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also, wie immer, mir gehören die wichtigen Nebenrollen, alles andere sind nicht meine Schöpfungen, die Idee von Pretender leider auch nicht.
Dank an meine Betafee (ich wollte gern die Kommentare drinlassen, weil sie so schön witzig sind, hat sie mir aber doch energisch untersagt)

Nic: sie arbeitet soviel und hat dennoch Zeit, das großartige Pretenderarchiv zu verwalten! RESPEKT!!!!!





Die vergessene Akte
Teil 20
von Dara





"Es kann einfach nicht wahr sein!" Seine Stimme donnerte durch das ganze Haus. Parker hatte ihn noch nie so wütend und haßerfüllt gesehen. Vielleicht doch... einmal, so voller Fassungslosigkeit, Hilflosigkeit, ohne Antworten... einmal, bei Kyles Tod. Familie. Parker saß noch immer auf dem Fußboden, sie lehnte sich an das Schränkchen und umschlang ihre Beine. Auch für sie war Sydney wie ein Vater gewesen. Verloren, für immer verloren.

"Das ist unmöglich, es kann einfach nicht sein." Jarod lief im Kreis. Nachdem er den ersten Schrecken überwunden hatte, hatte er begonnen, die Geschehnisse der letzten Tage nachzuvollziehen. Manchmal ist die Fähigkeit des Pretenders eine Foltermethode.

"Das Centre hat ...", versuchte Parker schwach einzuwerfen.

"NEIN! Das Centre kann es nicht gewesen sein, sie wußten doch gar nicht, das Sydney dort war! Sie konnten so schnell doch gar nicht..." Seine Stimme brach.

"Im Centre ist nichts unmöglich", flüsterte Parker leise.

Jarod sank kraftlos auf die Couch. Er bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Parker sah, wie sein Körper sich schüttelte, sie hörte ein krächzendes Geräusch. Zuerst konnte sie es nicht zuordnen, doch dann realisierte sie es: er weinte. Zaghaft stand sie auf und ging mit weichen Beinen zu ihm. Sie setzte sich neben ihn. Ihre Hand zögerte für zwei Sekunden, schwebte in der Luft. Als sie schließlich doch auf seiner Schulter lag, schien die Berührung nur wie ein Hauch zu sein, bereit, sich jederzeit wieder zurückzuziehen.

"Was ist denn hier los?" Sam und Bobby kamen durch den Lärm alarmiert die Treppe herunter.

"Sydney, er ist tot!"

"Wer behauptet das?" Sam faßte die Nachricht eher ruhig auf, aber sie kannte Sydney ja auch noch nicht so lange.

"Ich habe einen Anruf von meinem... von Parker senior bekommen. Sein Haus ist in die Luft geflogen, sie sagen, es war ein ... Gasleck." Parker bewegte die Lippen, aber ihre Stimme verließ sie.

Sam hob nur die Augenbrauen und nickte kurz.

"Du hättest ihn nicht zu Hause absetzten dürfen. Hier wäre er sicherer gewesen!" Sie wußte nicht, warum sie es gesagt hatte, sie wußte nicht, woher diese Kälte kam. Parker hatte es überhaupt nicht sagen wollen. Aber jetzt, wo es im Raum stand: es war wahr, Sydney hätte noch am Leben sein können.

Sam bewegte sich nicht; für eine Sekunde lief ein kühles Lächeln um ihren Mund, doch das ging schnell vorbei. Dann verwandelte sich ihr Gesicht in eine Maske.

"Heißt das, ich habe ihn deiner Meinung nach getötet?!"

Jarod sah nach oben, er sah müde aus und alt: "Es war die richtige Entscheidung. Ich glaube einfach nicht, daß es Mord war. Das Centre ist schnell, aber nicht so schnell."

"Willst du damit sagen, daß es eine Gasexplosion gegeben hat? Einfach so? Ohne Vorwarnung?" begehrte Parker auf.

"Gasexplosionen haben oft keine Vorwarnung, sonst könnte man sie ja verhindern!" meinte Sam trocken. Sie drehte sich um und ging wortlos in die Küche.

Bobby trat einen Schritt vor: "Wo willst du hin?"

"Ich brauch einen Kaffee!"

"Ich dachte, du trinkst keinen Kaffee?"

"Ich dachte, ich hätte alles im Griff!" Sie drehte sich nicht um, während sie das sagte.

"Es tut mir leid, ich wollte nicht...!" Parker seufzte.

"Was machen wir jetzt?" fragte Bobby nach einer Weile in die Stille, die drohend im Raum hing.

"Wir gehen weiter nach Plan vor. Sam und ich gehen nach Virginia. Ihr arbeitet wie gehabt im Centre." Jarod straffte sich: " Wir müssen endlich vorankommen, sonst fehlt uns irgendwann die Kraft."

***

Ihre Schritte hallten in den Fluren des Bürogebäudes. Ihre Pumps erzeugten das allseits bekannte Klackklack, seine Schritte gingen dagegen fast unter. Sie gingen schweigsam nebeneinander her. Obwohl sie nichts sagten, spürten doch beide die Wut des anderen. Vielleicht war Sydneys Tod nicht vom Centre angeordnet, vielleicht nicht durchgeführt worden. Aber dennoch waren heute nacht zwei Todfeinde des Triumvirats und des Centres geboren worden. Waren sie früher schon dem Centre nicht wohl gesonnen gewesen, so waren sie jetzt eine Bedrohung. Eine leise Bedrohung, unsichtbar für die Blinden des Systems, doch gerade diese unheimliche Ruhe, die von ihnen ausging, hätte die Verantwortlichen warnen können.

Tat sie aber nicht.

"Engelchen, es tut mir leid wegen Dr. Green." Mister Parker eilte mit einem seiner üblichen falschen Lächeln auf seine Tochter zu. Sein Sohn war Luft, der brauchte dieses Schauspiel nicht, seine Tochter jedoch mußte bei Laune gehalten werden.

"Daddy!" Sie preßte es zwischen ihre Zähne, unwillig, voller Haß.

"Ich weiß, wie du an ihm gehangen hast." Er verstand es falsch, diese totale Kontrolle in ihrer Mimik. "Ein großer Verlust für das ganze Team!"

"Kann ich den Bericht der Polizei einsehen?"

"Natürlich, Engelchen. So wie es aussieht, hat er sich etwas in der Mikrowelle zubereitet, anscheinend hat er das Gas nicht gerochen. Die Explosion hatte ihren Ursprung jedenfalls in der Küche."

"Ich will seine Leiche sehen!"

Mister Parker verzog leicht das Gesicht: "Es gibt keine Leiche. Die Hitze war so groß, das alles, was in der Nähe der Küche war, restlos verbrannt ist. Ich hab hier den Feuerwehrreport." Er hielt eine braune Akte hoch.

Parker riß sie ungeduldig an sich und überflog die Berichte. "Es war also wirklich ein Unfall?" murmelte sie.

"Natürlich Engelchen, was dachtest du denn?"

Sie sah ihrem Vater prüfend in die Augen und nickte. Dann drehte sie sich auf ihrem Absatz um und marschierte in ihr Büro.

"Sie ist etwas... ungehalten, nicht wahr?" Bobby lächelte zynisch seinen alten Herrn an.

Mister Parker löste seinen Blick von der zuschwingenden Tür und richtet ihn stattdessen auf seinen Sohn. "Dr. Green hatte ihr Vertrauen. Ach ja, bevor ich es vergesse, Brigitte wird für die nächsten zwei Wochen Urlaub machen, du übernimmst ihre Aufträge."

"So spät vor der Geburt noch Urlaub? Schadet das nicht dem Kind?"

Mister Parkers Lippen verschwanden vollständig: "Der Arzt hat es genehmigt!"

Bobby grinste: "Ist ja gut, soviel hat sie in der letzten Zeit ja auch nicht gemacht!" Dann ging auch er und ließ seinen Vater allein auf dem Flur zurück.

***

"Okay, hier ist er. Papiere und Tickets liegen im Handschuhfach. Ihr werdet dann erwartet." Sam zog vorsichtig den Arm hinter Angelos Rücken hervor. Er war noch immer sehr schwach und schlief viel.

Sie küßte Angelo auf die Stirn: "Wenn alles gut läuft, ist es in zwei Monaten ausgestanden! Paß gut auf ihn auf!" Sie schlug die Autotür zu.

Als der Wagen langsam anfuhr, stellte sie sich mit verschränkten Armen hin und sah ihm nach. "Bis bald!"

***

Ein letzter tiefer Atemzug und eine letzte Träne für den Mentor, dann mußte er sich konzentrieren. Seine Trauer um den Verlust durfte nicht den Erfolg der Simulation gefährden. Jarod blickte aus dem Fenster und sah doch nichts. Immer wieder kehrten seine Erinnerungen an Sydney zurück.

"Hallo Jarod, mein Name ist Sydney, ich werde mich in der nächsten Zeit ein wenig um dich kümmern..." Er schluckte hart. Es war unfair. Er konnte diesmal noch nicht einmal dem Centre die Schuld für Sydneys Tod geben. Einen Schuldigen zu haben, erleichterte die Bewältigung des Verlustes enorm. Aber gegen wen oder was sollte er jetzt Wut und Haß empfinden?

"Wir sollten fahren!" Er hatte Sam gar nicht kommen hören. Sie schien plötzlich in der Mitte des Raumes materialisiert zu sein. Er sah sie nachdenklich an.

"Was?" Sie reagierte gereizt auf diesen Blick.

"Es ist wirklich nicht deine Schuld, Parker war nur voller Schmerz, sie meinte es nicht so."

Ein Lächeln schlich sich auf Sams Gesicht, nur ein kleines, das die Augen nicht erreichte: "Wahrscheinlich. Wir müssen los!" Ihre Stimme war sanft.

Jarod nickte. Er ging an Sam vorbei und holte seine Sachen. Schweigend setzten sie sich in den Wagen und fuhren davon.

***

"Angelo müde!" Sein Beifahrer bewegte sich leicht im Sitz und sah ihn mit großen Augen an.

"Du hast über 4 Stunden geschlafen, du kannst doch gar nicht mehr müde sein!" Er lächelte traurig, "Wir sind bald beim Flughafen, von dem Samantha sprach."

"Fliegen über den Wolken?" Angelo blickte neugierig aus dem Fenster. Die vorbeifließende Landschaft faszinierte ihn.

Er antwortete nicht, Angelo schien mit seinen Gedanken genauso weit entfernt zu sein wie er selbst. Er seufzte und konzentrierte sich wieder auf die Straße.

***

"Miss Parker, ich hab..." Broots rannte so schnell er konnte zu seiner Vorgesetzten. Sie saß wie üblich in ihrem Ledersessel. Sie starrte auf den leeren Schreibtisch vor ihr.

"Broots, hallo!" Parker lächelte müde.

Der Techniker nickte nervös und sah sich über die Schulter: "Ich hab die Kameraaufzeichnungen gesehen, man kann Sam und einen anderen sehen, aber nur sehr unscharf. Es gibt keine Aufzeichnungen von vorn, niemand weiß, wer der andere war!" Er grinste und sah sich neugierig um, "Gute Nachrichten, wo ist Sydney?"

Sie richtete ihren Blick entsetzt auf Broots: "Hat es Ihnen denn etwa noch niemand gesagt?"

"Was gesagt? Ich bin gleich zum Mainframe gegangen heute morgen."

Sie seufzte leise und schloß die Augen, krampfhaft hielt sie ein paar Tränen zurück. Nach einer nicht enden wollenden Minute konnte sie ihre Kraft zusammenreißen und sagte leise: "Sydney ist tot, Broots. Es war.... es war eine Gasexplosion!" Sie schob dem erstarrten Techniker die Akte zu, die ihr ihr Vater gegeben hatte.

"Das, das ist unmöglich! Das kann nicht sein!" stotterte Broots schließlich, "oh mein Gott, wie... wieso, wer?" Er sah sich total verängstigt um.

Parker schüttelte den Kopf und holte tief Luft: "Nein, leider nein. Es war diesmal tatsächlich ein Unfall!" Sie biß sich auf die Unterlippe. "Ein verdammter, unnötiger Unfall!" schrie sie plötzlich und haute wütend auf den Tisch. Broots sprang fahrig auf und sah sie entsetzt an.
"Entschuldigen Sie, Broots, ich würde jetzt gern eine Minute allein sein!" Parker drehte ihm ihren Rücken zu und starrte auf die Wand.

Broots sah sich die Akte in seiner Hand an. Es war nicht angenehm, seine Chefin in diesem Zustand zu sehen. Er hatte Respekt vor ihr, wenn sie stark und kalt war wie eine Parker. Aber den jetzigen Anblick konnte er nur schwer ertragen. Er verließ das Büro fluchtartig.

Erst im Technikerraum, seiner eigentlichen Arbeitsstätte, hielt er an. Er war außer Atem und so langsam sickerte die Nachricht von Sydneys Tod in seine Gedanken. Das konnte einfach nicht stimmen! Broots schüttelte entschlossen den Kopf. Solche Zufälle gab es einfach nicht. Er schlug die Akte auf, die er noch immer in seiner Hand hielt.

***

"Warte!" Sam bremste den Wagen und hielt an. Sie sah Jarod fragend an.

"Sobald ich alles vorbereitet habe, komme ich nach."

"Das weiß ich bereits, was also wolltest du in Wirklichkeit sagen?" Sie grinste leicht und sah ihn erwartungsvoll an.

Jarod seufzte: "Ich weiß einfach nicht, ob ich vollständig bei der Sache sein kann. Sydney..."

Sie verdreht leicht die Augen. Sie zappelte ungeduldig: "Meine Güte, krieg dich wieder ein, so eine kleine Gasexplosion ist doch kein Weltuntergang!" Preßte sie gereizt zwischen den Zähnen hervor.

"Wie bitte?" Jarod sah noch einmal zurück, er konnte nicht glauben, was er eben verstanden hatte.

"Ich sagte, dann mach ich das eben im Alleingang!" Sam lächelte ihn an.

Jarod runzelte nachdenklich die Stirn. Er hatte beim ersten Mal etwas anderes verstanden, aber er hatte auch nicht richtig zugehört. Samantha würde nie so kalt von Sydney sprechen. Auch wenn sie ihn noch nicht so lange kannte, so schien sie doch ein gutes Verhältnis zu seinem Mentor aufgebaut zu haben.

***

"Ich wußte es, ich hab's gewußt!" Broots grinste selbstgefällig und schlug mit der flachen Hand auf den Polizeibericht. Dann kratzte er sich nachdenklich am Kopf.

***

Die Sonne schien, wie sie so über die weiten Wälder flogen. Er wußte nicht, ob sie schon auf der kanadischen Seite waren. Der Blick hinaus war jedenfalls wunderschön und friedlich.

Angelo starrte ebenfalls hinaus. Er hatte sich den Fensterplatz ausgesucht und drückte neugierig die Nase an die kalte Scheibe. Er mochte das Fliegen. Und er konnte es gar nicht mehr erwarten, die Kinder zu sehen. Sam mochte Kinder. Kinder waren lustig, fröhlich, glücklich. Sam war glücklich. Sam hatte gesagt, er flöge jetzt nach Hause, nach Hause.

>Muß Freunde allein lassen.< Dieser Gedanke stimmte Angelo traurig. In gewisser Weise vermißte er die dunklen, grauen Korridore, die sein ganzes Leben bestimmt hatten. Er vermißte seine Verstecke. Aber er würde die Kinder sehen. Ein Lächeln zog über sein Gesicht.

"Was ist so lustig, Angelo?" fragte die warme Stimme neben ihm.

"Kinder spielen!" Er blickte seinen Begleiter mit leuchtenden Augen an. Da war etwas Dunkles in dessen Gefühlen. "Angst? Sorgen?"

"Ja, ich mache mir Sorgen. Ich hoffe, sie schaffen es allein!" Angelos Gegenüber seufzte und blickte starr geradeaus.

"Sam und Jarod gut, alles bald vorbei!" Angelo lächelte ihm nochmals aufmunternd zu und blickte dann wieder hinaus auf die Wolken unter ihm.

***

"Was will sie bloß von uns?"

"Keine Ahnung, ich versteh nur Bahnhof. Was meint sie damit, wir sollen schon mal unsere Hausaufgaben bereithalten?"

"Vielleicht kommt sie noch einmal kurz nach Hause?"

"Quatsch, sie fährt gleich weiter nach Mount Weather. Ich kapier das nicht!"

Die drei Teenager saßen um den PC herum und starrten ratlos auf den Monitor. Jack kratzte sich nachdenklich die Nase und holte sich dann einen Kaugummi aus der Tasche. Kay und Jay lehnten ab, als er ihnen auch einen anbot. Er zuckte die Schultern und öffnete bedächtig das glitzernde Silberpapier. Nach dem er zwei-, dreimal auf dem süßen Streifen herumgekaut hatte, schnippte er mit den Fingern.

"Sie hat doch wohl nicht... Oh nö ne?!" Er schüttelte theatralisch seinen Kopf und schluchzte.

"WAS? Was hat sie?" Kay stupste Jack ungeduldig an.

"Sie hat es tatsächlich wahr gemacht! Sie hat... Sie hat... Ich kann es nicht glauben!"

"Nun sag endlich!" Kay zwickte ihn wütend in den Arm.

"Sie hat uns einen Lehrer besorgt!" spuckte Jack hervor und malmte auf dem Kaugummi herum.

Wieder starrten die Kinder ungläubig auf den PC. Doch die Gesichter spiegelten unterschiedliche Gefühle wider.

"Heißt das, wir müssen regelmäßig Unterricht machen?" fragte Kay skeptisch.

Jack nickte sorgenvoll und hielt ihre Schulter: "Stillsitzen, nicht reden dürfen, eine Stunde doofe Materie, die wir wahrscheinlich schon seit Jahren kennen, anhören müssen."

"Keine Simulationen mehr?"

"Keine Simulationen, statt dessen Integralrechnung, Latein und Faust lesen!" Jack schüttelte sich angewidert.

"Das, das kann sie uns doch nicht antun! Ich meine, ich hab Faust schon gelesen, Integralrechnung ist total einfach, und ich hasse Latein! Das ist eine tote Sprache!" Kay nagte entsetzt an ihren Fingernägeln.

"Also, ich fand den Unterricht mit Sydney ganz witzig!" Jay zuckte mit den Schultern, "Wir haben viele verschiedene Simulationen durchgeführt. Raines wahr doof, der hat mich immer geschlagen, wenn ich was falsch gemacht habe. Aber Sydney war cool."

"Der arbeitet aber fürs Centre! Den hat Mum garantiert nicht als Lehrer für uns arrangiert. Bestimmt so'n pickliger Langzeitstudent mit ´nem IQ von 120. Puh, grausam." Jack schüttelte sich einmal mehr und spuckte seinen völlig fasrigen Kaugummi würgend aus.

"Den ekeln wir weg! Ich hol schon mal Material aus dem Netz, wie man Lehrer in den Wahnsinn treibt. Das mache ich nicht mit, das wird Konsequenzen haben, Mum!" schimpfte Kay.

"Aber ihr wißt doch noch gar nicht... Außerdem steht da, wir sollen zwei Betten vorbereiten!" warf Jay ein.

"WO STEHT DAS?" schrieen die Zwillinge, stürzten sich zum Monitor und drängten Jay nach hinten.

***


Parkers Hände zitterten. Sie hatte sich noch immer nicht voll unter Kontrolle. Nachdem sie die wichtigsten Aufgaben erledigt hatte, beantragte sie einen halben Tag Urlaub und fuhr wieder nach Hause. Sie mußte sich erst wieder fangen. Je öfter die Menschen starben, desto schwerer fiel es ihr, die Trauer zu verarbeiten.

Schwerfällig zog sie sich ihre Blazerjacke aus und warf sie auf die Couch. Ihr Blick fiel auf die kleine Anrichte mit den Cognacflaschen. Seufzend setzte sie sich in Bewegung. Sie nahm sich ein großes Glas und goß sich Weinbrand ein. Der Alkohol würde nicht helfen, aber betäuben. Sie konnte etwas Betäubung jetzt gut gebrauchen.

"Das bringt ihn nicht wieder zurück, Parker!" Die dunkle, warme Stimme hinter ihr überraschte sie für eine Sekunde. Jarod nahm ihr das Glas sanft aus der Hand und stellte es zurück auf die Anrichte neben die Flaschen.

"Er fehlt mir, Jar." Sie sah ihn an. Große, traurige Augen, blau wie der Ozean. Seine Hand ruhte auf ihrer Schulter.

"Mir auch." Sie trat einen Schritt vor und lehnte sich an ihn. Die Tränen liefen frei über ihr Gesicht, doch sie kümmerte sich nicht drum. Es tröstete sie, das er da war. Sie umschlang ihn und versteckte ihr Gesicht in seinem Pullover.

Jarod zögerte kurz. Die Nähe zu Parker war ungewohnt. Nicht unangenehm, aber ungewohnt. Nur langsam legte er seine Arme beschützend um sie. Er konnte den Duft ihres Haares riechen, Apfelshampoo. Er schloß die Augen und atmete ruhig. Er fühlte sich fast schuldig, weil in diesem Moment, in dieser Situation, seine Gedanken nicht an Sydney, sondern an Parker hingen. Ihre Schluchzer schienen leiser zu werden, das war gut, sie beruhigte sich wieder.

Sein Pullover war naß. Ihre Tränen hatten den Stoff durchdrungen und ein breiter, nasser, dunkler Fleck hatte sich gebildet. Sie zog schniefend ihre Nase hoch. Seine Umarmung war vorsichtig und doch fest. Es war angenehm, sich an ihn zu lehnen. Sie konnte das Waschmittel seines Pullovers riechen. Es roch fruchtig. Sie holte tief Luft, eigentlich wollte sie die Umarmung nicht trennen, aber ihre Nase juckte.

Sie löste sich von ihm und trat einen Schritt zurück. Er reichte ihr stillschweigend ein Taschentuch. Es war ein großes, altes, kariertes Taschentuch. Ein Opataschentuch, sorgfältig gefaltet und gebügelt. Parker nahm es in die Hand und faltete es auseinander. Sie konnte nicht anders, sie mußte lachen.

"Was ist das denn, eine Zeltplane?" kicherte sie verschnupft.

"Es gehört dem Major, er hat es mir geliehen. Ich mag es!" Jarod grinste leicht.

Sie putzte sich umständlich die Nase. Jetzt, wo sie den Schritt zurück gegangen war, spürte sie seine Nähe noch deutlicher. Ihr Herz machte Luftsprünge. Gut, daß dieses Taschentuch so groß war, man konnte sich gut dahinter verstecken. Sie vermied seinen Blick und schneuzte noch einmal.

"Geht's wieder?" Seine Stimme klang irgendwie rauh. Kein Wunder, wo sich doch plötzlich ein Kloß in seiner Kehle gebildet hatte. Sie war so wunderschön. Ihre Haare waren zerzaust, ihre Augen gerötet und ihre Nase leicht angeschwollen. Sie zitterte - ob vor Kälte oder vor Trauer, er wußte es nicht genau.

Sie schluckte und schüttelte schließlich mit dem Kopf. Zögernd sah sie ihm in die Augen und versuchte zu lächeln. >Oo, das war ein Fehler, Parker!< Sie schluckte noch mal und zog die Nase hoch. >Verdammt, hat Jar braune Augen< Das Herzrasen schien sich zu verselbständigen. Sie kannte die Symptome, sie kannte die Folgen. Für eine Sekunde zögerte sie.

Als der Augenkontakt erst mal hergestellt war, gab es kein Entrinnen. Jarod wußte nicht, wann er sich das letzte Mal so gefangen gefühlt hatte. Wunderschön, verboten. Er lächelte leicht: verbotene Früchte aus Nachbars Garten... So hatte sich der Major mal ausgedrückt. Er mußte zugeben, es hatte wirklich seinen Reiz. Sie würde ihn wahrscheinlich eine Ohrfeige verpassen, wenn er das jetzt tat, aber es war ihm egal. Er wollte sie jetzt küssen.

Parkers und Jarods Gesichter näherten sich.

"Miss Parker, das müssen Sie sich ansehen!" Broots stürmte in den Raum herein.

Parker und Jarod schnellten zurück und traten auseinander. Sie starrten den Störenfried an.

"WAS?" War das etwa wieder der alte Icequeen-Tonfall? Broots zögerte.

"Ich dachte, es würde Sie interessieren. Es geht um Sydney!" beeilte er sich zu sagen. Erst jetzt fiel ihm Parkers gerötetes Gesicht auf. Broots Blick wanderte zu Jarod, der schweigend Parker angesehen hatte. >Brootsie, du hattest noch nie so ein schlechtes Timing wie eben! Nie wieder, nie wieder stürze in ein Haus mit angelehnter Tür. ANKLOPFEN!!!< dachte er ironisch.

"Was?" Parker trat drei schnelle Schritte auf den Techniker zu und entriß ihm den Bericht. Sie überflog die Zeilen hastig. Jarod blickte über ihre Schultern.

"Das kann doch wohl nicht...." Parker fluchte und drehte sich zur Wand. Wieder fiel ihr Blick zur Anrichte mit dem Alkohol. Doch nur für eine Sekunde starrte sie sehnsüchtig auf das gefüllte Glas.

"Hat noch jemand diesen Bericht gelesen?"

"Nein, ich hab ihn zu Hause geschrieben und sofort alles Notwendige gelöscht!"

Parker nickte nachdenklich und tupfte sich selbstvergessen an der Nase.

"Irgendwie beneide ich ihn!" murmelte Broots nach einer stillen Minute. Parker sah ihn fragend an.

Broots zuckte entschuldigend mit den Schultern: "Nur ein toter Mann kann das Centre verlassen!"

Parkers Gesichtszüge veränderten sich zum gleichen Zeitpunkt wie Jarods. Man konnte ein plötzliches Verstehen ablesen.

***

"Angelo wach auf, wir sind da!" Er schüttelte den Empathen sanft. Langsam lenkte er den Wagen in die Einfahrt und fuhr den Sandweg zum Haus.

Während der ganzen Fahrt hatten sich Bedenken in ihm gesammelt. War er überhaupt willkommen? War es richtig, alles hinter sich zu lassen? Er seufzte, es war wohl zu spät, jetzt umzukehren.

Sein Beifahrer reckte sich geräuschvoll. Angelo gähnte laut und riß seine Augen auf.

Eine letzte Kurve und man konnte die Hütte sehen. Konnte man überhaupt von einer Hütte sprechen? Ein zweistöckiger Holzbau, eine riesige Scheune daneben und zwei große Eichen standen im Halbkreis um den Hof herum. Ihm war so, als wäre zwischen den Eichen eine Brücke gespannt.

***

"Da kommt ein Wagen!" Jack ließ die Gardine schnell zurückfallen und trat einen Schritt nach hinten.

"Sind es die Gäste, die eure Mutter angekündigt hat?" Margaret sah Jack neugierig an, doch der zuckte nur die Schultern.

"Weiß nicht, interessiert mich auch nicht!" Nach einem letzten Blick durch die Gardine lief Jack nach oben ins Kinderzimmer.

Marge runzelte die Stirn. Die Kinder verhielten sich seit heute morgen wirklich eigenartig.

Jay hatte schon wegen der schlechten Laune der Zwillinge das Weite gesucht und sich zu Emily an den Kamin gesetzt. Er half ihr beim Stricken. Marge lächelte und trat nach draußen.

***

Eine Frau trat aus dem Haus. Er holte tief Luft und parkte den Wagen.

Angelo setzte sich gerade hin und musterte sie aufmerksam: "Jarods Mum."

Er nickte. Er hatte sie sofort erkannt. Es würde nicht einfach werden, verdammt noch mal nicht einfach. In gewisser Weise gab er Sam die Schuld. Es war eine blöde Idee, warum war sie ihm bloß so logisch vorgekommen, wo sie doch offensichtlich zum Scheitern verurteilt war? Er seufzte noch einmal und stieg langsam aus dem Wagen.

Hinter Marge waren Jay und Emily aus der Tür getreten und beobachteten die Neuankömmlinge neugierig.

Als der Fahrer das Fahrzeug verließ, erhellte sich Jays Gesicht schlagartig. Er lief an Margaret vorbei zum Wagen: "Sydney!" Einen Meter vor dem Besucher hielt er an und streckte ihm nun doch etwas unsicher seine Hand entgegen.

Sydney lächelte: "Hallo! Na, wie geht es dir?"

"Prima, Jack und Kay sind heute etwas schlecht drauf, aber sonst ist es immer schön. Nie langweilig!" Jay schüttelte die Hand enthusiastisch und grinste breit.

"Wer sind Jack und Kay, Sam meinte zwar, du wärst hier, aber sie hat nicht...?" Sydney runzelte fragend die Stirn. Dann kam ihm in den Sinn, daß auch Angelo während der ganzen Reise immer von "den Kindern" geredet hatte. Er war so in Gedanken gewesen, daß er es gar nicht mitbekommen hatte.

"Sams Kinder, sie sind Zwillinge, glaub ich. Komm, ich zeig dir, was wir gestern gebastelt haben." Jay zog den älteren Mann hinter sich her zum Haus.

Marge und Emily waren auf die Stufen vorm Haus getreten.

"Ich nehme mal an, Sie sind Jarods Familie?!" Sydney lächelte leicht unglücklich und reichte seine Hand zum Gruß.

"Doktor Green! Ich..." Marge nahm erst zögernd seine Hand, doch dann umarmte sie ihn. "Danke, daß Sie meinen Sohn beschützt haben!"

Sydney verzog schmerzlich das Gesicht. "Ich konnte nicht wirklich..."

"Jarod war nie allein in dieser gottlosen Anstalt, Sie haben ihm ein Zuhause gegeben, und dafür werden wir immer dankbar sein." Marge lächelte ihn an und schließlich gab Sydney dem ungeduldig an seinem Ärmel ziehenden Jay nach und ging ins Haus.




Dubidu, was sagt denn ihr dazu?
Ich hätt gern Feedback, das wäre nett!
So wie gewohnt, mich nicht verschont!

Oh mein Gott, die Reimmuse ist wieder da!









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