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Die meisten Figuren dieser Geschichte gehören nicht mir, wem auch immer,mir nicht! Die anderen, die mir gehören, gehören mir ganz allein! DieseGeschichte wurde geschrieben, weil ich gerne schreibe, nicht weil ich damit Geld verdienen will!



Die vergessene Akte
Teil 10
von Dara






"Ihr steckt heute schon die ganze Zeit die Köpfe zusammen." Major Charles sah sich seine Enkel – an den Gedanken würde er sich noch gewöhnen müssen – skeptisch an. Jay blickte ein wenig schuldbewußt zurück, antwortete aber nicht.

"Och, das ist eine Überraschung, das benötigt noch ein bißchen Vorbereitungszeit!" Kay sah ihn herausfordernd an. Der Major zögerte kurz und ging dann wieder. Er hatte ja schon mit vielen Dingen umgehen müssen, aber diese Kinder waren doch ein wenig unheimlich. Sie spielten nicht wie andere Kinder, sie waren zeitweise sogar ungewöhnlich leise. Er seufzte. Kinder sollten lachen, weinen, streiten, Kinder sollten laut sein.

"Laß das, das ist mein Laptop, und wenn du es anders machen willst, dann benutz gefälligst deinen eigenen!"

Kays wütende Stimme ertönte aus dem Zimmer, gefolgt von einem knurrigen Jack: "Du wirst uns noch auffliegen lassen, dann ist Mum wieder sauer und schreit uns an!"

"Werd' ich gar nicht!"

"Wirst du doch, und dann dürfen wir den Truck nicht mehr benutzen, und das Labor haben wir dann auch nicht mehr zur Verfügung!"

Der Major lächelte. Vielleicht waren es ja doch Kinder, nur mit eigenartigen Spielen?!

***

Jarod biß auf seinen PEZ-Bonbon. Er suchte im Netz nach Informationen. Ein neues rotes Notizbuch lag neben ihm. Ein anderer Fall, eine weitere traurige Familiengeschichte. Sam gähnte laut. Jarod sah zu ihr rüber. Sie saß in einem großen roten Plüschsessel. Die Beine angezogen und auf den Knien ein Buch. Ihre Haare hatte sie mit Eßstäbchen zu einem Dutt geknotet. Ihre Lippen öffneten sich leicht, als wenn sie sich etwas laut vorlas. Sie gähnte noch mal. Jarod hatte sich wieder seinen Recherchen zugewandt. Es war nichts weiter zu hören als das Kindergeschrei aus dem oberen Stockwerk, das Klacken von Jarods Tastatur und das gelegentlichen Gähnen von Sam.

"Himmelherrgott noch mal, ist das langweilig!" Sam schlug energisch das Buch zu. Jarod schrak durch diese abrupte Bewegung auf. Fragend sah er sie an. "Ich brauch was zu tun, ein Ziel, eine Beschäftigung!" Sie stampfte barfuß zur Küche. Beim Vorbeigehen schnappte sie sich Jarods Handy und verschwand in der Küche. Jarod sah ihr nur kurz nach und vertiefte sich wieder in seine Lektüre.

***

"Was?"

"Joi, ich hab schon mal nettere Begrüßungen gehört! Störe ich etwa bei irgend etwas?" Sam hielt sich den Hörer vom Ohr.

"Sam?"

"Das soll mein Name sein, Parker!"

"Wie komme ich denn zu dieser Ehre?"

"Ich langweile mich furchtbar. Eigentlich bin ich ganz schön sauer auf die Flasche. Hätte der nicht diese Untersuchung angesetzt, wäre ich noch im Centre und könnte Simulationen durchführen!"

"Das scheint dir ja wirklich Spaß zu machen!"

"Nun, Dr. Greene ist gar kein schlechter Mentor. Und jede Simulation ist eine Beschäftigung. Es ist so langweilig hier. Die Kinder wollen nicht gestört werden und verweigern jegliche Kommunikation. Major Charles ist einkaufen, Jarod tippt schon seit Stunden in seinem Computer herum und ich...ich langweile mich fürchterlich." Sam nahm sich eine Flasche Orangensaft aus dem Kühlschrank und trank aus der Flasche.

"Die Kinder? Welche Kinder?" Sam verschluckte sich. "Äh, äh, ich meine das Kind, Jay, das Kind! Versprochen."

"Ist mir ehrlich gesagt auch egal, ich hab jetzt Feierabend und bin zur Zeit privat!"

"Gut, hoffentlich weiß Rainilein, das Stachelschwein, das auch und hört nicht deine Telefonate ab!"

"Das tut er mit Sicherheit, allerdings weiß ich nicht, ob er überhaupt von diesem Telefon weiß!"

"Na, da wollen wir mal hoffen. Was machst du gerade, Parker?"

"Ich räume auf. Ich hab schon lange nicht mehr mein Haus aufgeräumt, es war mal wieder fällig."

"Ich kann mir dich nicht in Schürze und mit Putzlappen in der Hand vorstellen."

"Putzlappen? Wozu braucht man das denn?" Die beiden Frauen lachten.

"Na, ich will dich nicht nerven. Viel Spaß beim Putzen, und ich glaube, Jarod wird sich bestimmt auch bald wieder melden!"

"Sag ihm, er soll gefälligst zu einer moderaten Zeit anrufen, ich brauche Schlaf!"

Sam kicherte. Sie würde sich hüten, Jarod irgend etwas zu sagen. Die beiden brauchten eindeutig diese Nachtgespräche. Statt dessen wählte sie eine andere Nummer.

***

Parker starrte auf das Telefon, das sie in ihrer Hand hielt. Sie hatte sich gefreut, von Sam zu hören. Sie unterhielt sich wirklich gerne mit ihr. Parker setzte sich auf die Couch. Sie hatte nie wirklich eine Freundin gehabt. Während der Internatszeit, da war sie mit anderen Mitschülern ausgegangen. Aber das da ein besonderer Freund oder eine besonders enge Freundin bei gewesen waren, konnte sie nun wirklich nicht sagen. Aber etwas anderes fiel ihr ein. Wieso störte es sie so, daß Sam bei Jarod war. Was ging sie das an? Sie schüttelte energisch den Kopf. Nein, es ging sie wirklich nichts an. Sie raffte sich wieder auf und strich das Hemd gerade. Es war Tommys Hemd, sie zog es gerne an. Es war zu groß, alt und verschlissen.

Sie ging die Treppe hinauf, zu dem geheimen Zimmer. Das Zimmer, das sie jahrelang nicht betreten hatte, das Lieblingszimmer ihrer Mutter. Erst Thomas hatte sie dazu bewegt, es wieder zu betreten.

"Steh zu deinen Gefühlen, Parker. Schluck sie nicht hinunter." Sie konnte seine Stimme hören.

"Ich weiß wirklich nicht, was du meinst, Tommy!" sagte sie störrisch.

"Feigling!"

"Du bist tot. Du solltest so nicht mit mir reden!" Sie konnte ihn lachen hören.

***

"Sydney Greene?" Syd saß an einem großen Tisch, und Michelle goß ihm gerade Tee ein. "Ich habe mich gefragt, ob Sie mir nicht eine kleine Hausaufgabe aufgeben könnten, eine kleine Denkaufgabe, so was gegen die Langeweile!"

Syd runzelte kurz die Stirn. Michelle sah ihn fragend an.

"Samantha!"

"Warum sagt mir eigentlich jeder meinen Namen? Ich kenne meinen Namen, das ist keine große Sache, seinen eigenen Namen zu kennen!"

"Geht es dir gut?"

"Klar geht es mir gut, ich schlafe in einem großen geräumigen Raum, der sogar zwei echte Fenster hat! Allerdings langweile ich mich ein wenig, und ich bin zu faul, mich selbst zu beschäftigen!"

Sydney hielt die Hand vor den Hörer. "Das ist der weibliche Pretender, von dem ich dir erzählt habe." Michelle lächelte. Sie setzte sich neben ihn. Sydney tippte die Lautsprechtaste. "Ich bin nicht in Delaware, Sam!"

"Wo sind Sie dann?"

"Bei einer alten Freundin."

"Stör ich? Dann nerv ich lieber Jarod, das ewige Computergetippe ist ja auch nicht gesund."

"Nein, du störst nicht, um ehrlich zu sein, dein Anruf kommt eigentlich ganz günstig."

Michelle sah ihn fragend an. "Was meinst du damit?"

"Hol mal Nicholas, dann kann er den Fall noch mal erzählen!" Michelle verstand plötzlich. Ihr Sohn war ebenfalls zu Besuch und hatte von einem interessanten Fall erzählt, der ihm seit einiger Zeit Kopfzerbrechen bereitete. Nicholas kam in die Stube und setzte sich. Sam hatte sich während dieser Zeit mit Sydney unterhalten.

"... ich hab schon Parker belästigt, aber sie war beim Hausputz. Da wollte ich nicht stören. Oder, doch, um ehrlich zu sein, ich will stören. Es reizt mich geradezu, Jarod zu stören, aber ich halte mich zurück, noch jedenfalls." Sydney lachte laut auf. "Also, hast du nun eine zerstreuende Simu in petto, oder muß ich Bobby nerven?"

"Also, mein Sohn ..."

"Du hast einen Sohn, hört, hört!"

"Mein Sohn ist Lehrer, er hat einen Schüler, der an Autismus leidet. Er ist ein Genie, was Zahlen angeht."

"Dein Sohn oder sein Schüler?"

"Der Schüler!"

"Aha. Und was ist daran jetzt so interessant?"

"Nun der Junge wiederholt seit Tagen nur noch eine Zahlenfolge: 00 17 3 20 14 35. Er hat einen richtigen Anfall, keiner kommt zu ihm durch. Auch die übliche Medikation scheint nicht zu wirken. Nick macht sich ziemliche Sorgen!"

"Hört sich sehr nach Schock an, was war denn an dem Tag?"

"An welchem Tag?" fragte Nick irritiert.

"Na, am 17.03. 2000 um 20 Uhr 15?"

"Wie kommen Sie darauf, daß es eine Zeitangabe ist?"

"Ist doch das Naheliegendste, oder nicht? Datum und Uhrzeit, wie sie bei Digitaluhren steht. 17. März 2000, 20 Uhr 14 Minuten und 35 Sekunden. Ich habe mal als Psychiaterin in einer kleinen Klinik in Pennsylvania gearbeitet. Dort waren auch drei Fälle von Autismus. Ich hatte eine Assoziationsbehandlung angewendet, die sich als ziemlich erfolgreich herausgestellt hat. Dazu wurden zwei Medikamente in niedrigen Dosen verabreicht. Ich weiß nicht mehr, wie die Teile hießen. Ein Medikament müssen Sie selbst herstellen, das gibt es nicht im freien Handel. Aber ich hab die Formel, muß sie nur aus den Untiefen meiner Notizbücher holen. Außer den Medikamenten brauchen Sie noch einen Ruheraum, unter keinen Umständen weiß – eher grün, tannengrün. Keine grellen Lampen, nur indirektes Licht. Hatte was mit Hypnose zu tun."

"Ich wußte nicht, daß man autistische Menschen hypnotisieren kann."

"Hab ich noch nicht versucht, ich sagte, es ist so ähnlich. Kein erzwungener Kontakt, nur leise ruhige Töne, sanfte Farben... Ich kann Ihnen ja die Adresse von der Klinik geben, die praktizieren das heute noch." Syd hörte Sam gähnen. Nachdem sie noch die Adresse durchgegeben hatte, sagte sie mit eindeutig gelangweilter Stimme: "Das ist auch nicht so das Richtige. Ich werde mich wohl nach was anderem umsehen müssen. Machen Sie's gut, Sydney."

***

Sam setzte sich Jarod gegenüber, und tippte mit den Fingern rhythmisch auf die Holzplatte. Tiptiptiptip. Als Jarod keine Reaktion zeigte, lehnte sie sich nach vorne und griff sich sein Notizbuch.

Sie las laut vor: " Held in Lebensgefahr. Nachdem Jack Donohan 2 Kinder aus dem Flammenmeer gerettet hatte, sank er bewußtlos in sich zusammen. Die Ärzte aus der Notfallannahme sprechen von einem Herzinfarkt. Donovan als Leiter der hiesigen Feuerwehr gilt als ein sehr sportlicher, gesunder Mann, um so verwunderlicher ist die Diagnose...."

Sam glitt über die nächsten Zeilen und murmelte nur noch vor sich hin.

"So wie der Reporter das schreibt, könnte man glatt von Mordversuch ausgehen."

"Mhm!" Jarod zog das Notizbuch wieder zu sich rüber und schrieb etwas hinein. Sam seufzte laut auf.

"Einzelkämpfer!"

Sie ging nach oben. Jarod sah auf. Es könnte, es könnte... schnell suchte er die Stichpunkte zusammen, die er schon gesammelt hatte und unterstrich zwei Zeilen.

"Du hast recht, er war ein Einzelkämpfer!" meinte er dann.

Sam blieb auf der Hälfte der Treppe stehen: "Ich meinte nicht Donohan, ich meinte dich!"

Er sah sie fragend an. Sie zuckte die Schultern: "Du wirst wirklich schwer mit mir zusammenarbeiten können, Honey. Du bist ja noch weniger ansprechbar in der Vorbereitung als ich. Wie ist es dann erst in einer Sim?"

"Ich habe immer mit Syd zusammengearbeitet."

"Mag sein, aber doch selten mit einem zweiten Pretender?"

"Mit Kyle, ist allerdings schon ein wenig her!" Skeptisch zog sie ihre Augenbrauen nach oben und ging weiter die Treppe rauf.

***

"Psst. Ich wähle jetzt!" Jack hielt das selbstgebastelte Gerät im Auge, das neben seinem Laptop lag. Kay richtete noch einmal das Mikrofon an ihrem Mund gerade, als eine Frau sich meldete.

"Hallo?"

Kay verschluckte sich fast. "Ähm, ja hallo, mein Name ist Kay Steinman, spreche ich da mit Margaret Gene?"

Auf der anderen Seite war es ruhig, nur ein gleichmäßiges Atmen war zu hören.

"Wie kommen Sie an diese Nummer?"

"Ähm, ich hab sie gefunden. Ich wollte nur..." Klick, das Gespräch war unterbrochen.

"Toll, ich hab Ihre Nummer gefunden, da würde ich auch auflegen!"

Jay wollte und konnte die Kabbeleien zwischen den Geschwistern nicht mit anhören und sagte ungeduldig: "Wählt noch mal!"

Jack rollte kurz mit den Augen und puffte seiner Schwester in die Seite. Dann klickte er mit der Maus auf die Nummer und wartete, daß die Verbindung wiederhergestellt wurde. Es dauerte keine Sekunde bis das Gespräch angenommen wurde.

"Hallo."

"Margaret Gene? Bitte nicht auflegen, wir kommen hundertprozentig nicht vom Centre!" rief Kay, bevor die Frau wieder auflegte. Die Ruhe am anderen Ende der Leitung dauerte wohl über eine Minute, so lang kam es den drei Kindern wenigstens vor. Nur das Atmen der Frau war zu hören.

"Ich weiß nicht, wovon du da redest , junges Fräulein."

"Okay, wenn Sie nicht Margaret heißen, Ihr Mann nicht Major Charles ist, sie keine zwei Söhne namens Jarod und Kyle haben und keine Tochter namens Emily, dann sind wir falsch verbunden!" Kay japste förmlich nach Luft, so schnell hatte sie das heruntergerasselt. Wieder erschien die Pause eine kleine Ewigkeit zu dauern. Jack nahm Kay das Headset ab und sprach ins Mikrofon.

"Hören Sie? Falls Sie irgendwo an einen Computer mit Internetanschluß kommen, dann gehen Sie unter Yahoo! und geben Sie den Suchbegriff Tarantula Plus Enobis ein. Es werden so ungefähr 15 Ergebnisse angezeigt. Klicken Sie auf die Adresse mit der Endzahl 33.202.15.2 . Auf dieser Seite finden Sie ein Linkverzeichnis mit dem Hintergrund einer Tarantel. Klicken Sie mit der rechten Maustaste auf das Bild und fahren sie mit der Maus über die Beine. Wenn sich die Maus in eine Hand verwandelt können sie die Maustaste wieder loslassen!"

"Bist du verrückt, wenn das jetzt gar nicht die richtige Margaret ist!" zischte Kay ihm zu.

"Aber versuchen kann man es ja mal, oder?" In das Mikrofon sagte er mit unsicherer Stimme: "Haben Sie alles verstanden?"

"Ja, aber was...?" Jack unterbrach die Verbindung. "Wenn sie die Seite findet und ihr das Foto etwas sagt, dann war sie die Richtige und sie schreibt uns eine Mail, wenn nicht, dann glaubt sie an einen Kinderstreich und läßt das Ganze auf sich beruhen. Hoffentlich!" Er kaute nervös an seiner Lippe. Jay öffnete die Homepage, die Jack der Frau genannt hatte.

"Du glaubst, diese Fotos sagen ihr etwas?" meinte er zögernd.

"Na ja, da sind Fotos von Jarod und Kyle drauf, das Suchfoto, das Jarod von seiner Mutter hat machen lassen und die Namen von der Klinik, die die Blut- und Intelligenztests für das Centre durchgeführt hat. Ich glaube schon, daß Eingeweihte damit was anfangen können!" Jack klang längst nicht so sicher wie die letzten Tage. Kay hielt seine Hand fest und nickte ihm bestätigend zu. Jay starrte sehnsüchtig auf den Monitor.

***

"Was macht ihr denn die ganze Zeit hier drinnen? Ist doch prima Wetter!" Sam steckte die Nase ins Zimmer. Die drei Kinder saßen vor einem PC und schreckten merklich zusammen, als sie Sams Stimme hörten.

"Mum, was willst du?"

"Ich hab Langeweile und weiß nicht, was ich tun soll, da dachte ich, ich geh zur Abwechslung mal euch auf die Nerven!"

Jack stöhnte leise auf. Er wußte, daß seine Mutter jetzt so schnell nicht wieder abzuwimmeln sein würde. Kay stand auf und ging zur Tür.

"Wie wär's, wenn wir zwei einen Spaziergang machen?"

"Nur du und ich?"

"Nur du und ich!" Sie warf einen verschwörerischen Blick zurück und zerrte ihre Mutter dann raus in den Flur.

"Ich kriege ja doch raus, was ihr drei da drinnen ausheckt, warum erzählst du es mir nicht einfach?"

"Es ist eine Überraschung für Jarod und Major Charles, und wir wollen das alleine machen!"

Sam zog sich eine Jacke über. "Na gut, aber dann werden mal wieder Hausaufgaben gemacht."

"Du brauchst dringend eine Beschäftigung , Mum. Sonst läßt du uns doch nie in Ruhe." Kay stiefelte hinaus ins Freie und mummelte sich in ihren Anorak ein.

"Ich weiß, aber das kann morgen schon ganz anders aussehen! Hoffe ich jedenfalls!"

Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her.

"Kay, wie kommt ihr mit Jay zurecht?"

"Prima, er ist wie ein großer Bruder!"

"Das ist schön. Stört es dich eigentlich, daß ich euch unterrichte?"

"Nö, eigentlich nicht, die Aufgaben aus der Schule waren immer ziemlich doof."

"Aber daß ich quasi eure Lehrerin bin, ist trotzdem nicht so toll, oder?"

"Hab ich noch nicht drüber nachgedacht, wenn ich ehrlich bin!"

Sam zog die frische Luft tief ein.

"Mum, wieso willst du eigentlich nicht mit Jarod...? Du weißt schon!"

"Wie kommst du denn jetzt auf dieses Thema?"

"Ich weiß nicht, ich..."

"Wie gesagt, es fehlt der Kick!"

"Der Kick?"

"Wenn du dich mal verliebst, dann wirst du das auch merken. Da ist mit rational nichts mehr. Da ist so ein Kick, dann machst du Dinge, total gegen jeden Verstand."

"Aber es muß doch auch ohne Kick gehen!"

"Bestimmt, aber es ist nicht das, was ich suche!"

"Hast du bei diesem Lyle den Kick?" Sam blieb stehen und sah zu Kay. Sie runzelte nachdenklich die Stirn.

"Mh. Keine Ahnung. Bei Bobby? Ich weiß nicht. Es ist anders als bei Jarod, aber auch anders als bei Kyle."

"Wie genau ist es denn bei Jarod?"

"Wie ist es denn bei Jay?" Sam sah Kay an und diese erwiderte den Blick.

"Ich bin zehn! Ich glaube nicht, das man das vergleichen kann!"

"Vielleicht hast du recht." Kay hob die Augenbrauen bedeutungsvoll.

"Klar hab ich recht. Also warum nicht Jarod?"

"Weil ich ihn mag und weil ich Parker mag. Sie ist... Sie ist... Ich mag sie einfach. Und ich habe Augen im Kopf, weißt du. Auch wenn die beiden krampfhaft versuchen, darüber hinwegzusehen. Es ist was zwischen den beiden."

"Aber sie jagt ihn!"

"Wir können uns manchmal nicht aussuchen, was wir tun."

"Sie arbeitet fürs Centre!"

"Sie hätte mich festhalten können, fangen können, aber sie hat es nicht getan. Sie hätte mich verraten können, aber sie hat es nicht getan."

"Wie kannst du jemandem vertrauen, der für das Centre arbeitet?"

"Ich tue es einfach. Ich weiß, daß ich ihr trauen kann."

"Ja, aber woher?"

"Angelo weiß es."

"Was hat er denn damit zu...? Mum, dieses Aschenputtelspiel – hat doch nichts mit Telepathie zu tun, oder?"

***

Etwa zur gleichen Zeit ertönte ein unterdrückter Aufschrei. "Ein Treffer, Jack, ein Treffer!" Jay starrte gebannt auf den Monitor. Jack kam angelaufen und stellte sich hinter ihn.

"Und schon eine Nachricht?"

"Nein, ich glaube, sie sieht sich erst die Bilder genauer an."

"Kommst du an die Administratorrechte des Servers heran?"

"Das dauert zu lange, dazu müßte ich mich erst einlesen und das austesten, das ist zu gefährlich!"

"Schade, dann hätten wir genau sehen können, was sie macht."

"Sie öffnet das Diskussionsforum!"

"Schreib hallo!" Jack wedelte in Richtung Tastatur. Jay tippte etwas ein. Jack las laut vor.

"Margaret, bist du das? Was ist das für eine komische Begrüßung?"

"Wenn du was Besseres weißt, bitte, übernimm du das Schreiben!"

"Nein, danke. Sie antwortet. Woher habt ihr die Bilder?"

::Woher habt ihr die Bilder::

::Jarod gab sie uns::

::Woher soll ich wissen, daß das kein Trick vom Centre ist?::

::Wir sind nicht vom Centre, wir sind auf der Flucht, wie Sie::

::Wer seid ihr?::

::Das ist eine lange Geschichte::

::Ich habe Zeit::

::Sind Sie Margarete?:: Pause :: Wir müssen sicher sein, Sie könnten auch vom Centre sein::

::Ich bin Marge. Was wißt ihr über den Major?::

::Er ist hier bei uns::

::Das soll ich glauben?::

::Er hat Jarod, ich beweise es, warte::

"Was hast du vor, Jay?" Jack flüsterte unbewußt.

"Rede du mit ihr, ich komm gleich wieder!" Jay schnappte sich die digitale Kamera und lief nach unten. Jack schluckte und tippte etwas ungelenk in den PC.

::Er kommt gleich wieder::

::Wer bist du?::

::Jack.::

::Hallo Jack. Wer seid ihr?::

::Wir helfen dem Major::

::Warum?::

::Weil er zur Familie gehört::

::Zur Familie?::

***

Jarod saß noch immer am PC; er war in seine Arbeit sehr vertieft. Vor ihm türmten sich bereits dicke Bücher. Jay sah nur flüchtig auf die Titel. Medizin, Brandwunden, Herzchirurgie.

Jay sagte: "Guck mal, Jarod!" Als dieser hochsah, drückte Jay auf den Auslöser. "Danke!", rief er und rannte wieder nach oben. Jarod sah ihm verblüfft hinterher.

"Laß mich wieder ran!" Jay war voll aus der Puste, er schloß die Kamera an und lud das Bild herunter.

:: ich schick dir ein Bild::

Es dauerte eine Weile, bis das Foto gedownloadet war. Eine weitere Minute verging bis die Antwort kam.

::ich glaube euch::

Jack grinste und klopfte Jay auf die Schulter. Ein weiteres Fenster öffnete sich.

"Sie hat auch ein Bild geschickt!" flüsterte Jay atemlos. Langsam, quälend langsam verdichteten sich Pixel für Pixel die Farben und das Bild einer rothaarigen Frau nahm Konturen an. Sie war Mitte 60 und hatte strahlend blaue Augen.

"Sie ist es." Jack schluckte schwer. "Mensch, Jay, sie ist es!"

Im Hintergrund konnte man einen dunklen Raum sehen. Die Frau saß vor einem Computer, die Lesebrille, die ihr von der Nase zu rutschen drohte, spiegelte den Monitor wieder.

"Ruf sie an! Wir müssen reden!" Jay weinte. Vielleicht war sie nicht biologisch seine Mutter, aber der Major hat sie immer so genannt. Das war seine Mutter.









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