ihnen das Leben so schwer wie möglich.” Sie versuchte mit den Ohren zu wackeln, doch sie schaffte es nicht. Er lachte, die einzige Sache, die er wirklich besser konnte als sie. Er wackelte mit den Ohren, Sam prustete: "Hör auf, sonst muß ich so laut lachen, daß sie uns erwischen!” Sie knuffte ihn. Sie setzte sich an den Computer und tippte etwas ein.

"Was genau machst du da jetzt?” fragte er sie.

"Ich programmiere ein kleines Suchprogramm, das mir jede Datei öffnet, egal welches Sicherheitslevel sie hat. Dann suche ich nach Raines' Daten und ändere die Versuchsreihen. Er wird selbst seine Erfolge nie wieder wiederholen können!” Sie kicherte. Nachdenklich schaute Bobby sie an. Wenn sie das mit einem Computer konnte, dann war das sehr gefährlich. Er lächelte. Dann konnte er Raines besiegen und sich an ihm rächen. Er mußte nur lernen, wie man Informationen manipulierte.

Er beugte sich zu Sam: "Zeigst du mir, wie du das machst?”

Ihre Augen huschten über den Bildschirm, leise flüsterte sie abwesend: "Klar, wenn du immer artig bist!” Er sah ihr Grinsen, obwohl sie ihn immer noch nicht ansah.

*

"Lyle!”

Der scharfe Ton lies ihn aus seinen Tagträumen aufschrecken.

"Was?”

Er war müde, er wollte zurück zu seinen Träumen.

"Du wirst dich aus Jarods Verfolgung raushalten und dich um Sam kümmern! Du kennst sie noch am ehesten!” Sein Vater starrte ihn kalt an, Lyle blickte ungerührt zurück. Dieser Mann war ihm absolut egal, die Verwandtschaft verschaffte ihm nur ein paar Vorteile.

"Ich dachte, ich solle mich von ihr fernhalten?” War das etwa Ironie, Bobby? Er konnte Sams Lachen hören. Er war sich nicht bewußt, daß er lächelte.

"Was gibt es da zu lachen, ein potentieller Pretender ist uns entkommen. Das ist ein erheblicher Verlust!” donnerte sein Vater. Lyles Lächeln verschwand nicht. Sein Vater verlor die Fassung, er hatte Kontrolle.

"Ich werde mich natürlich sofort auf die Suche nach ihr machen, allerdings werde ich das wohl nicht alleine schaffen.”

"Ich werde Brigitte zu dir schicken!”

"Ich glaube nicht, daß das eine gute Idee ist: Brigitte ist hochschwanger, schadet das nicht dem Kind?”

"Es ist ihre Aufgabe, und du brauchst dir keine Sorgen um das Baby zu machen!” Es war offensichtlich, daß sein Vater keinen Gedanken an das gesundheitliche Wohl seiner hochschwangeren Frau verschwendete. 'Kalter Bastard!', dachte Lyle zynisch.

"Na ja, außerdem haßt Sam Brigitte!”

Sein Vater sah ihn testend an: "Ich wußte gar nicht, daß sie sie kennt!”

"Sie haben sich ein, zwei Mal getroffen!” Lyle wich dem Thema aus.

Als er mit 20 offizieller Angestellter des Centres wurde und zurückkehrte zu dem Haus seiner kurzen Kindheit, hatte er Brigitte getroffen. Sie war eine Schlampe und sah das Potential in Lyle, später mal aufzusteigen, also hing sie sich ihm an den Hals. Es war nicht unangenehm, sie war genauso seelenlos wie er. Sie waren ein tödliches Paar. Dann hatte er Sam wiedergesehen, nur von weitem. Er hatte sie beobachtet aus der Ferne. Und er erkannte, daß er sie haben wollte. Sie war für ihn bestimmt, sie war seine Freundin. Brigitte wurde lästig. Das erste Treffen zwischen den beiden war eigenartig. Sie kam nicht näher, sie berührte ihn nicht mehr, sie waren sich nicht mehr so nahe wie damals als Kinder. Es verletzte ihn, und er wollte sie verletzten, also stellte er ihr Brigitte vor. Brigitte, die kalte Blonde mit ihrem Lutscher im Mund. Sam betrachtete sie von oben bis unten, dann sagte sie abfällig: "Nett, dich kennenzulernen, Bridshit!” Sie sprach den Namen immer falsch aus, wenn sie wußte, daß die Leute darauf anspringen und Brigitte war sehr stolz auf ihren Namen. Lyle sah befriedigt, daß Sam Brigitte nicht leiden konnte. Aber ihre Beziehung erwärmte sich nicht, er hatte sie verloren, er war Lyle. Nach über einem Jahr wurden er und Brigitte zu einer anderen Niederlassung des Centres geschickt, dort hatte er seine Karriere stark vorangetrieben. Je mächtiger er war, desto eher konnte er wieder zurück nach Blue Cove, zurück zu Sam.

"Könntest du mir vielleicht mal zuhören!” Sein verdammter Alter war ja immer noch da.

"Ich dachte, du warst fertig!” sagte Lyle müde, er hatte heute keine Lust mehr auf Machtspielchen. Die Tür wurde aufgerissen. Seine Schwester, die hatte ihm gerade noch gefehlt. Er seufzte und verdrehte die Augen.

"Engelchen! Was machst du hier?”

Diese Stimme! Lyle bemerkte wie der kalte Ton abgewandelt wurde. Nicht, daß es besser wurde, nein, es wurde falsch. Er wußte, daß seine Schwester diese Falschheit durchschaute, warum spielte sie bloß immer wieder mit? Er betrachtete unauffällig seine Schwester. Zuerst war er an ihr interessiert gewesen: gutaussehend, klug, erfolgreich, in gewissen Maße mächtig – Tochter des Chairman. Dann war diese Möglichkeit gestorben, Zwillingsschwester, wer hätte das gedacht. Aber sie haßte ihn, sie mißtraute ihm. Kein Wunder, er würde sich selbst auch nicht trauen. Lyle grinste bei diesem Gedanken. Schade, er hatte immer eine Schwester haben wollen. Er war so eifersüchtig auf die anderen gewesen. Sie alle hatten echte Eltern, sie feierten Geburtstag, sie hatten Geschwister… soviel Liebe, und er bekam nur Schläge. Eigentlich war nur Sam besorgt um ihn gewesen.

"Hör auf, mich so anzustarren!” fauchte Miss Parker. Lyle nahm es ihr nicht übel, er war ein Ekel. Sein Weg die Kontrolle über andere zu erringen.

"Darling, du hast mir nicht geantwortet!” Dieser alte Schleim... Lyle riß sich zusammen.

Miss Parker zwang sich ein Lächeln auf - genauso falsch, stellte Lyle amüsiert fest - : "Ich wollte mich mit Lyle absprechen. Wegen Jarod! Aber ich kann auch später wiederkommen!” Sie wandte sich zum Gehen.

Kontrolle, er konnte einfach nicht widerstehen: "Nein, du kannst bleiben, er war sowieso gerade fertig. Ich habe eine neue Aufgabe bekommen!” Er deutete auf die Akte in seines Vaters Hand. Eigentlich hatte er ihn mit diesen Worten rausgeschmissen. Wer hatte die Kontrolle? Er hielt den Atem an.

Sein Vater sah zu ihm und zu Miss Parker, legte die Akte auf den Tisch: "Er hat recht, Engelchen, ich muß mich noch mit dem Triumvirat unterhalten!” Er stürmte aus dem Raum. Lyle atmete aus.

"Also, Schwesterherz, was wolltest du mit mir besprechen?”

Sie sah ihn prüfend an, sie verzog ihren Mund einwenig, schließlich preßte sie zwischen ihren Lippen hervor: "Danke!” Hatte er das eben richtig verstanden?

"Wofür?”

"Für die Hilfe bei Raines! Ich weiß zwar nicht, was du von Sam willst, aber ich warne dich, wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst!” Sie hatte sich auf den Tisch gelehnt und sah ihm direkt in die Augen.

"Samantha!” Er liebte diesen Namen, "ich hatte nicht im geringsten vor, ihre Haare zu krümmen, ich mag ihre Frisur, wie sie ist.” Er nahm ein Foto in die Hand. Ein altes Foto, er und Sam als Teenager, lächelnd. In guten Zeiten. Er zeigte es seiner Schwester. "Weißt du, Parker! Ich mochte den Namen Bobby!” sagte er, drehte sich zum Fenster und schloß die Augen. Miss Parker starrte sekundenlang auf die Lehne.

***

"Aahh!” Sam streckte sich. "Soviel Adrenalin zum Abbauen und keine Bewegungsmöglichkeit!” Sie saß unruhig auf dem Beifahrersitz.

"Willst du lieber nebenherlaufen?” fragte Jarod trocken.

"Haha! Witzig!” Sam streckte ihm die Zunge aus.

"Ich hab das gesehen!”

"Wäre bedenklich, wenn nicht!” Beide lachten befreit, die Anspannung wich. Sie waren weit genug von Blue Cove entfernt, niemand folgte ihnen. Sam hatte schon mit den Kindern gesprochen und in 24 Stunden würden sie in Kanada sein. "Ist das ein unregistriertes Handy?” Sam betrachtete das Telefon.

"Ja, das ist besser, dann kann das Centre es nicht orten!”

"Darf ich es benutzen?”

"Wen willst du anrufen?”

"Jemanden, der etwas bei mir gut hat!” Sie tippte eine Nummer ein. "Hallo Bobby, schöne Grüße aus dem sonnigen Kalifornien!” Jarod verlor fast die Kontrolle über den Wagen, er sah Sam entgeistert an. Sie lauschte und lachte dann auf: "Also wirklich, ich dachte aus dem Alter sind wir raus!” Sie grinste. "Also, der nächste Fruchtdrink geht auf dich!” Sie legte auf. Jarod wartete eine Weile. Sam legte ihre Beine aufs Armaturenbrett. "Na los, frag schon!”

"Warum Lyle?”

"Er hat mir geholfen.”

"Geholfen?”

"Er hat mir die Codes besorgt, für die Türen und für den Fahrstuhl.” Sie sah ihn leicht amüsiert an.

"Hört sich nicht nach Lyle an.”

"Nein, nicht Lyle, hört sich mehr nach Bobby an!” Sie lächelte und rieb sich freudig die Hände.

"Er hat Kyle getötet.”

"Das war definitiv nicht Bobby, sondern Lyle!” korrigierte sie ihn.

"Ich sehe den Unterschied nicht.”

"Da ist ein großer Unterschied: Bobby ist ein Freund, Lyle ist ein Mörder. Bobby haßt das Centre, Lyle arbeitet für das Centre. Lyle ist psychopatisch, Bobby ist …nur unglücklich.” Sam starrte auf die Strasse. "Vielleicht habe ich mich geirrt: Bobby ist nicht tot, er ist nur ziemlich verschüttet. Raines hat gute Arbeit geleistet.”

"Was genau hat er mit Lyle gemacht?”

"Das gleiche, was er mit Kyle gemacht hat, nur daß Kyle – nun er war stärker als Bobby, und er hatte ausgeprägte Pretenderfähigkeiten, Bobby hatte kaum welche. Bobby wurde weggeschickt, weil er nicht gut genug war. Sie haben ihm gezeigt, was normale Kinder haben sollten: liebende Familien, Freiheit, Freunde… Er war nicht gut genug, um ein Pretender zu sein und nicht normal genug, um … Sie haben ihn mit Absicht in bestimmte Häuser geschickt, es war ein Projekt, Verhaltensforschung. Und das hat ihm den Rest gegeben. Er war gebrochen und dann kam Lyle.” Sam setzte sich wieder aufrecht hin. Jarod sagte nichts, er dachte an seinen Bruder, wieviel Wut und Hass anerzogen worden war. Doch Kyle konnte sich aus Raines Einfluß entziehen, er hatte die Chance wahrgenommen. Er bezweifelte, daß Lyle das auch konnte.

"Ich traue ihm nicht!” sagte er laut.

"Bist du verrückt, das wäre dein Todesurteil!” Sam knuffte ihn in die Seite und schüttelte den Kopf. "Du kannst ihm nicht trauen. Noch nicht.” flüsterte sie. Sie versuchte zu schlafen.









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