Der Pakt by foxee
Summary: Was wäre, wenn Jarod im Centre gefangen und in der Hand von Mr. Lyle wäre und Miss Parker NICHT in irgendeinem Krankenhaus läge... Würde sie so weitermachen wie bisher? Oder würde sie ihm helfen? Und wie weit würde sie gehen? Inspiriert durch die erste Folge der 4. Staffel
Categories: German Characters: Broots, Jarod, Lyle, Miss Parker, Mr Parker, Mr Raines, Sam, Sydney
Genres: Romance
Warnings: None
Challenges: None
Series: None
Chapters: 5 Completed: No Word count: 35857 Read: 15080 Published: 03/05/05 Updated: 03/05/05

1. Kapitel 1 by foxee

2. Kapitel 2 by foxee

3. Kapitel 3 by foxee

4. Kapitel 4 by foxee

5. Kapitel 5 by foxee

Kapitel 1 by foxee
Rechtliche Hinweise: Die bekannten Charaktere der Fernsehserie The Pretender gehören wie jeder weiß MTM und NBC. Also dient meine kleine Geschichte keinerlei kommerziellen Zwecken, sondern dient nur der Unterhaltung... und zur Überbrückung der Wartezeit auf Neues von unserer beliebten Fernsehserie.
Spoiler: Bis zum Ende der vierten Staffel .





Der Pakt
© by Foxee

Kapitel 1








Das Center, Dellavare, 15. April
Technikerraum

Mr. Broots saß vor seinem Computer und versuchte ein verschlüsseltes Programm zu knacken. Doch irgendwie schien es ihm nicht zu gelingen. Vielleicht war er auch einfach nicht so richtig bei der Sache. Immer wieder ging ihm eine Sache durch den Kopf.

"Ich kann es nicht fassen, daß es jetzt vorbei ist... Die Jagd nach Jarod meine ich. Wir... wir haben ihn so lange gesucht... Es war schon fast zur Routine geworden... Und jetzt seit vier Wochen..."

"Was war Routine? Ihre Unfähigkeit seine Spur zu finden? Oder sein dummes Katz-und-Maus-Spiel?" fragte Miss Parker genervt von der anderen Seite des Raumes.

Broots fuhr erschrocken herum. Etwas in ihrer Stimme ließ ihm einen kalten Schauder über den Rücken jagen. "Na ja, es war doch schon mehr als ein Spiel. Ich meine, es ging ihm ja immerhin um sein Leben, oder?"

Miss Parker verschränkte die Arme vor der Brust und hob mißbilligend eine Augenbraue. "Nun werden sie nicht theatralisch, Broots. Er hat versucht, uns durch seine kindischen Streiche zu ärgern." sie durchquerte den Raum mit energischen Schritten. Hinter Broots blieb sie stehen und zischte ihm ins Ohr: "Und er hat SIE immer wieder dumm dastehen lassen."

"Das würde ich nicht so sehen." verteidigte sich der Techniker etwas kleinlaut, "Er ist immerhin ein Genie. Und trotzdem hab ich es einige Male fast geschafft, ihn einzuholen. Ich finde, ich bin während der 4 Jahre immer besser geworden." Er redete jetzt voller Begeisterung. "Und es war schon aufregend. Nicht, daß ich eigentlich gerne an einer Menschenjagd teilnehme, aber.... Die Suche... die Herausforderung... dann die ganzen Hinweise und Puzzlestückchen von ihm. Ich kam mir manchmal vor wie ein richtiger Detektiv, der..."

"Nun hören sie aber auf!" unterbrach ihn Miss Parker barsch. "Das ist doch hier kein Kindergarten, in dem man Räuber und Gendarm spielt. Seine dummen Eskapaden haben für ganz schön Aufruhr im Center gesorgt, sonst ist doch nichts dabei herausgekommen. Er hat sich einen Spaß daraus gemacht, mich zu ärgern und in Mißkredit zu bringen."

"Und was ist mit der Wahrheit über ihre Mutter? Und dem Grund für ihren Tod? Und was ist mit all den Lügen, die sie bis dahin geglaubt hatten? Und..." Broots redete richtig in Rage, doch plötzlich brach er ab aus Angst, er könnte schon zu viel gesagt haben.

Miss Parker schaute ihn ehrlich erstaunt an. Darauf fiel ihr spontan kein Gegenargument ein. Es war ja alles wahr, was er da sagte, aber... sie wollte es lieber verdrängen... nicht wahr-haben. So waren es leichter... und besser. Sagte sie sich zumindest selber.

Doch dieser kurze Augenblick, in dem sie sich das eingestand dauerte nur wenige Sekunden. Dann fing sie sich wieder, baute die eisige Mauer um sich herum auf durch die kein Gefühl und kein Mensch an sie heran kommen konnte.

Broots konnte es auch sehen, an ihren Augen. Das waren die Augen, vor denen er Angst hatte. Er schluckte und drehte sich schnell wieder zu seinem Bildschirm. Er konnte hören, wie sie sich ihm langsam von hinten näherte. ‚Warum kann ich nur mein vorlautes Mundwerk nicht halten?' schimpfte er leise in Gedanken mit sich während sich seine Nackenhaare in Erwartung des bevorstehenden Donnerwetters aufstellten. Doch er wurde vor Miss Parkers bissigen Bemerkungen bewahrt, da in diesem Augenblick jemand den Raum betrat und Miss Parkers Aufmerksamkeit auf sich zog.

"Ah, Miss Parker. Gut daß ich sie finde." stieß der Neuankömmling hektisch heraus.

"Himmel Sydney, beruhigen sie sich. Wo sollte ich denn sein? Ich soll diese Sache untersuchen und es geht ja nicht weiter, weil gewisse Computerfreaks lieber vom Räuber-und-Gendarm-Spiel philosophieren." sie machte ein kurze Pause, und obwohl Broots nicht zu ihr sah, spürte er ihren bohrenden Blick in seinem Rücken. "Warum haben sie mich denn gesucht?" wandte sie sich schließlich wieder an den älteren Mann.

"Ich wollte sie fragen, ob sie nicht etwas von Jarod gehört haben."

Miss Parker verdrehte die Augen. "Nicht sie auch noch, Syd! Nein, ich habe nichts gehört und es interessiert mich auch nicht. Der Fall ist abgeschlossen, die Akte wandert ins Archiv und alles geht wieder seinen gewohnten Gang. Was sonst?"

"Wie können sie so etwas sagen?" brauste Sydney auf. "Ich habe seit dem Tag, an dem sie ihn zurück gebracht haben, nichts mehr von ihm gehört. Ich weiß nicht, wo er ist, wie es ihm geht, oder ob er nicht schon..." Er vollendete den Satz nicht, doch Miss Parker sah den gequälten Ausdruck in seinen Augen. Doch dafür hatte sie keine Zeit. Das war das Center. So etwas wie Gefühle gab es hier nicht, besonders nicht für sie. Sydney konnte sich das vielleicht erlauben. Aber sie nicht!

"Seien sie nicht albern. Was sollte er dem Center tot schon nützen?" fragte sie kalt. Sydney zuckte bei diesen Worten zusammen. "Hören sie auf, ihn zu bemuttern. Außerdem hat er sich den Schlamassel selbst eingebrockt. Dieses ganze vor der Nase herumtanzen... dachte er vielleicht, er könnte das Center und das Triumvirat ärgern und damit ungeschoren davonkommen?

Sydney wich einen Schritt vor ihr zurück und sah sie mit weit aufgerissenen Augen an, als hätte sie sich plötzlich vor seinen Augen in ein Monster verwandelt. Er öffnete und schloß einige Male den Mund ohne daß ein Ton herauskam.

Broots beobachtete das Schauspiel vor sich schweigend. Ihm tat Sydney leid. Jarod war für ihn wie ein Sohn. Und was er vom letzten Mal, als Lyle Jarod in die Finger bekommen hatte, erfahren hatte, reichte, um ihm Alpträume zu bereiten. Wußte Miss Parker nicht, was Lyle mit Jarod anstellte? Oder wollte sie es nicht wissen? Aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß sie so gleichgültig war. Sie tat zwar meistens kalt und unnahbar, aber in ihrem Inneren war sie ihrer Mutter ähnlicher, als sie zugeben wollte. Doch in diesem Fall schien sie es ernst zu meinen. Oder?

"Ich... ich glaube nicht, was ich da höre!" brachte Sydney endlich heraus.

Miss Parker setzte an, um ihm zu sagen, daß er sich nicht anstellen solle, doch Sydney brachte sie mit einer energischen Handbewegung zum Schweigen. Diesmal war er es, der sie durch den kalten Ausdruck in seinen Augen überraschte.

"Entschuldigen sie, ich wußte nicht, daß ich mit einem offiziellen Vertreter des Centers rede... Aber ich wette, ihr Vater wäre sehr stolz auf sie für ihre kaltherzige Einstellung. Oh ich vergaß, er gibt ihnen ja nicht mal ein Lob, wenn sie für ihn Menschen erschießen. Arme Miss Parker, und dabei tun sie ja alles, um etwas Aufmerksamkeit von ihm zu bekommen."

Miss Parker fuhr zusammen. Auch Broots traute seinen Ohren nicht. So hatte er Sydney noch nie sprechen hören. Im Gegenteil, bei Miss Parker war er immer besonders nachgiebig und verständnisvoll gewesen. Doch die Angst ließ die aufgestauten Schmerzen und Bitterkeit entladen.

"Ich weiß nicht, ob sie es schon bemerkt haben, aber Jarod ist ein Mensch! Keine Laborratte oder ein Gegenstand über den man verfügen kann wie man will und den man einfach entsorgt, wenn er nicht mehr richtig funktioniert! Er... er bedeutet mir sehr viel. Er..." Sydney schluckte einige Male und versuchte sich zu sammeln. "Sie beide haben mir immer viel bedeutet. Ich habe sie immer als besondere Menschen angesehen. Als Menschen mit Herz, Verstand und einer ehrlichen Art. Aber jetzt sind diese zwei Menschen, die mir etwas bedeuten verschwunden. Bei dem einen muß ich um sei Leben fürchten, und ich bin nicht für ihn da, kann ihm nicht helfen.... Und die andere hat ihre Seele endgültig diesem Höllenloch verschrieben. Und wieder steh ich da und kann nur zusehen. Ich dachte, ich würde sie besser kennen. Nach allem, was wir erfahren haben, allem, was geschehen ist und..." er schüttelte traurig und resignierend den Kopf.

Miss Parker wollte wieder etwas sagen, doch Sydney drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verließ den Raum.

Broots schaute ihm nach und warf dann einen verstohlenen Blick auf Miss Parker. Die bemerkte seine Kopfbewegung und funkelte ihn warnend an. Sie durchquerte wieder den Raum und setzte sich in einen Bürostuhl. Sie schlug die Beine übereinander und wippte nervös mit dem Fuß. Was Sydney gesagt hatte traf sie mehr, als sie bereit war zu zeigen. War sie wirklich zu einer Marionette des Centers geworden? Nein! Natürlich nicht! Sydney redete Unsinn. Wahrscheinlich machte er sich ganz unnötig verrückt. Und wer war es mal wieder schuld? Jarod!

"Ähm. Miss Parker..." meldete sich Broots kleinlaut zu Wort. Doch Miss Parker ließ ihn gar nicht ausreden.

"Das ist doch lächerlich, was Sydney da sagt. Und maßlos übertrieben. Sicher, Lyle wird Jarod vermutlich nicht gerade mit Samthandschuhen anfassen, aber..."

Nun war es Broots, der sie unterbrach. "Sie wissen doch gar nicht, was er mit ihm anstellt!"

Miss Parker schaute ihn überrascht an.

Doch Broots betrachtete es jetzt als seine Pflicht, ihr reinen Wein einzuschenken. "Sydney hat ihnen nichts gesagt, oder? Ich meine von dem ersten Mal, als Lyle Jarod gefangen hatte. Als sie angeschossen waren..."

Miss Parker zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf.

"Ich... ich meine, ich selbst habe die Bilder nicht gesehen. Aber Sydney erzählte mir, was Lyle ihm in seinem Büro vorgespielt hat. Er... er hat Jarod gefoltert... Er hat ihn mit Ketten an der Decke aufgehängt unter fließendes Wasser und hat ihm Stromschläge verpassen lassen. Immer wieder... stundenlang.... jeden Tag..." ein Schaudern lief über Broots Rücken.

Miss Parker zeigte im Gesicht keine Regung, keine Zeichen einer Anteilnahme. Doch bei der Vorstellung krampfte sich ihr Magen zusammen. Sie schollt sich selbst und versuchte, das Gefühl zu vertreiben, doch es blieb wie ein Kloß in ihrem Bauch.

"Er... er hat ihn in einen kleinen Käfig gesperrt, ihn verhöhnt und psychisch fertig gemacht bis Jarod fast den Verstand verloren hat und schreiend im Kreis gelaufen ist und gegen die Käfigwände geschlagen hat. Und Raines!! Raines hat ihm Drogen gegeben, die seinen Willen brechen sollten... Und...!"

"Es reicht Broots! Ich habe jetzt keine Zeit für ihre Geschichten." unterbrach ihn Miss Parker. Sie wollte das alles gar nicht hören. Je weniger sie darüber wußte, um so besser. So konnte sie ihr schlechtes Gewissen ruhen lassen. Und es war eh nicht gut, im Center so etwas wie ein Gewissen zu haben! Das machte sie schwach. Und ihr Vater hatte ihr immer eingebleut, daß sie stark sein müsse und keine Schwächen zeigen dürfen!! ... Plötzlich mußte sie wieder an Sydneys Worte denken.

'Verdammt noch mal, was ist denn heute mit den beiden los?' fluchte sie in Gedanken über ihre beiden Mitarbeiter.

"Miss Parker! Sie können doch nicht sagen, daß sie das alles nicht interessiert!" bohrte Broots weiter. "Jarod ist damals immerhin nur deshalb gefangen worden, weil er ihr Leben retten wollte! Er hätte mit seinem Vater und dem Jungen wegfliegen können, aber er..."

"Broots!!!" ihr Ton war jetzt absolut schneidend. "Es... interessiert... mich... nicht... was... Lyle... mit... Jarod... macht!" jedes einzelne Wort spuckte sie ihm förmlich vor die Füße.

Überrascht bemerkte sie, daß ihr Herz schneller schlug und sie auch schwerer atmete. Der Kampf in ihrem Inneren und die Vorstellung, die Broots ihr in den Kopf gesetzt hatte, wühlten sie sehr auf. Schon konnte sie wieder ihr Magengeschwür spüren... oder war es immer noch der Kloß, den sie vorhin schon gespürt hatte.

Broots war zurückgewichen und beobachtete sie vorsichtig. Speziell auch ihre rechte Hand mit der sie blitzschnell ihre Waffe ziehen konnte. Nicht, daß er befürchtete, daß sie ihn erschießen würde, aber...

Miss Parker zwang sich wieder zur Ruhe. Sie ging an Broots vorbei Richtung Ausgang. Den Türgriff in der Hand stockte sie und sagte ohne sich umzudrehen: "Ich werde meinen Vater bei Gelegenheit fragen, ob Sydney Jarod besuchen darf. Mehr kann ich nicht tun." Damit schloß sie die Tür hinter sich.







Büro von Mr. Parker, 16.April

Miss Parker betrat das Büro ihres Vaters wie immer mit einem etwas mulmigen Gefühl. Früher hatte sie sich immer gefreut, wenn er sie zu sich bestellt hatte, doch heute war das nicht mehr so. Außerdem hatte sie ein Anliegen und sie wußte, daß ihr Vater damit nicht einverstanden sein würde.

"Nein, ich weiß daß noch nicht alles so läuft wie sie sich das gedacht haben, aber.... Ja sicher versuchen wir alles um... Es gibt halt noch einige Probleme mit...." Mr. Parker saß an seinem Schreibtisch telefonierte angestrengt. Offensichtlich war sein Gesprächspartner mit etwas nicht zufrieden und Mr. Parker versuchte nun, ihn zu beschwichtigen. Zuerst bemerkte er seine Tochter nicht, doch dann winkte er sie heran und hörte gleichzeitig weiter, was die Person am anderen Ende zu sagen hatte. Und das gefiel ihm offensichtlich nicht. "Ja sicher, das weiß ich auch, aber wie sollen wir das erreichen." Schweigen. "Nein... nein natürlich nicht. Ich denke nicht, daß es nötig ist, daß sie mir erklären, wie man diese Organisation führt. Ja... Ich habe verstanden. Ich werde mich persönlich darum kümmern, daß alles so geschieht, wie sie es wünschen. Mein Sohn wird..." er schaute den Hörer verwundert an und legte ihn dann mit einem hörbaren Seufzen auf die Gabel. Offensichtlich hatte der andere mitten im Satz aufgelegt.

Miss Parker stand vor seinem Schreibtisch und schaute ihn besorgt an. Schließlich sah er zu ihr hoch und setzte sein bekanntes väterliches Lächeln auf. "Engelchen, was kann ich für dich tun?"

"Stimmt etwas nicht, Daddy?"

"Ach, das Triumvirat mal wieder. Wenn es nicht sofort so läuft, wie sie es geplant haben, dann suchen sie sich gleich einen Sündenbock." er schüttelte gleichgültig den Kopf. Dann stand er auf, ging um den Schreibtisch herum und legte seiner Tochter die Hände auf die Schulter. "Aber mach dir keine Sorgen. Ich regele alles. Einen Parker kriegt man nicht klein!"

Seine Tochter war nicht so überzeugt. "Daddy, worum geht es denn? Kann ich vielleicht helfen?"

Ihr Vater schüttelte schon während sie noch redete den Kopf. "Ach, es geht mal wieder um Jarod. Aber keine Sorge, dein Bruder weiß schon, was er zu tun hat."

Miss Parkers Magen krampfte sich zusammen, doch sie zwang sich, in ihrem Gesicht keine Regung zu zeigen.

Ihr Vater ging wieder zurück zu seinem Platz und setzte sich. "Und dieser Raines! Wenn er und seine Wundermittelchen auch nur die Hälfte von dem, was er verspricht, halten würden, dann hätten wir schon viel weniger Probleme."

Miss Parker holte kurz Luft und sammelte sich. "Daddy, vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn du Sydney zu Jarod lassen würdest. Er könnte ihn vielleicht davon überzeugen, daß es besser für ihn wäre, wenn er..."

"Das denke ich nicht." fuhr er ihr knapp ihn Wort.

Miss Parker schluckte und versuchte es erneut. "Ich denke, es wäre für beide gut. Sydney macht mich schon ganz verrückt wegen Jarod. Er will unbedingt wissen, wie es ihm geht oder ihn wenigstens einmal sehen."

"Ich werde mich nicht nach seinen Wünschen richten!" antwortete Mr. Parker schroff. "Und du solltest dich auch nicht so sehr von deinen Mitarbeitern beeinflussen lassen. Du weißt doch, nur die Familie ist wichtig! Wir müssen stark sein. Alle! Denn der Schwächste bringt die ganze Gruppe zu Fall!"

Miss Parker wollte protestieren, doch ihr Vater redete weiter. "Im Übrigen sollte Sydney aufpassen. Seine Verbindung zu Jarod wird in den oberen Reihen nicht gerne gesehen. Sie war sehr nützlich bei der Suche nach Jarod, aber nun ist sie ein Problem - ein Sicherheitsproblem. Und der gute Sydney soll sich nicht vertun! Er ist genauso austauschbar wie jeder andere Mitarbeiter des Centers."

Ein Schauer lief Miss Parker über den Rücken. "So wie ich auch?"

"Nein, du natürlich nicht, Engelchen!" der strenge Gesichtsausdruck verschwand augenblicklich aus Mr. Parkers Gesicht und das Lächeln legte sich wieder wie eine Maske darüber. "Ich sagte doch, die Familie ist das einzige was zählt!"

Er wand seine Aufmerksamkeit wieder den Akten auf seinem Schreibtisch zu. Miss Parker blieb vor seinem Tisch stehen und überlegte, wie sie weiter vorgehen sollte.

Schließlich bemerkte er, daß sie sich nicht von der Stelle bewegt hatte und hob wieder den Kopf. "Ist noch was?"

Miss Parker zögerte, doch dann sah sie ihn fest an. "Daddy, nachdem Jarod jetzt wieder im Center ist, brauchst du meine Hilfe hier nicht mehr unbedingt. Du weißt doch noch, wir hatten darüber gesprochen, daß ich das Center verlassen wollte... und du hattest zugestimmt, wenn Jarod wieder da ist..."

Ihr Vater protestierte vehement. "Aber ich brauche dich hier! Was soll ich denn ohne meine Tochter machen? Du und dein Bruder, ihr seit die einzigen, denen ich hier wirklich vertrauen kann!"

Auch Miss Parker blieb stur. "Aber Daddy, du hast es versprochen! Und wofür brauchst du mich schon? Die Aufgaben, die ich hier erledige, kann auch jeder andere übernehmen."

"Ich weiß, daß du für diese Aufgaben überqualifiziert bist. Aber ich dachte, du bräuchtest vielleicht etwas Ruhe. Ich werden dafür sorgen, daß du wieder bessere Aufgaben bekommst. Die auch deinen Fähigkeiten gerecht werden."

'Und was sind das für Fähigkeiten? Menschenjagd? So wie Broots gesagt hatte...' dachte sie für sich. "Es geht doch gar nicht um die Aufgaben. Es geht darum, daß ich das Center verlassen wollte. Du erinnerst dich doch noch an unser Gespräch, oder?"

Mr. Parker legte ein mißbilligendes Gesicht auf. "Ja, ja, ich erinnere mich daran. Du warst damals schlecht drauf. Ich glaube, du wolltest mit diesem Handwerker wegfahren."

Miss Parker hatte das Gefühl, jemand schlug ihr mit der Faust in den Magen. "Thomas!" sagte sie ohne nachzudenken.

"Ja, genau. Thomas." wiederholte ihn Vater teilnahmslos. "Aber, das hat sich ja jetzt erledigt..."

Als er sah, wie seine Tochter leichenblaß wurde, fuhr er schnell fort. "Versteh' mich nicht falsch! Es ist furchtbar, was passiert ist. Aber das Leben muß weitergehen."

'So wie nach Mom's Tod?' fragte Miss Parker in Gedanken, doch sie sprach es nicht aus.

"Und wo würdest du überhaupt hingehen? Oder was willst du tun?"

'Völlig egal! Hauptsache weg von hier! Von allem!' beantwortete sie seine Frage wieder lautlos.

"Alles was du hast, ist hier! Deine Familie, deine Aufgabe. Was würdest du denn wo anders wollen?" damit schloß er seine Rede, zufrieden mit sich selbst und überzeugt davon, seine Tochter umgestimmt zu haben.

"Aber Daddy..." fing Miss Parker wieder an, doch ihr Vater schüttelte energisch den Kopf.

"Du bleibst hier und das ist mein letztes Wort!"

Damit wandte er sich wieder seinem Schreibtisch zu und ignorierte seine Tochter völlig. Die stand fassungslos da, dann drehte sie sich wie in Trance um und verließ das Zimmer. Auf dem Weg zurück in ihr eigenes Büro ließ sie sich das Gespräch noch mal durch den Kopf gehen. 'Er wird mich nie gehen lassen. Das Center wird das nicht zulassen. Sieh es ein: nichts wird sich je ändern! Ob Jarod im Center ist oder draußen herum spaziert. Alles, was er versprochen hat, war gelogen. Aber was hast du gedacht? Das ist doch wirklich nichts neues.'

Sie schwenkte von ihrem Weg ab und eilte in Richtung Damen-Toilette, da ihr auf einmal schlecht wurde. Sie schloß die Tür hinter sich und ging zum Waschbecken. Mit den Armen auf die kalte Marmorplatte gestützt ließ sie den Kopf hängen und atmete einige Male tief ein und aus. Dann hob sie den Kopf und betrachtete ihr Spiegelbild. Lange stand sie einfach nur so da und starrte ihre Reflektion im Spiegel an als könne die ihr Antworten geben auf die Fragen, die sie quälten. Doch was sie sah, half ihr wenig. Sie sah eine Frau die äußerlich tadellos aussah; die Kleidung, die Frisur, das Gesicht - alles perfekt, aufreizend und ausgelegt, um mit den Männern zu spielen und sie doch ehrfurchtsvoll auf Distanz zu halten. Doch ihre Augen waren leer, der Gesichtsausdruck müde. Sie schloß die Augen und versuchte ihre gewohnte Stärke zu mobilisieren; ließ die typische Miss Parker raus. Dann betrachtete sie sich wieder und erschrak beinahe vor sich selbst... vor dem kalten, herablassenden Blick, den ihr ihr Spiegelbild entgegen warf.

War das wirklich alles an Gefühlsregungen, zu denen sie noch fähig war? Wenn sie Miss Parker im Center war, dann war sie nur kalt. Und wenn sie ihren Schutzwall fallen ließ, dann war sie...? Ja, wer war sie eigentlich... außerhalb des Centers? Da war nichts. Nur Leere. Und Müdigkeit.

Ihr Vater hatte recht. Für sie gab es nur das Center. Etwas anderes kannte sie nicht - nicht mehr. Ein Teil von ihr war mit ihrer Mutter und mit Thomas gestorben. Dieser Teil war nun weg, unwiederbringlich. Alles, was sie noch ausmachte, was sie geprägt hatte auch als sie noch jünger war, war das Center.

Sie richtete sich auf, strich sie über das Jackett und verließ mit erhobenem Haupt den Waschraum. Für die anderen Mitarbeiter des Centers war sie Miss Parker, die Eisprinzessin. Und so wollte sie es auch. Sie würde diese Gefühlsdusselei lassen und sich auf das Wesentliche konzentrieren.

Alles blieb beim Alten, nichts würde sich hier jemals ändern. Sie beschloß das zu akzeptieren. Diese Konstanz gab schließlich auch Sicherheit.

Mit energischen Schritten ging sie zu ihrem Büro. Zwei Angestellte mit Aktenordnern wichen ihr vorsichtshalber aus, als sie an ihnen vorbei ging. Sie verkniff sich ein siegessicheres Grinsen und betrat den Raum. Es gab Arbeit, die sie erledigen mußte!





Einige Zeit später betraten Broots und Sydney ihr Büro. Miss Parker blickte auf und schaute von einem zum anderen. Sydney hatte immer noch die Sorge um Jarod ins Gesicht geschrieben und Broots schaute sie mal wieder in seiner gewohnten nervös-neugierigen Art und Weise an, die sie manchmal zur Weißglut treiben konnte. Er sah dann aus wie ein Schuljunge, der gespannt auf seine Schulnoten wartete.

Miss Parker schaute Broots überrascht an. "Nun machen sie mir eine Freude und sagen sie mir, daß sie es endlich geschafft haben an die Informationen heranzukommen."

"Nun, äh... eigentlich nicht..." druckste Broots herum. Er zögert, schielte zu Sydney rüber und starrte auf seine Füße.

Miss Parker hob überrascht die Augenbrauen und sah zu Sydney rüber.

"Nun... Miss Parker..." fing dieser an und schaute sie hoffnungsvoll an. "Broots erzählte mir, daß sie mit ihrem Vater sprechen wollten. Wegen Jarod."

"So, hat er das erzählt." ein eisiger Blick traf den gesprächigen Techniker. "Tja, ich HABE mit meinem Vater gesprochen, aber er erlaubt nicht, das jemand zu Jarod gelassen wird. Er hat noch nicht mal mir gesagt, wo er ist."

Der hoffnungsvolle Ausdruck verschwand aus Sydneys Gesicht. "Ich verstehe."

Miss Parker versuchte es mit einem beschwörenden Tonfall: "Sydney, es gibt nichts, daß sie tun könnten. Sehen sie das endlich ein."

Doch der schüttelte den Kopf. "Dann werde ich ihn eben selber suchen."

"Seien sie nicht albern! Sie bringen sich selbst nur in Gefahr! Und wo wollen sie auch anfangen, zu suchen?"

Sydney schaute ihr fest in die Augen. "Ich werde ihn finden!" Dann verließ er ihr Büro.

"Und was dann?" murmelte sie ihm hinterher.

Broots hüstelte leise und Miss Parkers schreckte auf. Irgendwie hatte sie ganz vergessen, daß ja noch jemand anderes im Raum war. "Was ist denn noch, Broots?"

"Ich mache mir ehrlich gesagt Sorgen um Sydney."

"Ich weiß, was sie meinen." gab sie zu. "Ich befürchte auch, daß er eine Dummheit machen könnte."

"Dann sollten sie ihre Mitarbeiter besser unter Kontrolle halten!" kam plötzlich eine durchdringende Stimme von der Tür her. Broots fuhr zusammen und machte gleich ein paar Schritte zurück, um näher bei Miss Parker zu stehen.

Miss Parker warf dem Neuankömmling einen eisigen Blick zu. "MEINE Mitarbeiter sind auch MEIN Problem, nicht ihres Lyle! Im Übrigen ..."

"Sie irren sich! Sie sind auch ein Problem für das Center und das betrifft dann uns alle. Speziell, wenn sie sich in Projekte einmischen, die hohe Priorität besitzen."

"Speziell, wenn ihr Hals bei diesem Projekt in der Schlinge des Triumvirats steckt?" fragte Miss Parker bissig zurück.

Lyle warf ihr ein eisiges Lächeln zu, daß jeden anderen beeindruckt hätte - nur nicht sie. "Nun, wenigstens weiß ich, wie ich meine Aufgaben erfüllen kann. Und dazu brauche ich keine 4 Jahre!"

Miss Parker schnaufte. "Sie haben sich nur eines miesen Tricks bedient um ihn zu fangen. Das war keine Intelligenzleistung. Aber wahrscheinlich braucht man einen ebenso niederträchtigen wie psychopathischen Verstand, um sich so etwas auszudenken."

"Oh, das trifft mich hart. Sind wir etwa immer noch sauer, weil ich ihn gefangen habe und nicht sie?"

Miss Parker stand auf und ging im Zimmer umher. "Ein Kind vom Center entführen lassen und den Eltern die Fotos ihrer Tochter zu schicken mit den gräßlichsten Androhungen... das ist..." sie schüttelte sich. "Alles, damit Jarods Aufmerksamkeit geweckt wird und er sich auf die Suche begibt... das ist wirklich..."

"Genial!" beendete Lyle ihren Satz, allerdings nicht ganz in ihrem Sinne, denn sie funkelte ihn wieder an.

"Widerlich war eher das Wort, was mir vorschwebte." fauchte sie.

"Na, wie auch immer sie es nennen, es hat seinen Zweck erfüllt. Und das ist schließlich das einzige, was zählt." schloß er triumphierend.

Miss Parker kochte innerlich. "War das schon alles, oder wollten sie mir sonst noch etwas mitteilen, Lyle?" sagte sie mit unterdrückter, aber durchaus hörbarer Wut.

"Nein, das war schon alles." flötete Lyle fröhlich. "Ich wollte sie nur daran erinnern ihre Mitarbeiter im Auge zu behalten. Ich wünsche noch einen schönen Tag." Er schaute auch Broots noch einmal durchdringend an, der sich unter dem Blick etwas duckte und verließ das Büro.

"Na toll. Gibt es heute vielleicht noch mehr gute Nachrichten?" sie sah Broots an, der jedoch eher dumm aus der Wäsche sah. Erst das Gespräch mit ihrem Vater und jetzt das! Das war heute echt nicht ihr Tag.

"Stimmt das? Daß das Center ein Mädchen entführt hat um es als Köder zu benutzen? Ich dachte, das sein nur ein Gerücht." murmelte Broots.

"Nein, es ist wahr. Ich habe aber auch erst davon erfahren, als Lyle Jarod bereits gefangen hatte." gab Miss Parker zu.

"Das ist ja grauenvoll. Wenn ich an die armen Eltern denke... oder an das Mädchen. Sie muß doch Todesangst gehabt haben. Wie kann er nur so etwas tun? Wie kann das Center..." Broots, der ja selber eine kleine Tochter hatte, konnte diese Ungeheuerlichkeit nicht fassen. "Aber wahrscheinlich hatte er sogar den Segen des Triumvirats!"

Miss Parker nickt nur. Sie war zwar einerseits wirklich eifersüchtig, daß ihr Bruder Erfolg gehabt hatte wo sie versagte, aber andererseits... die Art und Weise wie er sein Ziel erreicht hatte ließ Ekel in ihr aufsteigen.

"Ich... ich hab mal ein wenig rumgeforscht..." riß sie Broots plötzlich aus ihren Gedanken. "Also, ich weiß nicht genau, wo Lyle Jarod gefangen hält, aber es muß irgendwo auf Ebene 22 sein. Es gibt mehrere Hinweise, die auf SL 22 hindeuten."

Miss Parker sah ihn überrascht an. "Sie haben meinem Bruder hinterher spioniert?"

"Nur ein wenig... Ich meine, das ist ja nicht das erste mal, daß ich ein wenig in seinen schmutzigen Sachen wühle..." Broots schmunzelte über seinen Vergleich... Ja ein kleiner Detektiv steckte einfach in ihm.

Doch Miss Parker war nicht so begeistert von seinem unaufgefordertem Engagement. "Wissen sie, in welche Gefahr sie sich da bringen - und mich? Wenn Lyle das herausbekommt, dann sind wir beide in ernsten Schwierigkeiten! Er wird auf gar keinen Fall zulassen, daß ihm Jarod noch mal durch die Lappen geht!"

"Ich dachte, sie wollten über alles Bescheid wissen..." sagte der Techniker überrascht. "Aber wenn sie Angst haben, daß..."

"Ich habe vor niemandem Angst!!!" stellte Miss Parker deutlich fest. "Aber die Stimmung hier ist schon ziemlich aufgeladen. Sowohl bei meinem Vater und Lyle, als auch beim Triumvirat. Und es ist nicht gesund, sich mit denen anzulegen!"

Sie massierte genervt mit Daumen und Zeigefinger ihren Nasenrücken. "Broots, bitte tun sie nichts mehr ohne meine Anweisungen. EIN Mitarbeiter, der Schwierigkeiten macht und sein persönliches Engagement über alles andere stellt reicht völlig."

"Na schön." gab Broots nach.

"Wenn sie soviel Energie übrig haben, um Lyles Korrespondenz zu durchstöbern, warum kommen sie dann eigentlich mit ihrer Aufgabe nicht weiter?" fragte sie plötzlich und erwischte Broots damit auf dem falschen Fuß. "Oder ist es etwa DESWEGEN???"

Broots schlich sich langsam Richtung Ausgang.

"Broots!!!"

"Ich mache mich wieder an meine Arbeit." er wollte eigentlich nur schnell hier raus.

"Broots, einen Moment!"

Mist, er war schon fast an der Tür.

Doch ihr Tonfall war eher besorgt als böse. "Ich möchte, daß sie Sydney nichts von SL 22 erzählen!"

Broots drehte sich noch einmal um und nickte. Dann verließ er das Zimmer.







Miss Parkers Haus, Nacht

Der Tag war nicht anders zu Ende gegangen, als er angefangen hatte. Miss Parker hatte noch lange gearbeitet, war jedoch keinen Schritt weitergekommen. Zusätzlich mußte sie ständig über die Ereignisse der letzten Zeit grübeln. Und über ihr Leben. Ihre Vergangenheit, ihre Zukunft, und ihre Situation jetzt. Das war das schlimmste!
Sie holte sich schließlich ein Glas Wodka, um die nagende Stimme in ihrem Kopf zu betäuben. Daraus wurden schnell weitere Gläser und schließlich schaffte sie es wirklich, daß sich eine gewisse gleichgültige Stimmung in ihr ausbreitete.

Nach einiger Zeit ging sie ins Bett. Doch der erholsame Schlaf wollte sich nicht einstellen und so wälzte sie sich stundenlang herum, bis sie schließlich einschlief.

Nichts außer dem leisen Ticken der alten Uhr im Wohnzimmer war im Haus zu hören. Miss Parker liebte die Stille. Sie gab ihr das trügerische Gefühl, daß sie ganz allein war. Kein Mensch, der sie beobachtete, dokumentierte und bewertete. Doch konnte sie sich wirklich sicher sein? Selbst hier, in ihrem eigenen Haus blieb die Ungewißheit. Sie führte zwar immer wieder gründliche Suchaktionen durch, um mögliche Wanzen oder Kameras zu finden - und sie war noch nie fündig geworden - doch das Gefühl blieb. Das war die Folge, wenn man zu lange im Center arbeitete. Überall schienen Ohren und Augen zu existieren... Es sollen sogar schon Leute daran verrückt geworden sein...

Obwohl kein Geräusch zu hören war, wurde Miss Parker plötzlich wach. Sie hatte das deutlich Gefühl, das jemand in ihrem Zimmer war. Mit geschlossenen Augen wartete sie, bewegte sich nicht. Nur ihre rechte Hand schob sich unter der Decke langsam, unendlich langsam der Waffe entgegen, die sie immer unter ihrem Kopfkissen versteckte. Nichts rührte sich. Ihr Herz schlug schneller doch sie zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Nur keinen Hinweis geben, daß sie wach war und den Eindringling bemerkt hatte.

Schließlich war die Hand an ihrem Ziel angekommen und die Finger schlossen sich um den Griff der Waffe. Sie prüfte, ob sie richtig in der Hand lag, dann riß sie die Decke weg, sprang aus dem Bett, duckte sich und zielte in die Richtung in der sie den anderen erwartete ... und erstarrte. Ihre Augen weiteten sich und ihr Mund klappte runter.

Dort stand Jarod!! Es war zwar dunkel im Zimmer und sie konnte ihn nicht ganz genau sehen, doch das war eindeutig Jarod!! Er stand einfach da, unbeweglich, und sagte kein Wort.

"Jarod?!" Miss Parker erwachte aus ihrer Starre und stand aus ihrer geduckten Stellung auf. Die Waffe auf ihn gerichtet ging sie auf ihn zu. "Was machen sie hier? Sollten sie nicht im Center sein? Es... ähm, es ist etwas spät für einen Hausbesuch."

Er sagte kein Wort, sah sie nur an. Seine Augen erinnerten sie an den Moment, an dem sie ihn zu allererstenmal gesehen hatte: traurig... einsam... suchend... und fragend. Dieser Ausdruck in den Augen war es gewesen, der sie bei der Begegnung mit dem geklonten Jarod am meisten geschockt hatte - es war absolut der selbe gewesen.

"Was ist, hat es ihnen die Sprache verschlagen? Was machen sie hier?" sie hob die Waffe etwas höher, um ihren Worten mehr kraft zu verleihen.

Keine Antwort, keine Reaktion.

Miss Parker wurde langsam ungeduldig. Sie machte einige energische Schritte auf Jarod zu... doch irgendwie kam sie ihm dadurch kein Stück näher. Seltsam, das Zimmer war doch nicht so groß. Und er bewegte sich immer noch keinen Millimeter. Und doch blieb der Abstand zwischen ihnen gleich.

"Was geht hier vor?" Miss Parker ging schneller.

"Jarod?"

Er schaute sie nur an.

In ihr stieg eine Panik hoch, die sie sich nicht erklären konnte. Warum konnte sie ihn nicht erreichen? Die Waffe in ihrer Hand schien sie plötzlich nicht mehr zu interessieren, sie nahm sie runter und wechselte sie in ihre linke Hand. Die rechte streckte sie ihm entgegen. Er schien doch so nah zu sein, daß sie ihn erreichen konnte... Doch sie schaffte es nicht.

Er schaute überrascht auf ihre ausgestreckte Hand, dann wieder in ihre Augen. Sein Blick änderte sich etwas. Er schien einen Funken Hoffung und Freude hinein zu legen. Ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund, eigentlich nur eine Andeutung von einem Lächeln. Doch es war die erste Regung von ihm.

Langsam streckte er ihr seine rechte Hand entgegen.

Miss Parker versuchte sie zu greifen... Doch der Abstand war immer noch zu groß. Und er schrumpfte nicht, sondern schien auf einmal sogar anzuwachsen. Sie streckte sich, doch er entfernte sich weiter.

Das Lächeln verschwand, er ließ den Arm sinken, schaute sie wieder nur an. Dann drehte er sich um und ging davon.

"Jarod!!" rief sie ihm hinterher, doch er reagierte nicht. Dann verschwand er

"Jarod!!!!!"

Miss Parker schreckte auf und saß senkrecht in ihrem Bett. Sie brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was geschehen war.

'Es war ein Traum... nur ein Traum...' dachte sie überrascht. 'Aber es war so real! Ich habe zwar häufiger Alpträume, doch keiner war bis jetzt so... so erschreckend ´wirklich´...'

Ob er etwas zu bedeuten hatte?? Aber wieso? Hatte es vielleicht etwas mit ihrer besonderen Fähigkeit zu tun... Die, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte? Nein, sicherlich nicht! Wahrscheinlich waren ihr nur mal wieder Sydneys Sorgen und Broots Bericht über Lyles ´Handhabungen´ durch den Kopf gegangen.

Sie fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht und versuchte, ihren Puls wieder zu beruhigen. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, daß es 6:15 Uhr war. Eigentlich braucht sie heute erst um 9:00 Uhr im Büro zu sein. Doch sie war zu aufgewühlt um weiter zu schlafen. Also stand sie auf und ging duschen.







Miss Parker's Büro, 17. April, früher Nachmittag

Irgendwie schien kein Sinn in all den Informationen zu liegen, die sie auswerten sollte. Diese 'allzu leichte Aufgabe', die ihr Vater ihr zugeteilt hatte, war ein verworrenes Rätsel, das immer unsinniger wurde, je mehr Broots herausbekam. Der Hacker, der den Center-Code geknackt hatte und den sie aufspüren sollte, hatte wahllos Informationen und Dateien aus der Center-Datenbank kopiert und einiges noch hinzugefügt.

'Ist das hier eine Tauschbörse?? Ich klaue ein wenig von deinen Sachen, dafür schicke ich dir einige von meinen... Was soll das?' dachte Miss Parker verwirrt und schaute sich die Liste an, die Broots ihr ausgedruckt hatte. Sie starrte auf dieses verflixte Papier wahrscheinlich schon zum dreihundertsten mal. Doch sie kam genauso wenig weiter damit wie in der vergangenen Nacht.

Wodka und Schlafmangel taten ihr übriges, um sowohl ihre Konzentrationsfähigkeit als auch ihre Laune erheblich zu beeinträchtigen. Diese 'glücklichen' Momente, wenn der Alkohol den Verstand betäubte und man nicht mehr über sich und seine Zukunft - oder auch Vergangenheit - nachdenken mußte, hatten eben ihre Nebenwirkungen.

Broots hatte die Situation gleich richtig eingeschätzt, als er sie an diesem Morgen gesehen hatte. Deshalb hatte er seinen Bericht über die weiteren Fortschritte kurz gefaßt, es war eh nicht viel neues herausgekommen, und hatte sich dann schleunigst aus dem Staub gemacht. Seitdem saß Miss Parker allein in ihrem Büro und grübelte vor sich hin. Der Kopf wurde immer schwerer und irgendwie schienen selbst die Buchstaben auf dem Papier plötzlich keinen Sinn mehr zu ergeben.

Miss Parker legte kurz den Kopf in den Nacken, schüttelte ihn danach energisch und begann, den Papierstapel zu ordnen - zum 25-zigsten Mal an diesem Tag.

'O.k. Diese drei Seiten lese ich noch durch, dann kann ich sie in die Akte legen. Und danach gönne ich mir erst mal einen starken Kaffee. Der Rest muß halt warten.' grübelte sie und machte sich wieder an die Arbeit.

Sie wußte nicht, wie lange sie dort gesessen und gelesen hatte, doch plötzlich schreckte sie hoch und sah sich hektisch im Zimmer um. Da war wieder so ein Gefühl...

'Langsam dreh ich noch durch!' schimpfte sie mit sich selbst.

Als sie sich wieder den Unterlagen zuwandte bemerkte sie wieder aus den Augenwinkeln eine Bewegung... Und dann hörte sie eine Stimme... eine Stimme aus der Vergangenheit.

"Ich kann dich nicht begreifen!"

Miss Parker schaute hoch und erschrak, als sie ein kleines Mädchen in einem weißen Kleid am anderen Ende ihres Raumes stehen sah. "Faith!" hauchte sie überrascht.

"Wie kannst du hier sitzen? Warum hilfst du ihm nicht?" fragte das kleine Mädchen weiter, den Vorwurf deutlich hörbar in der Stimme.

Miss Parker wußte genau, von wem sie sprach. Sie stöhnte hörbar. "Ohh, warum können mich denn alle nicht in Ruhe lassen? Bin ich denn sein Kindermädchen?"

"Ich dachte, wir waren Freunde... ihr wart Freunde..." bohrte Faith weiter.

"Das ist doch schon ewig her... das... Ach, was mache ich denn hier überhaupt?? Schau mich an! Ich diskutiere mit dem Geist eines toten Mädchens..." Miss Parker schüttelte den Kopf. "Wahrscheinlich bin ich reif für die Couch."

"Ihr wart Freunde!" der Tonfall wurde eine Spur energischer... eindringlicher... "Du hast ihm vertraut und er hat dir vertraut. Selbst als du nicht mehr im Center warst hat er auf dich gewartet. Hast du das alles vergessen?"

Ein weiteres genervtes Stöhnen entfuhr Miss Parker.

"Hat das alles denn keine Bedeutung mehr??" fassungslos schaute Faith sie an.

"Schau mal, das ist doch alles schon ewig her. Und die Menschen verändern sich..."

"Ist das deine Ausrede?... Wovor hast du Angst? Daß du ihn vielleicht doch nicht haßt? Das du ihn vielleicht sogar mögen könntest?"

Miss Parker schaute sie fassungslos an. Ein ungutes Gefühl stieg in ihr hoch... Das Gespräch nahm eine Wendung, die sie ganz und gar nicht mochte...

"Das..." sie schüttelte verwirrt den Kopf. "Das ist doch Unsinn! So was hat keine Bedeutung mehr..."

Faith schaute sie eindringlich an. Ihr Blick war böse und vorwurfsvoll. Langsam und bestimmt sagte sie: "Jarod stirbt!"

Miss Parker riß die Augen auf und starrte sie an. Sie schnaubte mißbilligend. "So schnell stirbt er nicht. Ich meine, warum sollten sie das riskieren? Tot ist er ihnen nicht mehr viel wert..." Plötzlich wurde ihr bewußt, daß sie genau das selbe schon zu Sydney gesagt hatte.

Faith fixierte sie. Ihre Stimme war nun sehr anklagend. Ausgesprochen langsam sagte sie:. "Er stirbt! ... Jetzt! ... In diesem Moment!... "

In einem Wimpernschlag stand sie auf einmal ganz nah vor ihr. Der Blick war nun ebenso eisig wie ihr eigener immer war. Miss Parker schreckte zurück. "Und er stirbt allein... voller Angst... und Verzweiflung... Aber ich werde ihn nicht alleine sterben lassen. Wenn es soweit ist, werde ich da sein, um ihn mit mir zu nehmen... dann wird er nie wieder allein sein... wird bei Menschen sein, die ihn lieben..."

"Was....?" Miss Parker war fassungslos. "Wie meinst du das? Wie...?" doch Faith war verschwunden.

Miss Parker schreckte hoch. Sie war an ihrem Schreibtisch eingeschlafen.

Sie schaute sich beunruhigt um, doch das Zimmer war so leer, wie es vorher gewesen war. 'Es war nur ein Traum...' dachte sie. Nur ein Traum... aber stimmte das auch? Das ungute Gefühl blieb... und wollte sich nicht vertreiben lassen.

Sie stand auf und wollte sich einen Drink von der Anrichte in ihrem Zimmer holen. Doch mit dem leeren Glas in der Hand blieb sie stehen und starrte vor sich hin.

War es wirklich nur ein Traum gewesen?? Oder steckte mehr dahinter? Sie wußte, daß sie von ihrer Mutter eine besondere Gabe geerbt hatte - auch wenn sie noch nicht genau wußte, WAS das für eine Gabe war oder wie sie sie beherrschen konnte. Hatte es etwas damit zu tun? Hatte sie wirklich Faith gesehen? Das kleine Mädchen, daß sie in ihrer Jugend kennengelernt hatte und das vor 20 Jahre gestorben war? Oder war das nur ein Streich, den ihr ihr übermüdeter Verstand spielte.

Sie konnte sich nicht entscheiden.

Halbherzig goß sie sich den Inhalt einer der vorhandenen Flaschen ins Glas, ohne darauf zu achten, was sie denn da in der Hand hielt.

Sie stellte die Flasche wieder weg und hob, immer noch in Gedanken, das Glas an die Lippen.

'Und was ist, wenn es kein Traum war? Was ist, wenn es wirklich stimmt? Wenn er stirbt - und ich habe ihm nicht geholfen....'

Plötzlich, wie ein Blitz, durchzuckten sie Bilder aus der Vergangenheit: ihre erste Begegnung mit ihm - "bist du... ein Mädchen??" - sie mußte immer schmunzeln, wenn sie sich daran erinnerte; ihre verbotenen Besuche, weil er ihr leid tat so allein in diesen großen Labors und Simulationsräumen...und auch weil sie die Zeit mit ihm genoß; die kleinen heimlichen Ausflüge, wenn sie die Geheimnisse des Centers zu ergründen versuchten und die fast immer in einem Abenteuer endeten; die Art, wie er als Jugendlicher für sie da war, als ihre Mutter starb und auch sonst...

Das alles dauerte nur einen Augenblick... eine Sekunde, in der sie wie erstarrt mit dem vollen Glas an den Lippen dastand.

Dann faßte sie einen Entschluß. Energisch stellte sie das Glas auf die Anrichte, daß ein großer Teil des Inhalts auf das Holz schwappte, drehte sich mit fliegenden Haaren um und stürmte aus ihrem Büro. Als sich die Tür hinter ihr schloß, schaute sie hektisch nach allen Richtungen und ihr wurde plötzlich klar, daß sie ja gar nicht wußte, wo Jarod jetzt war.

Sam stand gerade im Gespräch mit einem anderen Sweeper im Gang. Er bemerkte Miss Parker, als sie aus ihrem Büro gestürmt kam und beobachtet ihre suchenden Blicke verwundert. Ihm waren zwei Dinge sofort klar. Erstens, daß etwas nicht stimmte, denn sonst wäre sie nicht so aufgebracht, und zweitens, daß er ihr helfen würde. Also ging er mit energischen Schritten zu ihr rüber. "Miss Parker! Stimmt etwas nicht?"

Sie erschraken, als jemand sie mit Namen ansprach. Doch plötzlich fiel ihr wieder ein, daß Broots ja Lyle hinterher spioniert hatte und... hatte er nicht etwas von SL 22 erwähnt? Es war zwar nur ein Strohhalm, aber besser als gar nichts.

Während sie im Laufschritt zu den Aufzügen eilte, rief sie über ihre Schulter: "Kommen sie mit, Sam!"

Der konnte sich zwar nicht erklären, was der Grund für diese plötzliche Aufregung war, doch er stellte keine Fragen. Das war nicht seine Aufgabe. Sam wußte, daß er nur hier war, um Befehle auszuführen. Also trabte er gehorsam hinter ihr her.

Miss Parker hämmerte nicht sehr geduldig auf den Fahrstuhlknopf und hatte das Gefühl, daß es mindestens 10 Minuten dauerte, bis der endlich kam. Hastig betrat sie ihn und ließ grad noch Sam hinter sich einsteigen. Zwei weitere Männer mit Anzügen und schwarzen Koffern hatte das zweifelhafte Vergnügen, einen ihrer berühmten Blicke zu ernten und mit einem schneidenden: "Hier ist besetzt!" unsanft aus dem Fahrstuhl geschoben zu werden.

Sam überkam immer mehr das Gefühl, daß etwas Großes im Gange sein müsse. Überrascht bemerkte er das Ziel ihrer Fahrt - SL 22. Er konnte sich nicht vorstellen, was Miss Parker dort wollte. Diese Ebene wurde so gut wie nie benutzt - zumindest wußte er nichts davon. Das mußte natürlich nichts heißen. Also schwieg er weiter und wartete, ob sie ihm Anweisungen geben würde. Doch noch sagte sie kein Wort, sondern starrte nur immer wieder zur Ebenen-Anzeige und machte ungeduldige Laute.

Endlich waren sie in SL 22 angekommen und Miss Parker stürmte aus dem Aufzug. Sam wollte hinter ihr her laufen und wäre fast in sie hinein gerannt, weil sie ganz abrupt stoppte und wieder hektisch von einer Seite zur anderen sah.

Miss Parker wurde jetzt richtig nervös. Sie war zwar auf der von Broots angegebenen Ebene, doch sie wußte nicht, wie es weiterging. Direkt vor dem Aufzug teilte sich der Gang auf, so daß man nach rechts oder links gehen mußte. Und nur wenige Meter weiter teilte sich diese Gänge weiter auf. Diese Ebenen im Center waren wie Labyrinthe... und wenn man sein Ziel nicht kannte, konnte man hier stundenlang rumlaufen und suchen.

"Miss Parker...?" kam seine Stimme von hinten. Doch sie ignorierte sie einfach.

Ihr Kopf flog wieder nach links und da sah sie auf einmal Faith. Sie schaute sie an und ging um eine Ecke.

Ohne weiter nachzudenken, rannte sie in diese Richtung und um die besagte Ecke. Hier stoppte sie wieder.

Sam war ihr gefolgt, doch hielt er jetzt einen kleinen Sicherheitsabstand. So schaffte er es diesmal, nicht von ihrem abrupten Stopp überrascht zu werden.

Miss Parker schaute den neuen Gang hinunter und sah wieder eine weiße Gestalt, die einige Meter vor ihr im eine weitere Ecke bog. Wieder spurtete sie hinterher, Sam im Schlepptau.

Dieses Spiel wiederholte sich einige Male und Miss Parker fragte sich langsam, ob sie denn je an ihr Ziel kommen würden. Doch hinter der nächsten Ecke änderte sich das Bild plötzlich. Mitten im Gang saß ein Sweeper auf einem Stuhl. Er bewachte offensichtlich etwas, daß hinter einer schweren Tür eingesperrt war.

Faith stand vor dieser Tür. Sie drehte sich kurz um und schaute Miss Parker traurig an, dann schritt sie durch die geschlossene Tür.

Miss Parker, inzwischen etwas außer Atem, ging eiligen Schrittes auf den dösenden Mann zu und riß ihn ziemlich unsanft aus seinen Tagträumen. Er erschrak, sprang auf die Beine und wollte schon nach seiner Waffe greifen, als er den `Störenfried` erkannte.

"Machen sie die Tür auf!" forderte Miss Parker ohne weitere Vorrede.

"Das... das kann ich nicht." stammelte der Mann.

"Was soll das heißen?" fuhr sie ihm schneidend ins Wort. "Sie haben doch wohl einen Schlüssel, oder?"

"Ja, ja natürlich, aber..."

"Na also, dann schließen sie auf!" sie verlor langsam die Geduld. Und die Zeit rannte ihr davon.

"Tut mir leid, Miss Parker, aber Mr. Lyle hat mir strikte Anweisungen gegeben, daß ich niemanden..."

"Das gilt ja wohl nicht für mich!" Miss Parker war inzwischen so weit, daß sie diesem Kerl am liebsten an die Gurgel gesprungen wäre.

"Hören sie!" flehte er, "Ich kriege riesigen Ärger mit Mr. Lyle, wenn ich jemanden da rein lasse."

"Nun..." ihre Augen funkelten, ihre Stimme wurde gefährlich leise und sie ging langsam auf ihn zu wie eine Raubkatze, die sich ihrem Abendessen nähert, "Sie glauben gar nicht, was für Ärger sie mit MIR bekommen werden, wenn sie nicht SOFORT diese Tür aufmachen!! Ich versprechen ihnen, mein Bruder ist ein Waisenknabe dagegen!"

Der Mann wurde blaß, schluckte trocken und schaute hilfesuchend zu Sam rüber. Doch der faßte, sozusagen als Unterstützung von Miss Parkers Worten, mit der Hand nach seiner Waffe und legte sein grimmigstes Gesicht auf.

Miss Parker schaute ihn kurz an und stellte mal wieder dankbar fest, daß Sam wirklich einer der wenigen Menschen im Center war, auf die sie sich verlassen konnte. Selbst wenn das heißen würde, sich mit Mr. Lyle oder Mr. Raines anzulegen.

Der andere gab sich schließlich geschlagen und kramte nach seinem Schlüsselbund. Miss Parkers Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sie konnte den Drang, den Mann zu packen, umzudrehen und zu schütteln bis ihm der verflixte Schlüssel aus der anscheinend endlosen Hosentasche fiel, nur schwer unterdrücken.

Endlich war der Schlüssel im Schlüsselloch. Miss Parker schob den Mann ungeduldig zur Seite, drehte den Schlüssel und betrat den Raum dahinter. Es war stockdunkel, warm und stickig. Sie hörte leises Stöhnen, Keuchen und ein... schabendes Geräusch. Also lebte er anscheinend noch.

Sie tastete nach einem Lichtschalter und wurde auch schließlich fündig. Das Beleuchtung bestand nur aus einer einsamen und ziemlich schwachen Birne an der Decke, die ein gespenstiges Licht im Raum verteilte... Oder das Licht war ganz normal und die Szene, die sich ihr bot war gespenstig... Der Atem stockte ihr, ihr Magen krampfte sich zusammen und die Nackenhaare stellten sich auf.





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Dies ist mein erstes FanFic und ich bin für jede Art von Feedback dankbar. Schreibt mir, ob es euch gefallen hat oder was ich besser machen soll. ;-)
Kapitel 2 by foxee
Rechtliche Hinweise: Die bekannten Charaktere der Fernsehserie The Pretender gehören wie jeder weiß MTM und NBC. Also dient meine kleine Geschichte keinerlei kommerziellen Zwecken, sondern dient nur der Unterhaltung... und zur Überbrückung der Wartezeit auf Neues von unserer beliebten Fernsehserie.
Spoiler: Bis zum Ende der vierten Staffel .






Der Pakt
© by Foxee

Kapitel 2






Jarod lag auf dem Boden. Er war auf die Seite gedreht und die Arme waren hinter dem Körper gefesselt. Auch die Beine waren zusammengebunden. Er trug eine schmutzige Hose und ein zerrissenes Hemd. Eine genauere Beurteilung seines Körpers konnte sie nicht vornehmen, da das Licht dafür zu schwach war.

Was aber sofort auffiel, war der dicke Knebel. Er schien ihn völlig am Atmen zu behindern... Miss Parker erwachte aus ihrer Starre. Er erstickte!! Seine Augen waren so verdreht, daß sie meinte, das Weiße darin zu sehen. Seine Nase war gebläht in dem verzweifelten Versuch, noch etwas Sauerstoff aufzunehmen. Juchzende und stöhnende Geräusche verrieten, daß diese Bemühungen nicht besonders von Erfolg gekrönt waren. Verzweifelt rieb er den Kopf auf dem harten Boden entlang nach hinten und versuchte so, den Knebel abzustreifen. Jedoch ohne Erfolg. Sein ganzer Körper bäumte sich bei diesen Versuchen auf und erzitterte vor Anstrengung und Panik.

"Oh mein Gott..." entfuhr es Sam, der sich hinter ihr in den Raum gequetscht hatte.

"Sam, helfen sie mir." Miss Parker eilte auf Jarod zu und kniete sich vor ihn. Vergeblich versuchte sie, den Knebel zu packen zu bekommen. Er schlug weiter mit dem Kopf und schien sie gar nicht zu bemerken.

"Jarod! Beruhige dich! Ich... will dir doch nur helfen..."

Sam kniete sich hinter ihn und versuchte, ihn festzuhalten. Miss Parker packte Jarods Kopf von vorn und versuchte es erneut.

Doch Jarods logischer Verstand war völlig ausgeschaltet, nur die pure Panik hielt ihn in ihren Krallen. Er wehrte sich jetzt verzweifelt gegen die festen Griffe, die ihn gepackt hatten und bekam durch die zusätzliche Anstrengung immer weniger Luft.

Miss Parker zog und zerrte verzweifelt am Knebel, doch er rührte sich kein Stück. Derjenige, der ihn angebracht hatte, wollte offensichtlich ganz sicher gehen, daß er auch richtig saß.

"Miss Parker! Halten sie seinen Kopf ganz fest" hörte sie plötzlich Sam sagen. Als sie überrascht aufblickte, sah sie, wie er ein Schweizer Taschenmesser aus der Tasche zog. Sie nickte und packte Jarods Kopf energisch. Beunruhigt bemerkte sie, daß seine Gegenwehr immer weniger wurde.

Sam zog am Knebel und begann ihn durchzuschneiden. Er ging dabei nicht besonders sanft vor, doch in diesem Fall sagte Miss Parker nichts dagegen.

Schließlich war es geschafft. Miss Parker zog den Knebel aus Jarods Mund und entfernte auch den Stoff-Fetzen, der geknäult in seinen Mund gestopft worden war. Kein Wunder, daß er keine Luft mehr bekam... Wie lange er wohl so gelegen hatte?

Jarod hustete, keuchte und sog mit einem juchzenden Geräusch die Luft ein.

Auf einen Wink von Miss Parker schnitt Sam auch noch die Seile an Jarods Händen und Füßen durch.

Aber seine Arme waren vom langen Liegen in dieser unbequemen Position so taub, daß er sie kaum bewegen konnte. Miss Parker half ihm und zog sie in eine etwas bequemere Stellung. Immer noch hatte sie nicht das Gefühl, daß er sich ihrer Anwesenheit bewußt war.

"Hören sie, sie können doch nicht einfach...! Ich werde Mr. Lyle berichten, daß..." kam eine zittrige Stimme von der Tür.

Miss Parker stand auf, machte einige Schritte und packte den Mann am Kragen. "Jetzt hören sie mal zu! Er wäre fast erstickt! Und sie Trantüte haben hier gesessen und vor sich hin gedöst! Wenn ich das dem Triumvirat erzähle, dann sind sie geliefert, klar! Ich meine, dann gibt es nicht einfach eine Verwarnung oder so... Ich werde dafür sorgen, daß sie die volle Verantwortung dafür übernehmen!! Wissen sie, was das für sie heißt?"

Jegliche Farbe wich aus dem Gesicht des armen Mannes. Er war noch nicht sehr lange im Center und hatte schließlich nur Mr. Lyles Anweisungen befolgt. Doch er hatte schon eine Menge Gerüchte über das Triumvirat gehört... und was mit Leuten geschah, die ihren Unwillen erregten.

Sam drängte den Mann aus dem Zimmer und behielt ihn im Auge. Miss Parker wandte sich wieder Jarod zu. Der hatte sich inzwischen mit der restlichen ihm verbliebenen Kraft zu einer Art Ball zusammengerollt, Arme und Beine dicht an den Körper gezogen. Er atmete immer noch sehr schnell, schwer und keuchend und er zitterte am ganzen Körper.

Miss Parker beobachtete ihn eine Weile, dann blickte sie auf einmal auf und betrachtete das Zimmer kritisch. Sie konnte ihn doch nicht hier lassen... in diesem Loch! Außerdem würde Lyle bestimmt bald auftauchen. Spätestens, wenn es wieder Zeit war für die täglichen Folter-Spielchen. Aber... jede Einmischung von ihr konnte sie den Kopf kosten... Jarod war eines der wichtigsten Projekte des Centers, wenn nicht sogar DAS wichtigste. Andererseits....

'Verdammt noch mal! Jetzt hab ich mich eh schon eingemischt, jetzt bringe ich das auch zu Ende! Ich werde doch nicht vor Lyle den Schwanz einziehen!' dachte sie energisch und faßte eine Entscheidung.

"Sam! Bringen sie mir einen Rollstuhl."

Der Sweeper sah sie verständnislos an. Dann dämmerte es ihm und seine Augenbrauen wanderten noch ein Stück höher.

"Sie wollen doch nicht..." piepste der andere verzweifelt. Doch sie ignorierte ihn einfach.

"Hier wird es doch wohl irgendwo einen geben. Nehmen sie ihn mit." sie zeigte mit dem Daumen auf die blasse Gestalt, die versuchte, sich unauffällig zu verdrücken. "Und passen sie auf ihn auf. Ich will nicht, daß er uns Lyle auf den Hals hetzt."

Sam nickte, verzichtete wieder darauf eine Erklärung von ihr zu kriegen, packte den anderen unsanft am Ärmel und verzog sich.

Miss Parker wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Jarod zu. Sie kniete sich vor ihn und streckte die Hand aus, um ihn anzustupsen... Vielleicht bemerkte er sie ja jetzt, wo er etwas Zeit zum Erholen gehabt hatte.

Jarod sah sie durchaus... aus den Augenwinkeln... Er sah die Hand auf sich zukommen... und versuchte ihr mit einem leisen Wimmern zu entfliehen. Da er jedoch nicht genug Kraft dafür hatte, konnte er gerade mal einige Zentimeter nach hinten ausweichen.

Miss Parker erstarrte in ihrer Bewegung als Jarod ängstlich vor ihr zurückwich. Zwei braune Augen beobachteten sie und flackerten panisch bei jeder Bewegung ihrer Hände.

'Was hat Lyle nur mit dir gemacht?' dachte Miss Parker voller Horror... vielleicht wollte sie das besser nicht wissen.

Ohne Nachzudenken fiel sie in einen beruhigenden Tonfall. "Es ist alles o.k., Jarod. Ich bin es, Parker. Keiner wird dir was tun..."

Vorsichtig streckte sie wieder die Hand aus. Jarod zuckte kurz, als sie ihn berührte und gab ein kurzes Wimmern ab, versuchte aber nicht mehr, vor ihr zu fliehen. Sie ließ ihre Hand auf seiner Schulter ruhen. Eigentlich wußte sie gar nicht, was sie jetzt tun sollte. Seine Augen waren inzwischen von ihren Händen zu ihrem Gesicht gewandert und er starrte sie an... ängstlich... aber mit einer Spur Hoffnung...

Da sie sich in einer sehr unbequemen Hockposition befand und ihre Knie langsam protestierte, setzte sie sich erst mal auf den Boden vor ihm. Jarod lag immer noch zusammengerollt da. Ein wenig erinnerte er sie an ein Kind, daß aus einem Alptraum aufwacht und nun Schutz sucht.

Während sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen und einen Plan auszuarbeiten, begann ihr Hand eine Art Eigenleben zu entwickeln. Zuerst beschränkte sie sich darauf, beruhigend über seine Schulter zu streichen. Offensichtlich mochte er das, denn er entspannte sich ein wenig und atmete jetzt etwas ruhiger. Dann wanderte die Hand höher, strich eine kurze aber widerspenstige Haarsträhne aus seinem Gesicht. Als sie begann, in ruhigen Bewegungen über seinen Kopf zu streicheln, schloß er die Augen.

Miss Parker wurde sich auf einmal bewußt, was sie tat und war überrascht über sich selbst. Doch sie hörte nicht auf. Seine Gesichtszüge entspannten sich weiter und man hätte fast denken können, er schliefe ein. Doch plötzlich öffnete er die Augen und sah sie fragend an. Miss Parker fühlte sich irgendwie, als wäre sie bei einer unerlaubten Handlung ertappt worden und wollte schon die Hand wegziehen, doch sein Blick fesselte sie und - sie wußte nicht warum - sie wollte ihre Hand nicht wegziehen.

Jarod öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber zuerst kam nichts als ein tonloses Keuchen heraus und dann etwas, daß an ein gekrächztes "Miss Parker" erinnern konnte.

"Pscht. Ist schon gut. Versuch, dich nicht gleich zu überanstrengen..." flüsterte sie ihm zu.

'Seid wann bin ich denn so fürsorglich?' dachte sie plötzlich.
Er hustete, wollte es noch einmal versuchen, wurde jedoch von einem schweren Husten-Anfall gepackt, der seinen Körper wieder schüttelte. Miss Parker zog überrascht die Hand weg. Als der Anfall abebbte, legte sie in einer automatischen und unbewußten Bewegung ihre Hand auf seine Stirn.

"Du glühst ja!" keuchte sie. Nicht nur, daß er hier gefesselt und geknebelt auf dem Boden einer schmutzigen kleinen Zelle lag... er hatte auch noch Fieber... sehr hohes Fieber sogar! Ihr Entschluß, ihn aus diesem Zimmer wegzubringen, erhärtete sich immer mehr. Und auf einmal wußte sie auch genau, wohin sie ihn bringen würde! Das würde zwar Riesenärger geben, aber das war ihr jetzt egal. Wenn ihn Lyle nicht mit dem Knebel ersticken würde, dann würde ihn bei seiner Fürsorge sicher das Fieber hinweg raffen.

Ihre Hand lag immer noch auf seiner Stirn. Jetzt wanderte sie zu seiner Wange, testete auch hier die Temperatur. Er schloß die Augen und genoß ihre kühle Hand auf seiner Haut.

Daß er so sichtlich ihre Berührung genoß, rief in Miss Parker plötzlich an ganz seltsames Gefühl hervor. Wieder sammelte es sich in ihrer Magengegend, doch diesmal war es kein Krampf oder ein Kloß... nein, dieses Gefühl war leichter... angenehm... ein wenig kribbelig... Als sie versuchte, es zu ergründen, erschrak sie über sich selber.

'Reiß dich zusammen! Du bist doch kein Teenager!! Ich meine... Nicht mal als Teenager hast du für solche... Gefühlsdusseleien Zeit gehabt... ... und auch keine wirkliche Gelegenheit...' niedergeschlagen dachte sie an die ersten Männer, in die sie sich verliebt hatte. Gleich der erste war eine Lektion fürs Leben gewesen. Er hatte ihr seine Gefühle nur vorgespielt, hatte sie benutzt und wollte durch sie Karriere im Center machen. Leider erfuhr sie davon erst spät... und auf eine sehr schmerzhafte Weise.

Warum dachte sie jetzt daran, was sie alles verpaßt hatte??... als Teenager... und junge Frau...?? Das hier war doch keine Disko, in der man Bekanntschaften machte... und... Warum war da immer noch dieses Kribbeln...?

'Gleich behauptest du noch, das seien `Schmetterlinge im Bauch`' begann sie eine interne Diskussion und schollt sich selber für diese Behauptung.

Sie wollte die stumme Redeschlacht schon weiterführe, als sie spürte, wie Jarod seine Hand auf ihre legte... auf die Hand, die immer noch auf seiner Wange lag.

Er schaute sie wieder an und irgendwie... beziehungsweise irgendwo in seinen tiefen braunen Augen schien sie sich zu verlieren. Sie konnte sich an vieles erinnern aus ihrer Kindheit und ihrer Zeit mit Jarod, aber nicht, daß seine Augen so tief und fesselnd wirkten... und das Kribbeln noch weiter verstärkten.

Sie wußte nicht, wie lange sie dort gesessen hatte und einander in die Augen sahen... doch es konnte, wie sie später von Sam erfuhr, nicht sehr lange gewesen sein. Trotzdem kam ihr dieser Moment wie eine Ewigkeit vor... und irgendwie wünschte sie sich, daß er noch etwas länger dauerte.

Plötzlich hörten sie vor der Tür ein leises Quietschen und zwei Stimmen. Sie löste ihren Blick von Jarod und schaute erschrocken zur Tür, bevor ihr einfiel, daß Sam ja mit dem Rollstuhl zurückkommen sollte. Sie überlegte, wie sie ihre Hand wieder von Jarods Wange bekommen sollte, ohne ihn durch diese Geste zu verletzen, doch er nahm ihr diese Last ab, indem er seine Hand von ihr löste und versuchte, sich ein wenig hoch zu stemmen.

Sam betrat den Raum und sah, wie Jarod Anstalten machte, sich auf Miss Parker zu stürzen - zumindest aus seiner Sicht der Dinge- die ihm und dem winselnden Etwas von einem Sweeper hinter ihm den Kopf zuwandte. Sofort griff Sam nach seiner Waffe und machte einen energischen Schritt nach vorne.

Miss Parker beobachtete ihn überrascht und bemerkte den grimmigen Gesichtsausdruck, mit dem er Jarod fixierte. Sie drehte sich zu Jarod, der es gerade mal mit viel Anstrengung geschafft hatte, sich halbwegs hinzusetzen und dann die Panik, die erneut in seinen Augen aufblitzte, als er ihren stämmigen Sweeper mit schnellen Schritten auf sich zu stürmen sah, eine Hand an der Waffe, die andere geballt.

"Sam!" Miss Parkers gebieterischer Tonfall ließ ihr sofort stoppen. "Bringen sie den Rollstuhl rein und helfen sie mir." Er schaute noch einmal warnend zu Jarod, dann ließ er die rechte Hand wieder sinken und marschierte wieder zu Tür.

Jarod drehte den Kopf und schaute Miss Parker verwirrt an. "Wofür...?" krächzte er. "Wofür ist der Rollstuhl?"

Miss Parker versuchte in ihre alte Rolle zurück zu finden und antwortete. "Na, als Genie solltest du das doch eigentlich wissen."

Sie sah den verletzten Gesichtsausdruck und bereute ihre schnippische Antwort sofort wieder. Doch statt noch etwas zu sagen, stand sie auf und ging zu den beiden Männern vor der Tür.

"Halten sie das für eine gute Idee?" fragte Sam endlich. "Ihn von hier weg zu bringen, meine ich. Er könnte auf dem Weg versuchen, zu fliehen. Das hat er früher schon getan..."

Miss Parker schüttelte den Kopf. "Ich denke nicht, daß es kein Problem geben wird. Ich glaube, er ist ziemlich schwer krank... Er hat hohes Fieber, wirklich hoch... Und er ist so schwach, daß er nicht mal allein auf den Beinen stehen kann. Nein, ich denke, er wird keine Schwierigkeiten machen."

Sam nickte und schob den Rollstuhl ins Zimmer. Miss Parker folgte ihm. Er packte Jarod unter dem rechten Arm und zog in hoch. Doch der knickte gleich wieder ein, obwohl Miss Parker sah, daß er sich anstrengte. Sie schob den Rollstuhl noch etwas näher und übernahm seine linke Seite. Als er endlich saß, sackte er in sich zusammen und wollte erleichtert lufthohlen, doch er wurde von einem erneuten Husten-Anfall gepackt. Als er sich etwas beruhigt hatte, wollte Sam seine Arme mit Lederriemen an die Armstützen des Rollstuhls fesseln, doch Miss Parker gab ihm ein Zeichen, es nicht zu tun. Sam betrachtete Jarod kritisch und kam zu dem Schluß, daß er wirklich elend aussah und Miss Parker mit ihrer Schlußfolgerung vermutlich recht gehabt hatte.

Miss Parker ging wieder aus dem Zimmer und Sam folgte ihr mit dem Rollstuhl. Der jüngere Sweeper stand immer noch etwas verloren im Gang und wußte nicht so recht, was er tun sollte. Miss Parker nahm ihm die Entscheidung ab: sie packte ihn, schaute ihm warnend in die Augen und sagte nur: "Zu den Aufzügen."

Der andere ergab sich in sein Schicksal und ging voran.

+++

In einem dunklen Zimmer betrachtete jemand die kleine Gruppe auf ihrem Weg durch die Flure von SL 22 auf einem Monitor, genauer gesagt, auf zwei Monitoren. Er verschränkte die Hände vor dem Gesicht - das man bis auf schemenhafte Umrisse nicht sehen konnte - und tippte die zwei Zeigefinger aneinander. Dann drückte er einige Tasten und spulte das Bild auf dem zweiten Bildschirm wieder zurück. Erneut schaute er sich die ganze Szene in der kleinen Zelle an, speziell den Teil, als Jarod und Miss Parker dort allein waren. Wieder tippten die Zeigefinger aufeinander.
"Hm... hm..." einige zufriedene Brummer begleiteten das leichte Grinsen, daß sich über dem Gesicht ausbreitete. Noch während er auf dem ersten Monitor das aktuelle Geschehen wieder verfolgte, griff er zum Hörer...

+++

Der kleine Trupp war inzwischen auf der von Miss Parker gewählten Ebene angekommen und bog in einen Gang ein. Sam hatte inzwischen einen Verdacht, wohin sie Jarod bringen wollte. Und er wurde bald bestätigt, als Miss Parker vor einer Tür anhielt und diese öffnete.

"Ich bin nur froh, daß die sich offensichtlich nicht die Mühe gemacht haben, das Zimmer abzuriegeln..." murmelt Miss Parker und ging voran.

Sam schob den Rollstuhl mit dem sehr ruhigen Jarod ins Zimmer. Erst als der Sweeper ihn anstupste und aus dem Sitz half, hob Jarod den Kopf und schaute sich seine Umgebung an. Erstaunt riß er die Augen auf und wäre fast über seine eigenen Beine gestolpert. Sam brummte etwas nicht sehr nettes und bugsierte ihn aufs Bett. Dort blieb er sitzen und schaute ungläubig auf den Mann vor ihm. Der hatte allerdings kein Interesse daran, mit ihm zu reden. Statt dessen sah er Miss Parker fragend an und wartete auf weitere Instruktionen.

Die überlegte kurz... "Sam, bringen sie den Rollstuhl weg und holen sie mir einen Arzt her."

Der Sweeper nickte, beschloß, sich heute nicht weiter über ihr Verhalten zu wundern, und trottete, immer noch den anderen Mann im Schlepptau, davon.
Jarod schaute Miss Parker verwirrt an.

Die konnte sich schon denken, was er sagen wollte. "Schon gut, Jarod. Ich denke, du solltest dich jetzt erst mal ausruhen..."

Sie suchte nach einem Kleiderschrank und kramte ein wenig darin herum.

"Ich möchte nicht, daß sie meinetwegen Ärger kriegen." kam auf einmal Jarods Stimme vom Bett her.

Miss Parker schaute ihn überrasch an. "Ähm... ich kriege das schon hin. Keine Sorge." Sie ging zu ihm und gab ihm etwas in die Hand. Überrascht stellte er fest, daß es einer seiner alten Schlafanzüge war. "Du willst dich doch nicht mit den schmutzigen Sachen ins Bett legen."

Jarod bemerkte, daß das Fieber seinen logischen Verstand doch erheblich beeinflußt haben mußte, denn er konnte sich nicht erklären, warum sie ihn hierher gebracht hatte und...

Als würde sein Körper automatisch auf ihre Befehle gehorchen begann er, sich das Hemd auszuziehen. Er keuchte kurz und sein Gesicht verzerrte sich schmerzvoll.

Miss Parker, die sich umgewandt hatte, damit er sich umziehen konnte, drehte sich überrascht um und beobachtete, wie er einige Verrenkungen vornahm, um das Hemd über seinen Kopf zu ziehen. Als er es endlich geschafft hatte war sie es, die scharf die Luft einsog. Zum ersten Mal konnte sie einen genauen Blick auf seinen Körper werfen... und die Spuren, die Lyle in den letzten Wochen hinterlassen hatte. Sie hatte ja schon vorher das Gefühl gehabt, Jarod sei etwas dünner als vorher. Doch nun sah sie, daß er etliche Kilo verloren hatte... er sah richtig dünn und ausgezehrt aus. Doch das war nicht das Schlimmste. Schockiert betrachtete sie seinen Rücken, der von blau-roten und anderen, inzwischen abblassenden Flecken übersäht war. Rote und zum Teil blutige Striemen zogen sich kreuz und quer über die Haut. Auch kleinere Brand und Schnittwunden konnte sie sehen.

Jarod hatte ihre Reaktion bemerkt und schaute verlegen auf den Fußboden.

Sie ging um das Bett herum und betrachtete ihn von vorne. Auch hier bot sich fast das gleiche Bild. Außerdem gesellte sich eine ziemlich schmerzhaft aussehende, dunkel violette Beule über seinem rechten Brustkorb hinzu, die darauf hindeutete, daß eine oder mehrere Rippen angeknackst, vielleicht sogar gebrochen waren.

Immer noch starrte er auf den Fußboden.

"Jarod..." hauchte sie. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte.

Zögernd legte sie ihm die Hand auf die Schulter. Was hatte sie gedacht? Sie hatte ihn 4 Jahre lang gejagt und versucht, ihn ins Center zurück zu bringen. Sie hatte nie darüber nachgedacht, was hier mit ihm geschehen würde. Er hatte so oft gesagt, daß er nie wieder für das Center arbeiten würde... Hatte sie angenommen, daß das Center das so einfach akzeptieren würde...? Broots hatte ihr erzählt, daß Lyle schon mal versucht hatte, Jarod zu brechen... Sie hatte es verdrängt... Nun sah sie es mit eigenen Augen.

Jarod schloß die Augen. Dann hob er den Kopf und sah sie an... und sah eine Träne, die sich aus ihrem Auge stahl und langsam die Wange herunter lief.

'Es tut mir leid.' Wollte sie sagen. 'Es tut mir so leid!' Doch kein Wort kam über ihre Lippen.

Jarods Blick änderte sich. Er schaute sie sanft an, als wollte er sie trösten... als wollte er ihr sagen, daß alles ok war... daß er nicht ihr die Schuld gab... daß er froh war, daß sie jetzt hier war...

Und Miss Parker verstand ihn irgendwie...

Langsam hob er die rechte Hand und wischte ihr mit dem Rücken des Zeigefingers vorsichtig die Träne vom Gesicht. Dann drehte er seine Hand und legte die Handfläche auf ihre Wange... so wie sie es getan hatte in der kleinen Zellen.

Er wäre vermutlich liebend gern eine Weile so sitzen geblieben und hätte darauf gewartet, was sie tat oder sagte, doch es kam nicht so. Wieder packte ihn ein starker Husten und schüttelte seinen Körper, daß Miss Parker fast Angst hatte, daß er vom Bett fiel. Er stützte sich mit den Armen auf der Bettkante ab und krallte verzweifelt die Hände ins Bettlaken. Der Husten war so mächtig und lang anhaltend, daß er beinahe wieder das Gefühl bekam, zu ersticken. Er bekam zwischen den einzelnen Attacken gerade mal genug Luft, um nicht blau anzulaufen.

Miss Parker fühlte sich grauenvoll, daß sie nur daneben stehen und ihm nicht helfen konnte.

Schließlich ließ der Husten nach und Jarod sackte erschöpft in sich zusammen und ließ den Kopf hängen.

"Geht's wieder?" fragte sie besorgt und Jarod nickte mit dem Kopf. "Na los!... Dann zieh dir endlich den Pyjama an und leg dich ins Bett!"

Jarod mußte trotz seiner elenden Lage über ihren gebieterischen Tonfall grinsen...doch sie konnte es nicht sehen, da er immer noch den Kopf gesenkt hielt. Wer hätte gedachte, daß er mal SO einen Befehl von ihr bekommen würde. Er war sicher, daß es viele Männer gab, die ihr Leben lang davon träumen. Normalerweise hätte er ihr jetzt sicher eine entsprechende Bemerkung gegeben, aber er verkniff es sich. Sein Gehirn arbeitete eh im Moment nur auf Sparflamme und er wollte sich nicht mit ihr auf ein Rededuell einlassen.

Statt dessen beschränkte er sich darauf den Kopf zu heben und "Ja, Ma'am!" zu sagen wie ein braver Soldat.

Doch Miss Parker entging natürlich nicht der verschmitzte Zug um den Mundwinkel und das schelmische Leuchten in seinen Augen. Sie hatte sich selbst nach ihrem `Befehl` auf die Zunge gebissen... Aber irgendwie tat es doch gut zu sehen, daß in diesem zerschundenen Körper immer noch der selbe Jarod steckte. Also hatte Lyle sein Ziel, aus ihm eine willenlose Marionette des Centers zu machen, noch nicht erreicht!

Sie drehte sich wieder um und ging im Raum umher. Erst als sie hörte, wie die Matratze leise quietschend unter ihm nachgab, ging sie zurück zum Bett.

Jarod gab ein zufriedenes Stöhnen von sich, als sein Kopf das weiche Kissen berührte und schloß die Augen. Hätte ihm jemand vor einigen Wochen gesagt, daß er mal überglücklich sein würde in seinem alten, verhaßten Zimmer im Center zu sein, dann hätte er ihn wahrscheinlich für verrückt erklärt. Doch jetzt war alles, was er wollte, nur noch dieses Bett und eine Woche lang schlafen. Betrachtete man die Tatsache, daß er nach dem Aufwachen vermutlich wieder in Lyle's sadistisch grinsendes Gesicht sah, so hatte er auch nichts dagegen, ewig zu schlafen. Einfach einschlafen und nicht mehr aufwachen...

Doch seine Pläne wurden durch ein zaghaftes Klopfen unterbrochen.

Miss Parker ging zur Tür und öffnete sie, die rechte Hand hinter ihrem Rücken an der Waffe. Doch sie ließ sie schnell sinken, als sie den Mann hinter der Tür erkannte.

"Kommen sie rein, Doktor. Ihr Patient liegt da drüben."

Der Arzt trat zaghaft ins Zimmer und schaute erst Jarod und dann Miss Parker mit einem verwirrten und fragenden Blick an. Obwohl Sam ihm grob geschildert hatte, worum es ging, konnte er es wohl doch nicht so recht glauben.

Miss Parker warf ihm einen ihrer `mach-dich-an-die-Arbeit-sonst-helf-ich-nach - Blick` zu und überzeugte ihn so ziemlich schnell davon, daß er wohl besser nicht nur dumm rumstehen sollte. Also wandte er seine Aufmerksamkeit wieder seinem Patienten zu. Er setzte sich auf die Bettkante und begann mit seiner Untersuchung. Dann half er Jarod beim Aufsetzen und bat ihn, sein Oberteil auszuziehen. Es sagte zwar nichts über die vielen Verletzungen, aber im Stillen schauderte es ihm. Er hatte Mr. Lyle noch nie gemocht. Seit der ersten Begegnung mit ihm hatte er Angst vor diesem Mann. Aber er war sehr mächtig im Center und dem Arzt würde es nicht im Traum einfallen, etwas gegen ihn oder seine ´Arbeit´ zu sagen.

Er horchte Jarod lange und gründlich ab, was durch einige Husten-Anfälle erschwert wurde. Dann untersuchte er die Verletzung an der Rippe. Nachdem er sie sich sehr genau angesehen hatte, kramte er in der Tasche, die er mitgebracht hatte und holte ein Fieberthermometer heraus. Jarod legte sich wieder hin und steckte es in den Mund. Dann schloß er erschöpft die Augen. Nach kurzer Zeit piepste das Thermometer und er gab es dem Arzt zurück. Der laß die Temperatur ab, brummte etwas vor sich hin und stand wieder auf.

"Nun... Er hat eine Lungenentzündung, Wie schwer, kann ich ohne weitere Hilfsmittel nicht sagen, aber das ist kein einfacher kleiner Husten! Das Fieber ist sehr hoch, 40,3°C, dagegen müssen wir was machen. Und außer den... ähm offensichtlichen oberflächlichen Verletzung, die alle durch... *räusper*... äußere Gewalteinwirkung entstanden sind..." Miss Parker mußte über seine verlegene Umschreibung grinsen, "hat er höchst wahrscheinlich eine oder mehrer gebrochene Rippen. Außerdem scheint er an Unterernährung, Vitaminmangel und Dehydratation zu leiden..."

Auf eine fragend erhobene Augenbraue von Miss Parker ergänzte er schnell: "Ähm...Flüssigkeitsmangel."

Miss Parker nickte. "Gut, das meiste hab ich mir selbst so zusammengereimt, dafür brauch ich keinen Doktortitel. Also, wie geht's weiter?"

Da der Arzt noch nie mit Miss Parker zusammengearbeitet hatte, war er über ihre gereizte Art sehr verunsichert. "Ähm.... Es besteht wohl nicht die Option, ihn auf die Krankenstation zu verlegen, damit wir ihn dort adäquat versorgen..."

"Nein!" Die Antwort war knapp und klar. Miss Parker war sich absolut sicher, daß NIEMAND aus der oberen Etage es gutheißen würde, Jarod auf die `relativ` ungesicherte Krankenstation zu verlegen, nachdem sie ihn aus Lyles Hochsicherheitszelle rausgeholt hatte...Das war zu gefährlich. Außerdem hatte sie hier unten mehr das Gefühl, die Situation unter Kontrolle zu haben. UND es wußte bis jetzt noch niemand etwas von Jarods kleinem Umzug - zumindest hoffte sie das... Dadurch hatte sie vielleicht die Chance zuerst mit ihrem Vater zu sprechen, bevor Lyle die Möglichkeit dazu hatte. Vielleicht konnte sie ihn ja überzeugen, Jarod hier zu lassen und... nun ja, ihn vielleicht wieder in Sydney's Obhut zu übergeben.

"Tja..." der arme Arzt versuchte schnell umzudenken, "O.k. Ich könnte das mobile Röntgen-Gerät hier nach unten holen, um eine Aufnahme von seinem Brustkorb zu machen. Das ist zwar nicht so optimal wie das normale Standgerät..."

"Tun sie das!"

"Gut... Nun, ich denke, wenn wir alles notwendige hier runter bringen, müßte es auch gehen. Infusionsständer und so..." er nickte, "Dann mache ich demnächst also auch `Haus-Besuche`"

Sein Grinsen über den, wie er dachte gelungenen Scherz quittierte Miss Parker nur mit einem kühlen Blick.

"Schaffen sie alles hier runter. Möglichst unauffällig. Ich will nicht, daß gleich das ganze Center Bescheid weiß, daß er hier ist. Ist das klar?"
Der Arzt nickte und verließ den Raum.

Miss Parker seufzte und wandte sich wieder Jarod zu. Überrascht stellte sie fest, daß er bereits tief und fest schlief.

‚Na ja, vermutlich ist schlafen jetzt das Beste für ihn.' dachte Miss Parker.

Allerdings sah es nicht so aus, als hätte er schöne Träume. Er drehte den Kopf von einer Seite zur anderen und kniff immer wieder die Augen zu. Schweißperlen rannen ihm das Gesicht runter.

Miss Parker zögerte kurz, dann ging sie ins Badezimmer. Sie nahm ein Schüssel aus dem Schränkchen und füllte sie mit kaltem Wasser. Auf dem Weg zurück schnappte sie sich noch zwei kleinere Handtücher und warf sie sich über die Schulter. Sie setzte die Schüssel auf den Nachttisch neben Jarods Bett und tunkte eines der Handtücher hinein. Dann faltete sie es und legte es auf Jarods Stirn. Seine Haut war wirklich unglaublich heiß. Schon nach wenigen Augenblicken konnte sie die Hitze durch das inzwischen nicht mehr sehr kalte Tuch spüren. Also nahm sie es wieder weg und tauchte es erneut in die kalte Flüssigkeit. Diesmal legte sie es ihm nicht einfach auf die Stirn, sondern tupfte seine Stirn und Wangen ab.

Er öffnete wieder die Augen und schaute sie traurig an. "Sie... sie müssen das nicht machen, wenn sie..."

"Wenn ich etwas machen MÜSSTE," unterbrach sie ihn mit nachdrücklicher, aber sanfter Stimme, "was ich nicht WOLLTE, dann würde ich es auch nicht machen."

Jarod schaute sie überrascht an. "Warum...?" begann er doch sie unterbrach ihn wieder

"*Sch* Mußt du denn immer fragen? Warum machst du nicht einfach die Augen zu und versuchst ein wenig zu schlafen."

Diesem Vorschlag kam Jarods Körper fast ohne zutun seines Gehirns nach.

"Und versuch, von etwas anderem als von Lyle zu träumen." flüsterte sie.

Verwundert öffnete er wieder die Augen und sah überrascht, daß sie ihn anlächelte.

"Ich meine, es gibt doch bestimmt bessere Dinge, von denen man träumen kann, oder?" fragte sie mit einem Zwinkern und drehte sich um, um das Handtuch wieder in das kalte Wasser zu tauchen.

Jarod schaute sie noch immer an, als sie ihm den kalten Umschlag wieder auf die Stirn legte. Erst als sie in Schullehrer-Manier den Finger hob, schloß er die Augen und beschloß, von ihr zu träumen... von ihrem Gesicht, als sie ihn angelächelt hatte...

Miss Parker merkte bald, daß Jarod wirklich eingeschlafen war. Wieder legte sie einen neue kühlen Umschlag auf seine Stirn und ertappte sich selbst dabei, daß sie gedankenverloren in sein Gesicht starrte. Entsetzt über sich selbst stand sie auf und ging im Raum umher. Da spürte sie ihr Handy in der Jacke vibrieren. Sie war froh, daß sie es heute morgen lautlos gestellt hatte, sonst hätte sie Jarod bestimmt wieder aufgeweckt.

"Parker!" meldete sie sich so forsch und trotzdem so leise es ging und wurde im nächsten Moment blaß.

"Ja Daddy! Ja... ja das stimmt, ich hab... Warte, laß mich doch erst mal erklären... Nein! Ich... Aber Daddy!... Natürlich... Ich komme sofort." sie ließ den Arm sinken und schloß die Augen. Das war's. Ihre einzige Chance, ihren Vater rechtzeitig zu erwischen war dahin. Lyle hatte erst die leere Zelle und dann seinen eingeschüchterten Sweeper gefunden und von ihm alles erfahren... Es war ein Wunder, daß er nicht sofort angestürmt gekommen war und seinen entführten Gefangenen persönlich wieder in Gewahrsam genommen hatte. Statt dessen war er sofort zu ihrem Vater gelaufen. Und nach dessen Stimme zu urteilen, war der mit den Extratouren seiner Tochter überhaupt nicht einverstanden! Was sollte sie jetzt tun? Nun, sie hatte keine große Wahl. Sie mußte sich in die Höhle des Löwen begeben und sich dem Problem stellen.

Sie schaute noch einmal auf den schlafenden Jarod, dann verließ sie den Raum.
Vor der Tür hatte Sam Posten bezogen, obwohl sie ihm gar nicht den Befehl dazu gegeben hatte. Sie nickte ihm zu und marschierte zu den Aufzügen.

... Fortsetzung folgt





An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Nicolette, daß sie mir die Möglichkeit gegeben hat, meine Story in ihrem Archiv zu veröffentlichen.
(immer stehts zu diensten ;-) nic)

Kontakt: Feedback an Foxee

Dies ist mein erstes FanFic und ich bin für jede Art von Feedback dankbar. Schreibt mir, ob es euch gefallen hat oder was ich besser machen soll. ;-)
Kapitel 3 by foxee
Rechtliche Hinweise: Die bekannten Charaktere der Fernsehserie The Pretender gehören wie jeder weiß MTM und NBC. Also dient meine kleine Geschichte keinerlei kommerziellen Zwecken, sondern dient nur der Unterhaltung... und zur Überbrückung der Wartezeit auf Neues von unserer beliebten Fernsehserie.
Spoiler: Bis zum Ende der vierten Staffel .






Der Pakt
© by Foxee

Kapitel 3







Mr. Parkers Büro

Im Büro ihres Vater ging es heiß her, daß konnte sie schon vor der Tür hören. Drei Männer diskutierten lautstark miteinander und obwohl Miss Parker die Worte nicht genau verstehen konnte, konnte sie sich denken, worum es dabei ging. Auch wer der dritte Mann war, konnte sie sich denken: Mr. Raines.

Miss Parker holte tief Luft, dann klopfte sie an. Sofort wurde es still im Büro.

„Herein!“

Sie öffnete die Tür und trat ein. Die drei Männer begrüßte sie mit eisigem Schweigen und wütenden Blicken. Miss Parker hob den Kopf in den Nacken und starrte selbstbewußt und kühl zurück. Um sie einzuschüchtern gehörte schon etwas mehr dazu und einen schnellen Sieg würde sie ihnen nicht schenken!

„Was gibt es, Daddy?“ fragte sie so unschuldig wie möglich. Das war, als würde jemand ein rotes Tuch vor Lyle’s Gesicht herumwedeln.

„Was es gibt?“ platze er heraus. „Nun. ich würde sagen eine Menge! Angefangen damit, daß sie sämtliche Befehle und Anordnungen unseres Vaters und des Triumvirates mißachtet haben! Außerdem haben sie mir offensichtlich nachspioniert um den Aufenthaltsort von Jarod herauszubekommen. Dann haben sie ihn ohne Grund aus dem Hochsicherheits-Trakt entfernt und in einen nur mäßig gesicherten Raum gebracht. Nur damit wir uns klar verstehen: sollte er fliehen, werden sie den Kopf dafür hinhalten! Und das meine ich wörtlich. Außerdem...“

Miss Parkers Augen verengten sich zu zwei kleinen Schlitzen als sie ihren Bruder wütend anfunkelte. Ihr Vater sah ihre Reaktion und wollte eingreifen, doch bevor er ein Wort sagen konnte, stand sie schon direkt vor Lyle. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, was Lyle doch erstaunt und abrupt seine zornige Kaskade abbrechen ließ.

„Wollen... sie... mir... drohen?“ fauchte sie.

Lyle starrte sie an, doch bevor antworten konnte und die Situation dadurch noch weiter verschärfte, griff Mr. Parker ein. „Nun ist aber Schluß! Alle beide!“

Miss Parker schaute ihren Vater an, dann funkelte sie Lyle noch einmal eisig an, drehte sich schwungvoll um und ging mit verschränkten Armen und erhobenen Hauptes zu ihrem Vater.

„Daddy, könnte ich vielleicht kurz allein mit dir sprechen?“

„Warum, Engelchen? Vor der Familie gibt es doch keine Geheimnisse.“ ihr Vater legte wieder seine lächelnde Maske auf.

Erstaunt hob Miss Parker eine Augenbraue und schaute den schräg hinter ihrem Vater stehenden Mr. Raines hochnäsig an. „Seit wann gehört der zur Familie?“

„Sie sollten aufpassen was sie sagen.“ keifte dieser zurück. „Und mit wem sie sich hier anlegen.“

„OK, das reicht jetzt.“ fuhr Mr. Parker dazwischen und versuchte so, einer zweite Eskalation zuvor zu kommen. „Wir sind doch alle erwachsene Menschen! Und so sollte wir uns auch benehmen!“ ein warnender Blick an Mr. Raines signalisierte ihm, jetzt erst mal ruhig zu sein und ihm das Reden zu überlassen.

„Engelchen, ich verstehe wirklich nicht, was da in dich gefahren ist. Ich bin wirklich sehr enttäuscht über dich.“

„Du bist enttäuscht über MICH??“ Miss Parker schnappte nach Luft. „Hast du dich vielleicht EINMAL gefragt, ob Lyle’s Methode überhaupt richtig ist? Oh, und ich meine jetzt nicht moralisch – ich glaube, darüber müssen wir uns nicht weiter unterhalten. Aber das ist ja hier es nicht unbedingt das Maß aller Dinge. Nein, ich meine, ob er damit wirklich das erreicht, was er will!“

„Er sorgt dafür, daß Jarod wieder ein wertvoller... Mitarbeiter des Centers wird.“ erklärte ihr Vater ruhig, als wären Foltern für ihn die natürlichste Sacher der Welt. Miss Parker begriff, daß sie ihren Vater wirklich nicht kannte... Je tiefer sie blickte, desto fremder wurde er ihr.

„Er versucht mit roher Gewalt seinen Willen zu brechen.“ korrigierte sie ihn. „Aber Jarod ist darauf trainiert solchen Foltern oder Gehirnwäschen oder was man auch sonst mit ihm gemacht hat...“ sie warf einen kurzen Blick zu Mr. Raines. „zu widerstehen. Lyle würde ihn vermutlich eher umbringen, als ihn zu etwas zu zwingen, daß ihm so verhaßt ist.“

„Sie übertreiben mal wieder maßlos.“ kam ein schnippischer Kommentar von Lyle.

Miss Parker drehte sich zu ihm um. „Oh Entschuldigung, ich muß mich korrigieren: Sie HÄTTEN ihn beinahe umgebracht!“

„Was soll das heißen?“

„Das soll heißen, daß er dabei war, zu ersticken! Sie haben ihn gefesselt und geknebelt in diesem Loch zurückgelassen. Da unten war es eh sehr warm und stickig. Und sie Vollidiot mußten ihm auch noch einen Knebel in den Mund stecken und Jarod dort wer weiß wie lange liegen lassen. Und ihre Trantüte von Sweeper hat natürlich nichts mitgekriegt!“

„Das glaube ich nicht...“

„Was sie glauben oder nicht interessiert mich nicht! Das ist eine Tatsache. Eine weitere Tatsache ist, daß er eine schwere Lungenentzündung hat und über 40° Fieber!“

Sie ließ die anwesenden Herren diese Brocken erst mal schlucken bevor sie fortfuhr. „Also wenn sie mich fragen, ist ihm ihre `Behandlung` nicht besonders gut bekommen. Und ich glaube nicht, daß das Triumvirat so glücklich darüber wäre, wenn ihr ach-so-wichtiger Pretender durch SIE umkommen würde. Tot ist er dem Center nämlich noch viel weniger wert.“

So, nun hatte sie all ihre Trumpfkarten ausgespielt. Jetzt konnte sie nur noch abwarten, was ihr Vater dazu sagen würde.

Der schaute sie eine Weile stumm an. Dann warf er seinem Sohn einen verärgerten Blick zu.

Lyle öffnete den Mund, sagte dann aber doch nichts sondern hob nur die Schultern.

Plötzlich kam leiser Applaus von der Tür her. Die Gruppe fuhr zusammen und drehte sich überrascht um.
Unbemerkt von allen war ein weiterer Mann ins Zimmer getreten und hatte sich die Unterhaltung angehört. Miss Parker sah ihn kritisch an, aber das Gesicht war ihr absolut unbekannt. Eigentlich war es auch ziemlich nichtsagend... ein Allerwelts-Gesicht. Der Mann war Ende 40 oder Anfang 50, trug einen Anzug und wirkte eigentlich mehr wie einer der vielen Angestellten des Centers. Nur die Art und Weise, wie er die Menschen in diesem Raum ansah – überhaupt nicht, wie ein `Untergebener`, sondern vielmehr, wie ein Mann, der es gewohnt war, Befehle zu erteilen – ließ sie stutzig werden.

Auch ihr Vater kannte den Neuankömmling offensichtlich nicht. „Das ist eine private Unterredung. Würden sie also bitte draußen warten und...“

„Nichts im Center ist privat.“ unterbrach ihn der Mann ruhig aber bestimmt, „und außerdem glaube ich schon, daß mich diese Unterhaltung etwas angeht.“

„Dürfte ich dann wohl fragen, wer sie sind?“

„Oh, aber natürlich.“ der Mann war genau so schleimig freundlich und verdächtig gelassen wie alle Männer im Center, vor denen man sich besser in Acht nehmen sollte. „Mein Name ist Mr. Smith.“

„Wie originell.“ kommentierte Lyle flüsternd.

Der Mann sah ihn lächelnd an. „Ich denke sie kannten meinen geschätzten und leider verstorbenen Kollegen, Mr. Mutambo.“

Das fuhr Lyle durch Mark und Bein. Miss Parker hätte am liebsten überrascht gepfiffen. Der Kerl war ein Mitglied des Triumvirats!! Dieses unauffällige Äußere und der nichtssagende Name verbargen einen `Wolf im Schafspelz`!

Mr. Smith wandte sich wieder Mr. Parker zu. „Ich wurde beauftragt mich um die Sache Jarod zu kümmern. Mir ist zu Ohren gekommen, daß es da einige Schwierigkeiten gab.“

„Nun Sir, nichts was wir nicht schon wieder in den Griff bekommen haben.“ warf Mr. Parker hastig ein.

„Da habe ich anderes gehört.“ antwortete der andere, jetzt deutlich kühler. Dann drehte er sich um und ging zu Miss Parker.

Der wurde es jetzt wirklich mulmig. Eine Auseinandersetzung mit ihrem Vater und Lyle war eine Sache, aber mit dem Triumvirat! Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken runter, doch sie zwang sich, nach außen keine Regung zu zeigen.

Mr. Parker wollte einspringen und seiner Tochter beistehen, doch eine energische Geste von Mr. Smith unterband jede weitere Äußerung von ihm.

Der stand jetzt genau vor ihr und schaute ihr in die Augen. Dann lächelte er plötzlich, ergriff ihre Hand und schüttelte sie. „Ich gratuliere zur gelungenen Rettungsaktion.“

„Was?“ kiekste Miss Parker, räusperte sich dann schnell und fragte noch mal ungläubig: „Was?“

„Jarod’s Rettung. War wirklich keine Sekunde zu früh!“

„Ah ja, ähm... danke.“ sie wußte nicht so recht, was sie davon halten sollte.

Er ließ ihre Hand wieder los und schaute in die Runde der ungläubig starrenden Herren. „Nun, wir wollen doch sicher alle nicht, daß so etwas noch einmal geschieht, oder?“

Er wartete nicht ab, ob ihm jemand auf seine rethorische Fragen antwortete, sondern fuhr gleich fort. „Deshalb wird es hier einige Veränderungen geben.“

„Hören sie,“ begann Lyle, der merkte, daß er nicht besonders gut dastand, „Ich bin sicher das ich Jarod fast so weit habe! Das war doch nur ein bedauerlicher kleiner... ähm... Unfall. Ich entschuldige mich dafür und übernehme natürlich die Verantwortung, aber...“

„Selbstverständlich übernehmen sie die Verantwortung, Mr. Lyle.“

„Nun...“ eine Schweißperle rann ihm über die Stirn, „ich bin sicher, daß der Vorfall, so bedauerlich er auch sein mag, doch nicht so dramatisch war, daß man...“

„Sie verstehen offensichtlich immer noch nicht.“ unterbrach ihn Mr. Smith, „Vielleicht denken sie ja immer noch, daß ihre Schwester diese Sache unnötig dramatisiert... Aber da kann ich ihnen helfen. Ich habe die Situation nämlich zufällig verfolgt... am Monitor. Ihnen wird doch hoffentlich nicht entgangen sein, daß die Zelle videoüberwacht ist. Jarod wäre wirklich beinahe erstickt. Er befand sich schon in diesem Zustand, als ich mich in die Überwachungs-Zentrale einklinkte. Und hätte ich nicht gesehen, daß gerade in diesem Moment Miss Parker auf dem Weg zur Zelle war, hätte ich meine Leute hier im Center verständigt und zu Jarod geschickt... nur wären die vermutlich zu spät gekommen!“

Jetzt baute er sich vor Lyle auf und schaute ihn verärgert an. „Das Center ist nicht ihr Spielplatz, Lyle, auf dem sie ihren sadistischen Vergnügen nachkommen oder ihre Rachepläne ausleben können. Ist... das... klar?!“

„Ja Sir, aber...“

„Kein aber! Sie sollten ihrer Schwester lieber danken, Lyle. Wenn Jarod wirklich etwas zugestoßen wäre...“ er machte eine kurze Pause, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. „... nun dann hätte es hier ganz sicher noch weiter... personelle `Umstrukturierungen` gegeben.“

Alle Anwesenden konnten sich gut vorstellen, was er damit meinte.

„Ich verspreche, daß es in Zukunft keine weiteren Zwischenfälle mehr geben wird.“ versuchte Lyle den anderen zu beschwichtigen.

„Sie haben recht.“ Mr. Smith verschränkte die Arme hinter dem Rücken und wanderte im Zimmer umher. „Weil ich ihnen nämlich die `Verfügungsgewalt` über Jarod entziehen werde.“

„Was?“

„Sie werden nicht länger mit ihm arbeiten. Das gilt auch für sie Raines.“

„Sie können doch nicht...“ schwer atmend versuchte Mr. Raines zu protestieren.

„Ich KANN sehr wohl.“ Mr. Smith funkelte Raines warnend an, dann begann er wieder seine Wanderung. „Ich stimme Miss Parker zu. Ihre Methoden, Jarod zur Kooperation zu bringen, sind nicht... angemessen. Ich gebe zu, das Triumvirat hatte ihren Vorschlägen zugestimmt und diese unterstützt, doch nun sehen wir, daß es dabei keinen Erfolg geben wird. Wenn sie so wollen...“ er lächelte wieder süffisant, „gestehen wir ein, einen Denkfehler gemacht zu haben. Diesen Fehler werde ich nun korrigieren.“

Er war in seiner Wanderung inzwischen wieder bei Miss Parker angekommen und schaute sie jetzt direkt an. „Deshalb übertrage ich die Verantwortung für Jarod jetzt IHNEN!“

„WAS???“ kam es von drei Seiten.

Miss Parker war geschockt. „Wie meinen sie das?“

„Nun, ich übergebe ihn in ihre Obhut. Mir scheint, sie haben ein besseres `Händchen` für ihn.“

Entsetzt fiel Miss Parker ein, daß er ja auf dem Bildschirm auch gesehen hatte, was in der Zelle geschehen war, nachdem sie Sam weggeschickt hatte. Vielleicht hatte er sogar die Szene in Jarods Zimmer beobachtet... Jetzt wurde ihr wirklich sehr heiß und ihr Mund war plötzlich trocken.

„Ich glaube nicht, daß ich die richtige bin, um...“

„Oh, ich denke schon.“ lächelnd legte er ihr die Hand auf die Schulter. „Sehen sie, die Alternative wäre, daß ich ihn wieder ihrem Bruder oder Raines überlasse... oder vielleicht jemand anderem... es haben schon Leute in Afrika Interesse angemeldet...“

Miss Parker mußte plötzlich an den Anblick von Jarod in der Zelle und an seinen mißhandelten Körper denken. Diese Bilder hatten sich in ihr Gedächtnis gebrannt. Und jetzt stellte man sie vor die Wahl: sie konnte ihm helfen oder ihn wieder in die Obhut von Leuten geben, die ihn so zugerichtet hatten... Nein, das war keine Wahl... und vermutlich wußte dieser Mr. Smith das auch.

Sie ahnte gar nicht, wie recht sie hatte. Mr. Smith hatte einen Plan... einen Plan, der ihm spontan eingefallen war, als er die beiden in der Zelle beobachtete. Es war ein sehr ungewöhnliches Vorhaben und er hatte eine Weile mit seinen beiden Kollegen beraten müssen. Sie waren überein gekommen, es zu versuchen. Sie hatten inzwischen wirklich einsehen müssen, daß sie mit Gewalt wahrscheinlich nicht an ihr Ziel kommen würden...

„Nehmen wir mal an...“ begann sie zögerlich, „ich wäre einverstanden. Was würden sie dann von mir erwarten? Ich meine, wie soll ich ihn dazu bringen, wieder für das Center zu arbeiten?“

„Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Und ich denke, das Konzept, ihn zu etwas zwingen zu wollen, können wir vorläufig vergessen.“

„Vorläufig?“

„Nun, solange sie beschließen, ihn unter ihrer Aufsicht zu behalten, können sie frei bestimmen, wie sie mit ihm verfahren. Und sie scheinen ja nicht so ein großer Freund von Folterungen zu sein wie ihr Bruder. Andererseits, sollte er ihnen zu lästig werden und sie ihn wieder loswerden wollen, dann kommt er in die `Fürsorge` einer anderen Person, und für die kann ich natürlich kein Gewähr geben.“

Miss Parker nickte mechanisch, ihre Gedanken überschlugen sich. Sie konnte Jarod vor weiteren Folterungen bewahren, aber was weiter?

„Nun, ich dachte mir das folgendermaßen.“ fuhr Mr. Smith fort, „Wir versuchen es zur Abwechslung mal mit Kompromissen... mit `echter` Kooperation.“

Lyle erwachte wieder aus seiner Starre. „Wie meinen sie das?“

„Na, wie würden sie denn Kompromisse definieren? Ich gebe dir ein wenig auch wenn das für mich Einschränkung bedeutet, und du gibst mir ein wenig und schränkst dich auch ein wenig ein.“

„Schön und gut, aber wie wollen sie das auf die Situation mit Jarod beziehen?“ fragte Miss Parker verwirrt.

Mr. Smith setzte sich auf die Kante des Schreibtischs und gestikulierte in ihre Richtung. „Sagen SIE es mir. Sie sind ab heute für ihn verantwortlich, sie sind sozusagen seine Sprecherin und sie sind diejenige, die für ihn etwas aushandeln muß. Ich vertrete das Center beziehungsweise das Triumvirat und sage ihnen, ob ich mit ihren Vorschlägen einverstanden bin und was ich von Jarod erwarte.“

Alle starrten ihn sprachlos an. „Nennen sie es wie sie wollen... eine Vereinbarung, ein Entgegenkommen... oder `einen Pakt mit dem Teufel`.“

Miss Parker betrachtete den Mann mit dem zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht. „Wo ist der Haken?“

„Ein Haken? Tja... Ich würde es zwar nicht direkt als Haken bezeichnen, aber... Es gibt da tatsächlich eine Sache.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Das Triumvirat ist bereit über praktisch alles mit Jarod, also mit ihnen zu verhandeln... wir sind ihren Ideen gegenüber wirklich aufgeschlossen. Nur auf einen Punkt werden wir, fürchte ich, bestehen müssen: Sicherheit. Wir wollen die Gewähr, daß Jarod nicht wieder wegläuft.“

Lyle schüttelte den Kopf und Miss Parker lachte auf. „Wie wollen sie denn das erreichen?“

„Oh ganz einfach. Sie sind für ihn verantwortlich, also werden sie dafür sorgen.“

Miss Parker wollte protestieren, doch Mr. Smith winkte lächelnd ab. „Ich meine damit nicht, sie sollen ihn einsperren und 24 Stunden am Tag überwachen. Ganz im Gegenteil! Nein, sie sollen ja einige kleine...“ er wedelte mit der rechten Hand, „`Freiheiten` für ihn aushandeln. Was ich meinte war folgendes: sie haften mit ihrem Leben für die Garantie, daß Jarod brav im Center bleibt. Nicht mehr, nicht weniger.“

Die Anwesenden starrten ihn mit offenem Mund an und Miss Parker schnappte hörbar nach Luft. Ihr Leben gegen seines!!

„Und wir werden über alle Vereinbarungen und Haken, wie sie es so schön nannten, offen mit ihm reden. Er soll wissen, welche Konsequenzen seine Handlungen haben.“

Sie konnte es nicht fassen. Das Triumvirat wollte sie als lebenden Pfand einsetzen, um Jarod von weiteren Fluchtversuchen abzuhalten... und sie würden ihr Ziel damit auch sicher erreichen. Miss Parker konnte sich Jarods Reaktion auf diesen Vorschlag gut vorstellen. Damit sperrte man ihn für immer hier ein und warf praktisch den Schlüssel weg. Sie war sich sicher daß er, trotz aller Meinungsverschiedenheiten und Vorfälle der letzten Jahre, doch nicht wissentlich ihr Leben aufs Spiel setzen würde. Also mußte er bleiben... Er würde seine Freiheit einbüßen, die er doch so sehr liebte, um ihr Leben nicht zu riskieren.

Doch andererseits, sollte sie ablehnen... dann würde er sofort wieder in Sicherheitsverwahrung genommen und zu irgendwelchen Leuten nach Afrika geschickt – und sie hätte keine Chance mehr ihm zu helfen oder ihn überhaupt nur zu sehen. Und Sydney würde sicher krank werden aus Sorge um ihn oder noch mal irgendwas verrücktes anstellen, um es dem Center zu zeigen.

Wie man es auch betrachtete, Jarod würde dabei immer verlieren: entweder seine Freiheit oder sein Leben.

„Hören sie, ich werde es nicht gestatten, daß sie das Leben meiner Tochter abhängig machen vom Verhalten dieses Freaks!!“ polterte ihr Vater plötzlich in ihre Überlegungen hinein.

„Das ist nichts, das SIE zu entscheiden haben.“ entgegnete Mr. Smith kühl und wandte seine Aufmerksamkeit wieder auf Miss Parker’s Gesicht, in dem er versuchte die vielen verschiedenen Gefühle, die dort um die Oberhand kämpften, zu lesen.

„Oh, ich denke schon, daß ich da ein Wörtchen mitzureden habe!“ Mr. Parker griff zum Telefon.

„Die anderen Mitglieder sind informiert und haben dem Vorschlag bereits geschlossen zugestimmt.“ verkündete Mr. Smith ohne sich zu ihm zu wenden.

Mr. Parker ließ den Hörer wieder sinken und starrte haßerfüllt auf den Rücken des Mannes, der da so arrogant auf seinem Schreibtisch saß. „Damit kommen sie nicht durch!! Unter keinen Umständen lasse ich zu, daß...“

„Ich bin einverstanden.“ platze Miss Parker mitten in den Satz ihres Vaters... sie hatte ihn eh kaum gehört. Ihr Herz rast und der Adrenalinschub ließ ihr das Blut in den Ohren rauschen.

„Hervorragend!“ Mr. Smith hüpfte begeistern vom Schreibtisch.

„Aber Engelchen...“ ihr Vater war ehrlich entsetzt.

Sie ignorierte ihren Vater völlig, starrte nur noch mit leerem Gesichtsausdruck auf den Mann direkt vor ihr. „Aber ich habe noch einige Fragen... zu ihrem kleinen Pakt.“

„Selbstverständlich. Fragen sie nur.“

„Nun, mich würde das weitere Vorgehen interessieren. Ihre Erwartungen an die `Kooperation` und diese `Dinge`, die ich für Jarod aushandeln soll.“

„Das... ähm... Vorgehen überlasse ich ganz ihnen. Wie ich bereits sagte: sie können mit ihm machen, was sie wollen. Sie können ihm zum Beispiel sein altes Zimmer wieder zuteilen – was sie ja eh schon getan haben – oder ihn in irgendeinen anderen Raum stecken.“ er zuckte mit den Schultern, „Mir völlig egal. Was die Kooperation angeht... nur das wird schon schwieriger. Wir wollen natürlich, daß Jarod wieder für das Center arbeitet. Andererseits waren wir uns ja darüber einig, daß wir ihn nicht `zwingen` können.“ Er setzte sich auf die Couch, schlug die Beine übereinander und machte eine einladende Geste zu Miss Parker. „Könnten sie sich denn vielleicht vorstellen unter welchen Umständen Jarod bereit wäre, wieder für das Center zu arbeiten? Freiwillig?“

‚Wenn die Hölle zufriert...’ dachte Miss Parker bei sich, hütet sich aber, es laut auszusprechen. Statt dessen schüttelte sie nur den Kopf.

„Nun kommen sie. Sie kennen ihn doch so lange... und ich bin sicher, daß sie inzwischen ziemlich gut nachvollziehen können, wie er denkt und fühlt. Habe ich nicht recht? Was treibt ihn an? Warum hat er draußen Simulationen gemacht und sein Leben riskiert und weigert sich hier, auch nur einen Fuß in den Simulationsraum zu setzen?“

Miss Parker schaute ihn überrascht an. So hatte sie die Sache noch nie betrachtet... Warum sollte es auch das Center interessieren, was Jarod antreibt – das waren ja eh nicht die Motive und Ziele, die SIE verfolgten. Oder?

„Ähm... Er hilft Menschen...“ sie nickte gedankenverloren mit dem Kopf. „Ja, überall wo er aufgetaucht ist, brauchte jemand seine Hilfe. Er benutzte seine Fähigkeiten um Leute zu suchen oder zu retten... oder um Unrecht wiedergutzumachen...“

Lyle hätte am liebsten angefangen zu lachen, doch erstaunt beobachtete er, daß Mr. Smith seiner Schwester aufmerksam und ernst folgte. Das war doch lächerlich!!

Miss Parker murmelte etwas vor sich hin und fing nun ihrerseits einen kleinen Marsch durchs Zimmer an.

„Was wäre...“ begann sie schließlich wieder, „Was wäre, wenn wir ihm genau solche Projekte anbieten. Forschung... vermißte Personen aufspüren... Mordfälle... oder was weiß ich“ sie wedelte mit der Hand durch die Luft.

„Sind wir jetzt die Wohlfahrt?“ murrte Lyle.

Mr. Smith beachtete ihn gar nicht. „Fahren sie fort.“

„Man könnte ihm zum Beispiel mehrere solcher möglichen Projekte zur Auswahl vorstellen, aus denen er dann selbst wählen kann. Natürlich muß er selber sehen und nachvollziehen können, für welchen Zweck seine Arbeit eingesetzt wird.“ Sie schaute Mr. Smith ernst an. „Er war damals SEHR verärgert als er rausbekommen hat, daß eine seiner Simulationen zur Befreiung einer Geisel benutzt worden ist, um eine Frau zu entführen.“

Alle Augen fixierten Mr. Lyle. Der spielte allerdings das Unschuldslamm „Was?“

„Gut.“ Mr. Smith nickte. „Das klingt logisch.“

„Einen Moment mal. *keuch* Ich stimme mit Mr. Lyle überein. Das Center ist nicht für solche Kinkerlitzchen zuständig. *keuch* Unsere Schwerpunkte liegen auf anderen Gebieten.“ meldete sich Mr. Raines zu Wort.

„Oh sicher, DIE Gebiete hab ich gesehen: Mord, Entführung, Beihilfe zu Attentaten, das Herumexperimentieren mit Menschen... Soll ich weitermachen?“ konterte Miss Parker bissig.

Mr. Raines wollte antworten, aber Mr. Smith schaltete sie wieder ein. „Miss Parker hat recht. Für solche Aufgaben würden wir Jarod nie gewinnen. Vielleicht ist ihr Vorschlag gar nicht so schlecht.“ Er stand auf und verschränkte die Finger hinter dem Rücken. „Erstens: wir können auch derartige Projekte gewinnbringend einsetzen, zum Beispiel auf dem Gebiet der Forschung. Zweitens: selbst solche Projekte, die uns kein Geld bringen können wir vermarkten... und sei es nur prestigemäßig. Der gute Ruf des Centers hat in den letzten Jahren ziemlich gelitten. Zu viele Leute vermuten... `unseriöse` Praktiken im Zusammenhang mit uns,“ nun durften sich die drei anwesenden Herren gleichermaßen angesprochen fühlen, jeder für seine `spezielle Sparte`. „Wenn wir uns statt dessen durch einige gute Taten wieder eine saubere Weste schaffen können... um so besser.“ Er lächelte ihr zu. „Sehr gut Miss Parker!“

Die Angesprochene versuchte zurück zu lächeln, doch es kam nicht sehr überzeugend rüber. Eigentlich sollte sie ja inzwischen nichts mehr schocken, aber nun war sie ehrlich baff. Er war einverstanden. Sie konnte es von allen im Raum am wenigsten fassen, daß er ihrem Vorschlag zustimmte. Das war so... gegen alles, was sie in den letzten Jahre... oder besser Jahrzehnten im Center erlebt hatte.

„Nun müssen sie nur Jarod davon überzeugen.“

Peng! Und da war auch schon wieder das unüberwindbare Problem.

„Aber wir wollen ihm die Sache ja noch ein wenig schmackhafter machen. Schließlich sprach ich ja von `Kooperation`, nicht wahr? Also, was würde Jarod im Gegenzug haben wollen? Außer seiner Freiheit, versteht sich.“

Miss Parker schüttelte den Kopf. Sie konnte sich nicht vorstellen, WAS er damit meinte?

„Nun, was meinen sie, was wird Jarod am meisten vermissen hier drin. Er war ja immerhin 4 Jahre außerhalb des Centers. Was würde ihnen spontan einfallen, wenn sie sich in seine Lage versetzen?“

Sie grübelte eine Weile... versuchte das Center mit der `normalen` Welt zu vergleichen... und dann etwas zu finden, was Jarod auch hier drin unbedingt brauchte, um sich einigermaßen wohl zu fühlen – falls ein Mensch sich im Center überhaupt wohlfühlen kann.

„Privatsphäre.“ ihr Kopf schnellte hoch. „Er braucht etwas Privatsphäre!“

Lyle machte einen ziemlich dummen Gesichtsausdruck, Mr. Parker starrte seine Tochter ungläubig an und Mr. Raines vergaß vor Schreck fast zu atmen.

Aber Miss Parker war jetzt Feuer und Flamme. „Er braucht einen Raum, wo er wirklich ALLEIN ist. Wo ihn keine Kameras und Mikrophone überwachen. Wohin er sich zurückziehen kann.“

Die drei Männer schauten erst Miss Parker verständnislos an, dann drehte sie die Köpfe zu Mr. Smith.

Der dachte kurz nach, dann nickte er bedächtig. „Klingt logisch. Gut, ich werde entsprechendes veranlassen. Was noch?“

Die Köpfe wanderten wieder zurück.

„Nun...“ Miss Parker kam langsam auf den Trichter. „Er muß sich frei im Center bewegen dürfen. Keine Belästigungen oder `Begleitschutz`.“

„Seine Freiheiten innerhalb des Centers werden denen anderer Angestellter gleichgestellt. Das bedeutet aber auch, daß gewisse Bereiche für ihn verboten sind.“

„Selbstverständlich... Und... ähm... außerhalb des Centers...?“

Mr. Smith seufzte. „Nun, grundsätzlich gilt unsere Bestrebung ja darin, Jarod IM Center zu halten. Allerdings kann ich mir vorstellen, worauf sie hinauswollen. Ich würde vorschlagen, wir übereilen nichts. Vorläufig sollte er das Gebäude nicht verlassen. Später darf er dann auch mal... Spaziergänge draußen machen... „

„WAS?“ kiekste Lyle dazwischen.

Mr. Smith schaute Miss Parker ernst an. „Bedenken sie aber, daß SIE mit ihrem Leben dafür haften, daß er wieder pünktlich im Center ist. Im Prinzip ist es mir scheißegal wohin er wie lange geht, es ist IHR Leben, mit dem sie da spielen.“

Miss Parker erwiderte seinen Blick ebenso fest. „Das ist mir bewußt!“

„Gut, dann wäre das geklärt.“ Mr. Smith setzte wieder sein Lächeln auf und holte sich aus Mr. Parkers Privat-Bar einen Drink. „Ich nehme an, sie sind noch nicht fertig, oder?“

„Ähm... nein. Ich möchte, daß Sydney wieder mit ihm arbeitet.“

„Sie sind für ihn zuständig, sie entscheiden wann er was macht und mit wem.“

Plötzlich kam Miss Parker eine verrückte Idee – aber eigentlich war das ganze Thema an sich schon verrückt, also warum sollte sie es nicht versuchen? „Wenn er einen normalen Angestellten des Centers gleichgestellt ist... dann sollte er auch ein Gehalt bekommen – seinen Qualifikationen angepaßt, versteht sich.“

Lyle schnappte hörbar nach Luft. Er war sich nicht sicher, ob gleich anfangen sollte zu lachen oder lieber aus dem Zimmer gehen sollte, so wie man das Kino bei einem sehr schlechten Film verläßt. Und das war das ganze wirklich – ein schlechter Scherz.

Mr. Smith lachte in seinen Drink. „Gut, daß ich ihn nicht aus eigener Tasche bezahlen muß – seine Qualifikationen könnte ich mir sicherlich nicht leisten. Also schön, er bekommt ein Gehalt. Aber wozu?“

„Nun, er ist kein Eigentum des Centers mehr. Das heißt, er wird hier nicht durchgefüttert und eingekleidet. Also muß er selbst für seine Auslagen aufkommen. Sein Essen, seine Kleidung oder andere Dinge.“

„Wie soll er denn Klamotten kaufen gehen...“ knurrte Lyle mit zunehmender Wut, „wenn er das Gebäude nicht verlassen kann?!? Das ist doch eine Farce!! Haben sie sich eigentlich selbst zugehört? Demnächst verlangen sie von ihm noch Miete für seinen Raum! Wie hoch ist denn im Moment der Quadratmeter-Preis auf Ebene 6?“

Mr. Smith und Miss Parker hatten inzwischen Übung darin, Lyle’s Kommentare zu überhören. „Noch etwas?“

Miss Parker zuckte mit den Achseln. „Mehr fällt mir jetzt spontan nicht mehr ein. Aber ich würde mich gerne noch mit Jarod beraten.“

„Oh, keine Eile. Dieser Pakt ist nicht so statisch, wie sie denken. Sie können jederzeit Änderungen vornehmen und uns neue Vorschläge unterbreiten.“ Er trank den letzten Schluck aus und stellte das Glas wieder auf die Anrichte. „Aber ich denke, daß wir über alles wichtige geredet haben.“

Mr. Smith trat auf Miss Parker zu und streckte die Hand aus. „Dann ist es also abgemacht.“

Miss Parker zögerte eine Sekunden, dann besiegelte sie den Pakt mit festem Händedruck.

„Nun... ich bin noch eine Weile hier in Dellavare. Sie können natürlich jederzeit zu mir kommen, wenn sie noch etwas auf dem Herzen haben.“

Sein Lächeln war so schleimig freundlich daß es ein Wunder war, daß er noch nicht ausgerutscht war und sich den Hals gebrochen hatte.

„Aber zuerst mal gönnen wir unserem Prachtjungen wohl etwas Ruhe, damit er sich erholen kann und schnell wieder auf die Beine kommt, nicht wahr?“

Ohne eine Antwort abzuwarten drehte sich Mr. Smith um und marschierte aus dem Zimmer.

Die übrigen starrten ihm schweigend nach. Nach einigen Sekunden erholte sich Mr. Parker als erster wieder. „Engelchen, wie konntest du?“

Miss Parker zuckte zusammen. „Ich hatte ja wohl kaum eine Wahl.“ antwortete sie, den Blick immer noch auf die Tür gerichtet.

„Aber du...“

„Hast du nicht immer wieder gesagt,“ sie drehte sich zu ihrem Vater um, „daß Jarod der Schlüssel zu unserer Zukunft ist.“

„Ja schon, aber...“

„Was wäre, wenn sie ihn nach Afrika gebracht hätten?“

Darauf wußte ihr Vater keine Antwort. Also drehte sie sich wortlos um und verließ sein Büro.


Eigentlich wollte sie ja direkt in ihr Büro gehen, doch sie entschied sich anders und ging noch einmal zu Jarod. Irgendwie brauchte sie jetzt die Bestätigung, daß sie richtig gehandelt hatte.

Als sie in den Gang vor Jarods Zimmer einbog kam ihr ein Mann entgegen, der ein seltsam aussehendes, großes, weißes Gerät mit so etwas wie einem eingeschwenkten `Arm` vor sich hin schob. Sie ließ ihn an sich vorbei gehen und wunderte sich, was er hier unten wollte. Dann kam ihr plötzlich der Gedanke, ob das das Mobile Röntgen-Gerät war, von dem der Arzt gesprochen hatte.

Und tatsächlich war der Arzt in Jarods Raum, als sie ihn wenig später betrat. Er war gerade dabei, einen großen Beutel mit einer durchsichtigen Flüssigkeit an einen Infusionsständer zu hängen, als er sie bemerkte.

„Oh, Miss Parker. Ich bin fast fertig hier.“

Sie nickte und betrachtete eine andere kleinere Flaschen, die am gleichen Infusionsständer hing und anscheinend leer war.

„Wofür ist das?“ fragte sie mit einer Kopfbewegung auf den Ständer zu.

„Das...“ er deutete auf die kleine Flasche, „ist ein hochdosiertes Antibiotikum. Und der Beutel hier... das ist eine Mischung aus Elektrolyten, Kohlenhydraten, Spurenelementen und Vitaminen... Es ist zum Flüssigkeitsausgleich und gleichzeitig, um ihn ein wenig aufzupäppeln. Außerdem habe ich ihm noch ein Medikament zum Fiebersenken hineingetan.“

Miss Parker schaute nachdenklich in Jarods schlafendes Gesicht.

„Sie sehen etwas gestreßt aus, Miss Parker. Geht es ihnen nicht gut?“

„Was?“ verwirrt schaute sie ihn an. „Oh... doch. Ich hatte nur gerade... eine... schwere Unterhaltung.“

Sie wandte sich wieder dem schlafenden Mann zu. Es folgte eine Weile Schweigen.

„Ähm...“ meldete sich der Mediziner noch mal, „Soll ich die Röntgenaufnahmen und die Befunde zu Mr. Lyle schicken?“

„Nein, schicken sie sie in mein Büro.“ antwortete Miss Parker müde.

Verwirrung. „... Sind sie sicher? Ich dachte, Mr. Lyle würde...“

„Die Anordnungen wurden geändert.“

Der Arzt war ehrlich überrascht. „Aber wer...?“

Miss Parker setzte sich auf die Bettkante. „Das Triumvirat.“

`Das Triumvirat!!!` schrie DER Teil des Gehirns des armen Doktors, der für das Überleben im Center zuständig war... er hatte sich in den letzten Jahre enorm entwickelt und nahm nur große Teile der beiden Gehirnhälften ein. `KEINE weiteren Fragen. Nick’ einfach und mach dich aus dem Staub!!`

Also nickte der inzwischen etwas blasse Mann und verließ den Raum.

Miss Parker schaute immer noch auf Jarods Gesicht. Er sah jetzt so ruhig und entspannt aus... Gedankenverloren strich sie ihm eine Haarsträhne aus der Stirn und ließ ihre Finger langsam seine Wange entlang fahren.


Jarod bekam von all dem Wirbel um ihn nichts mit. Er schlief tief und fest... und träumte. Zum erstenmal seit langer Zeit hatte er keine Alpträume. Nein, er träumte von Miss Parker.

In seinem Traum streichelte sie sanft sein Gesicht und lächelte ihn dabei an. Sie fuhr mit ihren Fingern durch sein Haar und liebkoste mit sanften Fingerspitzen seine Wangen...

Aber es war unangenehm heiß in diesem Traum. Jarod versuchte die Hitze, die ihn umgab zu ignorieren, aber sie quälte ihn weiter... er war sicher, daß er bald bei lebendigem Leib verbrannte.

Doch plötzlich wich die drückende Glut um ihn und er spürte eine erfrischende Kühle... auf seiner Stirn und seinen Wangen... Sie floß weiter seinen Hals herunter und vertrieb das Feuer von seiner Brust... Dann wanderte sie wieder zu seinem Gesicht und beschloß schließlich, auf seiner Stirn zu verweilen.... und immer noch lächelte ihn Miss Parker an.

Miss Parker glättete noch ein letztes Mal das kühle Tuch, daß sie auf Jarods Stirn gelegt hatte. Dann knöpfte sie die obersten Knöpfe seines Pyjama-Oberteils wieder zu und verließ den Raum.





Kontakt: Feedback an Foxee

Dies ist mein erstes FanFic und ich bin für jede Art von Feedback dankbar. Schreibt mir, ob es euch gefallen hat oder was ich besser machen soll. ;-)
Kapitel 4 by foxee
Rechtliche Hinweise: Die bekannten Charaktere der Fernsehserie The Pretender gehören wie jeder weiß MTM und NBC. Also dient meine kleine Geschichte keinerlei kommerziellen Zwecken, sondern dient nur der Unterhaltung... und zur Überbrückung der Wartezeit auf Neues von unserer beliebten Fernsehserie.
Spoiler: Bis zum Ende der vierten Staffel .




Der Pakt
© by Foxee

Kapitel 4






Drei Tage später.

Miss Parker parkte ihren Wagen, schnappte sich ihre Tasche vom Beifahrersitz und marschierte zum Eingang des Centers. Sie war seit dem Gespräch mit diesem Mr. Smith nicht mehr im Center gewesen, statt dessen mußte sie nach Florida fliegen, um dort an einem Empfang für einige hohe Tiere teilzunehmen. Ihr Vater hatte ihr früher schon immer gesagt, wie wichtig solche Veranstaltungen für ihre weitere Karriere waren...

Verdammt, sie haßte diese `Pflichtveranstaltungen`. Nichts als aufgeblasene Schnösel, die sie den ganzen Abend langweilten, während sie lächelte und sich im Stillen ausmalte, was sie am liebsten alles mit ihnen anstellen würde... Die wenigsten hätten diesen Abend vermutlich überlebt!

Aber ihr Vater war... `verhindert` gewesen, ebenso wie ihr lieber Bruder, und so blieb ihr mal wieder nichts anderes übrig, als die Familie zu vertreten. Am liebsten hätte sie auch alles abgesagt... sie hatte schließlich genug zu tun! Und dann war da immer noch Jarod...

Inzwischen war sie am Fahrstuhl angekommen und wartete.

Vor ihrer Abreise hatte sie noch Sydney Bescheid gegeben. Er war völlig aus dem Häuschen gewesen und das, obwohl sie ihm gar nicht alles erzählt hatte. Nur in groben Zügen... warum sie Jarod in sein altes Zimmer gebracht hatte, und daß er jetzt wieder zu ihm durfte. Dann hatte sie kurz gezögert, ob sie ihm von dem Gespräch mit Mr. Smith erzählen sollte – sie brauchte eigentlich wirklich einen Freund, mit dem sie darüber reden konnte. Doch sie entschied sich dagegen. Zuerst wollte sie mit Jarod sprechen, in aller Ruhe, wenn es ihm besser ging. Also sagte sie Sydney nur, daß sich einige Veränderungen ergeben hatten über die sie noch nichts genaues wußte und schickte ihn dann davon. Das war vor drei Tagen gewesen.

Allerdings hatte sie einige Male von Florida aus angerufen um zu sehen, ob auch alles nach ihren Wünschen läuft... besonders, ob Broots endlich einen Schritt weiter gekommen war. Dabei hatte sie sich dann ganz beiläufig nach Jarod’s Zustand erkundigt. Wie es aussah war sein Fieber gesunken, doch der Arzt hatte ihm mindestens eine weitere Woche strenge Bettruhe verschrieben. Und Sydney umsorgte ihn natürlich rührend wie eine Glucke. Miss Parker schnitt eine Grimasse als sie sich plötzlich das Bild vorstellten mußte, wie Sydney Jarod mit Haferbrei fütterte...

„Oh Miss Parker! Gut gelaunt?” begrüßte sie eine warme Stimme in ihrem Büro.

Sie ließ die Tasche fallen und warf ihren Mantel über einen Stuhl. „Ja Syd, sie werden es nicht glauben... aber es gibt tatsächlich Dinge, die schlimmer sind als das Center.“

Der ältere Mann hob fragend die Augenbrauen und wartete geduldig darauf, daß sie weiterredete.

„Und das sind...“ sie streckte sich. Nach dem langen Flug zurück war ihr Rücken ganz steif. „Abendessen mit einer Ansammlung der stumpfsinnigsten, arrogantesten und absolut dümmsten Männer, die man überhaupt innerhalb kürzester Zeit auftreiben kann. Ahh, und ich hatte das Glück an einem Tisch zu sitzen mit den Jones-Brüdern. Sie wissen doch noch, die leiten die Abteilung des Centers in England.“

Sydney schmunzelte in seiner gewohnten Manier und nickte zustimmend.

„Ehrlich Syd, das ist schon fast beängstigend. Bei denen ist die Langeweile offensichtlich genetisch festgelegt.“

Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und blätterte in den Akten, die in der Zwischenzeit hinzugekommen waren. „Hat Broots irgendwelche Fortschritte gemacht?“

Sydney nahm ihr gegenüber Platz. „Er hat nichts neues gefunden, daß einen Hinweis auf die Identität des Hackers liefert, wenn sie das meinen. Aber er bemüht sich weiter.“

Miss Parker rieb sich mit leisem Stöhnen über die Augen. „Nur bemühen reicht aber leider nicht, Sydney. Wie brauchen etwas handfestes. Na schön, gibt es sonst noch etwas neues?“

„Oh, für die wirklich große Neuigkeit sind SIE doch eigentlich zuständig, Miss Parker.“ entgegnete der andere.

Miss Parker schaute überrascht auf. „Wie meinen sie das?“

„Nun, ich meine Jarod. Im Center laufen inzwischen die wildesten Spekulationen. Daß nicht mehr Lyle für ihn zuständig ist, sondern sie. Andere erzählen über eine Verlegung nach Afrika.“ Der ältere Mann beobachtete sie sehr genau. „Es sind sogar Gerüchte im Umlauf, daß Triumvirat hätte seine Finger im Spiel.“

Miss Parker stöhnte leise. Da war sie nur mal drei Tage weg und aus einem `kleinen` Geheimnis wurde gleich ein ganzes Buschfeuer über dem sich die Meisterköche der Gerüchteküche ihr Süppchen zusammenbrauten.

„Wissen sie,“ begann Sydney in väterlichem Tonfall, „sie müssen mir ja nicht immer alles erzählen, aber... denken sie nicht, daß es da jemanden gibt, der ein Recht darauf hat zu wissen, was mit ihm passiert?“

Nachdenklich starrte Miss Parker vor sich hin.

„Er hat mich übrigens grad heute morgen darum gebeten ihnen auszurichten, daß er gerne mit ihnen sprechen würde. Er schien ein wenig... durcheinander und besorgt zu sein.“

Damit stand er auf und verließ das Büro. Miss Parker schaute ihm gedankenverloren hinterher. Sie lehnte sich im Sessel zurück und schloß die Augen. Vor diesem Gespräch, das da vor ihr lag, hatte sie sich gefürchtet. Doch Sydney hatte recht. Es mußte sein. Jarod hatte ein Recht darauf Bescheid zu wissen.

Sie seufzte tief, dann machte sie sich auf den Weg zu seinem Zimmer.



Jarod’s Zimmer

Miss Parker schritt mit energischen Schritten über den Gang und versuchte dabei so gut es ging das Getuschel der Center-Mitarbeiter zu überhören, daß sie den ganzen Weg über verfolgt hatte. Als sie endlich vor der Tür stand wollte sie schon in gewohnter Manier die Klinke ergreifen und ins Zimmer marschieren, doch im letzten Moment entschied sie sich anders und klopfte statt dessen an die Tür. Wenn sie ihm schon etwas Privatsphäre verschaffen wollte, dann sollte sie mit gutem Beispiel vorangehen und nicht einfach so in sein Zimmer stürmen.

Trotzdem war sie überrascht von drinnen hektische Geräusche und ein: „Einen Moment, bitte.“ zu hören.

Drinnen zog sich Jarod schnell ein Hemd über, bevor er an die Tür ging und sie öffnete.

Miss Parker war überrascht, daß er selber an die Tür kam... und noch mehr, daß er keinen Pyjama trug, sondern Jeans und Hemd.

Die zwei schauten einander an, dann machte Jarod schnell Platz und ließ sie eintreten. Sie ging einige Schritte ins Zimmer und blieb dann stehen. Verlegenes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus.

Schließlich war es Miss Parker, die als erste sprach. „Uhm... Jarod... es freut mich zu sehen, daß es dir besser geht. Aber hatte der Arzt dir nicht Bettruhe verschrieben?“

Jarod sah sie kurz an, dann senkte er den Kopf und schaute in eine andere Ecke des Zimmers. „Ja, ich weiß... Aber ich mußte mich einfach mal ein wenig bewegen... nur im Bett zu liegen macht mich ganz kirre... außerdem wollte ich duschen.“

Sie nickte automatisch mit dem Kopf, doch das WAS er sagte registrierte sie eigentlich nur am Rande... Warum sah er sie nicht an? Warum vermied er es so demonstrativ, ihr in die Augen zu schauen?

„Ich verstehe... Ich halte mich auch nie an solche Anweisungen von Ärzten... Sobald ich mich einigermaßen fühle bin ich auf den Beinen und...“ sie grinste in Erinnerung an die armen Ärzte und Krankenschwestern, die jedesmal an ihr verzweifelten...

Jarod starrte immer noch vor sich her.

„Ich war nur etwas überrascht,“ versuchte sie ein unverfängliches Gespräch anzufangen, „als du mir persönlich die Tür geöffnet hast. Ich meine...“

Jarod zuckte zusammen. „Eine Wache vor der Tür ist nicht mehr notwendig.“ sagte er mit soviel Verbitterung in der Stimme, daß Miss Parker verblüfft die Augenbrauen hob. „Ich...“ er ballte die Fäuste und senkte den Kopf noch mehr. „Ich... kann ja... nicht mehr weglaufen...“

Miss Parker war geschockt... dann verstand sie plötzlich. „Mr. Smith war also schon hier?“ Es war mehr eine Aussage als eine Frage.

Wieder folgte ein Schweigen. Diesmal wußte auch Miss Parker nicht, was sie sagen sollte.

„Warum?“ Jarods geballte Fäuste zitterten vor Anspannung. Er wirbelte herum und stand plötzlich direkt vor ihr. Sie erschrak, wollte zurückweichen, sich auf einen möglichen Angriff von ihm vorbereiten... doch dann sah sie seine Augen... da war keine Wut... da war nur Verzweiflung... unendliche Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit... und Traurigkeit.

„Warum hast du das getan?“ fragte er wieder. „Warum hast du mir das angetan?“ er schrie ihr die Frage ins Gesicht.

Hilflos schaute sie ihn an... Was sollte sie darauf antworten?

Aber auch er hatte keine Kraft mehr... Er ließ die Schultern hängen, drehte sich um und setzte sich aufs Bett. Entmutigt und trostlos schlug er die Hände vor das Gesicht und flüsterte noch einmal: „Warum?“

Jarod so zu sehen, zerriß ihr das Herz. Hatte sie sich auch all die Jahre eingeredet, daß er ihr gleichgültig war... einen Teil von ihr hatte sie offensichtlich nicht überzeugen können. Am liebsten wäre sie zu ihm gegangen und hätte ihn in den Arm genommen, doch dazu war sie zu feige.

„Ich... ich hatte keine Wahl.“ brachte sie schließlich hervor.

Ohne die Hände wegzunehmen schüttelte er schwer den Kopf. „Warum hast du mich nicht einfach sterben lassen?“

Ihr stockte für einen Moment der Atem. Dann setzte sie sich zu ihm aufs Bett, schob mit sanftem Druck seine Hände beiseite, nahm seinen Kopf in beide Hände und drehte ihn zu sich. „Jarod, schau mich an!“

Widerstrebend ließ er seinen Kopf drehen und schaute sich verunsichert an.

„Das meinst du doch nicht ernst?!“

Er antwortete nicht, sondern schlug die Augen nieder.

„Jarod!“

Er schaute sie wieder an.

„Du... du kannst wütend auf Lyle sein, daß er so ein sadistisches Arschloch ist... Oder wütend auf mich, daß ich nicht früher etwas dagegen unternommen habe... Du kannst von mir aus auch wütend auf mich sein, weil ich diesem Pakt zugestimmt habe... Aber du kannst mir doch nicht vorwerfen, daß ich nicht tatenlos zugesehen habe, wie du stirbst...“ Jetzt fing sogar ihre Stimme an, zu zittern. „Das... das konnte ich nicht!“

In seinen Augen spiegelte sich Überraschung.

Sie ließ seinen Kopf los... diese körperlich Nähe verunsicherte sich plötzlich, und das konnte sie sich nicht leisten... Sie brauchte einen klaren Kopf.

„Dieser Pakt...“ begann sie wieder, „Ich... weiß, was das für dich bedeutet. Aber es war die einzige Möglichkeit zu verhindern, daß du zu irgendwelchen Typen nach Afrika gebracht wirst, die mit allen Mitteln versuchen wollen, deinen Willen zu brechen.“ Sie schwieg einen Moment. „Und da hast du recht... dann hätte ich genauso gut zusehen können, wie du stirbst. Denn das Ergebnis käme auf das selbe raus.“

„Parker...“

„Nein, laß mich... laß mich noch etwas sagen.“ Sie holte tief Luft. „Ich weiß, ich kann dir deine Freiheit nicht wiedergeben... jetzt vielleicht noch weniger als früher, aber... na ja, vielleicht kann ich wenigstens dafür sorgen, daß dein Aufenthalt hier nicht so... furchtbar wird wie damals... Ich meine auch deine Zeit als Kind. Ich weiß noch, daß du immer so gern nach draußen wolltest, lange bevor du überhaupt an einen Ausbruch dachtest.“

Jarod nickte, die Erinnerung an seine Kindheit ließ einen dunklen Schatten über seine Augen huschen. Wie oft hatte er Sydney darum gebeten, hatte ihn angefleht, ihm versprochen auch ganz brav wieder mitzukommen. Er wollte doch nur mal raus, die Sonne sehen... oder den Schnee... nur für 10 Minuten. Doch es gab Leute, die das nicht erlaubten. Und Sydney konnte ihm nicht helfen.

„Ich habe schon mit Mr. Smith gesprochen. Er war zwar nicht sonderlich begeistert, aber er ist einverstanden, daß du nicht nur im Gebäude bleiben mußt. Vorerst darfst du zwar nur in Begleitung raus, aber... na ja, wer weiß was man da noch machen darf.“

Jarod drehte sich weg und lachte bitter. „Aha, dann gestatten sie der Laborratte also einen täglichen Freigang mit Wachhund.“

„Du bist unfair!“ platzte Miss Parker heraus.

„Was hättest du denn gemacht, wenn du an meiner Stelle gewesen wärst? Hättest du eine andere Möglichkeit gewußt?“

Er ließ den Kopf hängen und schüttelte ihn träge.

„Hättest du abgelehnt, wenn das Triumvirat dir diesen Pakt angeboten hätte?“

Jarod schloß die Augen... und schüttelte wieder den Kopf. Sie hatte recht... das Triumvirat hatte ihr keine Wahl gelassen – und ihm auch nicht.

Eine Weile schwiegen beide wieder.

„Hat Mr. Smith mit dir über die `Projekte` geredet?“

„Ja, hat er.“ Jarod schaute sie schräg von unten an. „War das deine Idee?“

„Uhm...“ Miss Parker schaute verlegen auf den Fußboden. „Ja. Eigentlich kann ich gar nicht fassen, daß er darauf eingegangen ist.“

Als Jarod ihre Hand ergriff wäre sie fast vor Schreck aufgesprungen; nur mit Mühe konnte sie ihre Reaktionen unter Kontrolle halten. Er schaute ihr so tief in die Augen, daß sie plötzlich dieses Kribbeln wieder spürte. ‚Reiß dich zusammen, verdammt noch mal.’ schimpfte sie mit sich selbst.

„Danke.“ Das etwas schüchterne Lächeln um seinen Mund bewies, daß er es ehrlich meinte. „Das... macht die ganze Sache vielleicht weniger schlimm.“

Miss Parker lächelte zurück und drückte seine Hand.
Doch plötzlich fiel ihr etwas ein: ‚Verdammt, die Kameras!!!’. Wie vom Blitz getroffen fuhr sie zusammen, zog ihre Hand weg und schaute hektisch an die Decke.

Jarod schreckte überrascht zurück, doch dann verstand er, was ihr Angst machte und konnte nicht anders, als leise zu lachen.

Miss Parker suchte unruhig mit ihren Augen die Decke ab, als sie ein leise glucksendes Geräusch neben sich hörte. Als sie sich zu ihm umdrehte, versuchte er verzweifelt ein ernstes Gesicht zu machen, wobei er aber hoffnungslos versagte. Tadelnd schaute sie ihn an.

Er biß sich auf die Zunge... kein Grund, sie zu verärgern. „Die Kameras...“ er machte eine Handbewegung zu der von ihr in Augenschein genommenen Decke, „sind kurz nach dem Gespräch mit Mr. Smith abmontiert worden. Ich hab es überprüft, sehr gründlich. Niemand kann uns hier sehen oder hören.“

Sie nickte... ‚Niemand kann uns hier sehen oder hören...’ – hm, sie war sich nicht sicher, ob sie das beruhigte oder noch nervöser machte.

„Tja...“ ‚Oh Gott, reiß dich zusammen und stammele hier nicht rum wie ein Teenager!’

Doch auch Jarod schien auf einmal nicht so recht zu wissen, was er sagen sollte. War das das Fieber, das sein Herz schneller schlagen ließ, oder war es vielleicht etwas anderes?

Verlegen saßen die beiden nebeneinander auf der Bettkante und starrte in verschiedene Richtungen. Die bedrückende Stille zwischen ihnen wurde nur ab und zu durch Jarods Husten unterbrochen.

Miss Parker schaute sich suchend um. „Weißt du...“ fing sie an, „du solltest einen Fernseher in deinem Zimmer haben. Dann kannst du dich wenigstens etwas beschäftigen, wenn du schon allein im Bett liegst.“

Jarod war froh, daß sie wieder ein Gespräch angefangen hatte, aber schaute sie etwas verwundert an.

‚Brillant! Einfach großartig!’ schimpfte sie in Gedanken, ‚Wieso interessiert es mich, was er im Bett macht? ... allein... Verdammt, wo kam dieser blöde Gedanke nur her?’ Aus den Augenwinkeln sah sie Jarods Blick. Sie hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. ‚Was denkt er jetzt wohl?’ Sehr zu ihrem Ärger zeigte sich ein leichter Anflug von Röte auf ihren Wangen.

Jarods Gesicht zeigte zuerst Erstaunen und Unverständnis... dann ein schelmisches Leuchten in den Augen und ein verschmitztes und – wie Miss Parker fand – absolut `männliches` Grinsen.

Sie war sich nicht sicher, ob sie sich selbst, oder lieber ihn in den Hintern treten sollte, wegen der Gedanken, die ihnen offensichtlich beiden gekommen waren...

Schließlich antwortete Jarod ihr. „Ja, das ist eine gute Idee. Dann bekomme ich auch ein wenig mit, was draußen in der Welt so alles passiert.“

Gut, er brachte das Gespräch wieder auf ein ungefährliches Terrain. Miss Parker war dankbar dafür...

„Und für etwas ‚Unterhaltung’ ist auch gesorgt.“ Seinen wachsamen Augen entging natürlich Miss Parkers Unbehagen nicht... und der fragenden und gleichzeitig warnende Blick, den sie ihm zuwarf. Der schelmische Gesichtsausdruck wurde eine Spur breiter. „Sie wissen ja, daß ich nachts immer sehr schlecht schlafen kann...“

Sie funkelte ihn erbost an, empört darüber, daß er ihren kleinen Ausrutscher ausgenutzt hatte. Als sie sich von ihm wegdrehte und abrupt aufstand, fiel sein Grinsen in sich zusammen und er beeilte sich, hinter ihr her zu kommen.

„Miss Parker, warten sie!“ flehte er.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und drehte sich zu ihm um... Und hätte fast ihr imposantes Auftreten durch ein Grinsen kaputt gemacht.

Jarod stand vor ihr wie ein Schuljunge, der sich einen Streich erlaubt hatte und nun zu seiner Lehrerin schlich, um ihr von seiner Dummheit zu beichten.

„Es tut mir leid. ... Ich wollte sie nicht verärgern...“

Miss Parker biß sich auf die Zunge um weiter ein strenges Gesicht zu machen. Es war wirklich unglaublich, wie Jarod von einer Sekunde zu anderen seine ganze Erscheinung verändern konnte... In einem Moment war er ein erwachsener Mann der sie mit seinen tiefen dunklen Augen auf eine Art und Weise ansah, daß selbst sie Herzklopfen davon bekam; dann wieder konnte er schauen wie ein kaltherziger unbarmherziger Killer, bei dessen Blick jedem ein kalter Schauer den Rücken runterlief; und dann wieder... ja dann konnte er unschuldig und herzergreifend wie ein kleiner Junge aus seinen bittenden Augen schauen und es war ihr einfach unmöglich, ihm noch böse zu sein.
Zugegeben, sie regte sich eigentlich über ‚nichts’ auf. Sie konnte es selbst nicht begreifen. Sonst war sie doch diejenige, die andere mit derartigen Andeutungen überraschte und aus der Reserve lockte... doch jetzt... was war nur los mit ihr.

Sie schüttelte den Kopf um ihn wieder klar zu kriegen. „Du hast... mich nicht verärgert. Ich bin einfach nur müde, das ist alles.“

„Sie sind nicht böse?“

„Nein.“ Gott, dieser Hundeblick... am liebsten würde sie sich ihn schnappen, seinen Kopf zu sich ziehen und... ‚Stop das!!! Woher komme das nun schon wieder???’

Jarod atmete sichtlich erleichtert auf.

„Es tut mir leid, daß sie meinetwegen soviel durchmachen mußten.“ murmelte er leise.

„Oh, ich bin schon o.k.“ antwortete sie mit einem verschmitzten Lächeln. „Aber ich hoffe, DU kannst damit leben, mich als deinen Boß zu haben.“ Fast drohend stützte sie die Hände in die Hüften.

„Uhm...“ Jarod schaute sie schräg von unten durch halbgeschlossene Augen an. „Das könnte ein... interessante Erfahrung werden.“

Wieder spürte sie das Kribbeln, daß sich aber diesmal vom unteren Ende ihrer Wirbelsäule hocharbeitete.

„Nun, das werden wir noch sehen. Also, als dein BOSS...“ Gott, sie liebte die Vorstellung, ihn herumkommandieren zu können, „ist es mein Wunsch, daß du dich so schnell wie möglich wieder an die Arbeit machst. Allerdings stimme ich dem Arzt zu, daß du noch etwas Schonung brauchst. Also hast du noch eine Woche ‚frei’. Danach kann Sydney anfangen, mit dir zu arbeiten. Ich denke, bis dahin wird er auch einige passende Projekte ausgegraben haben.“

Jarod verdrehte mit einem Seufzen die Augen, nickte aber ergeben.

Sie drehte sich um und ging Richtung Tür. „Ach und noch etwas...“ rief Miss Parker über ihre Schulter. „Auch wenn du einen Fernseher kriegst... denk daran, daß du... ausreichend RUHE bekommst... vor allem nachts...“
Jetzt, mit einer größeren Distanz zwischen sich und Jarod hatte sie schnell wieder zu ihrem alten Ich zurückgefunden und warf ihm einen verschmitzten Blick zu.

Jarod war einen Moment sprachlos, doch bevor er die Chance hatte, ihr zu antworten, hatte sie die Tür hinter sich geschlossen.

Jarod starrte auf die Tür und schüttelte den Kopf. Er dachte über ihr Gespräch nach und wunderte sich, wann und vor allem WIE es zu dieser seltsamen Wendung gekommen war. Was sollten diese Andeutungen von ihr ... und warum hatte ER gesagt, was er gesagt hatte.

Sein Herz schlug immer noch laut gegen seinen Brustkorb. Während er über die letzten Minuten grübelte fiel ihm auf, daß da wohl irgendwie sein Mund schneller gewesen war, als sein Gehirn, sonst hätte er so was doch nicht gesagt. Aber wie kam das? WOHER kam das? Es war, als hätte ein Teil von ihm die Führung übernommen, den er gar nicht kannte... der so viele Jahre im Center unterdrückt worden war.

Aber was war mit ihr? Hatte sie auch etwas gefühlt? Oder spielte sie nur ein Spiel mit ihm?

Erschöpft setzte er sich wieder auf die Bettkante. Was dachte er da bloß? Sie war Miss Parker! Die starke, unnahbare Miss Parker! Diejenige, die ihm immer und immer wieder klargemacht hatte, was sie von ihm hielt. Warum sollte sie auf einmal etwas für ihn empfinden?

‚Sie hat dir das Leben gerettet!’ warf ein Teil seines Gehirns ein.

‚Sie hatte doch nur Mitleid mit dir!’ konterte ein anderer.

‚Sie hätte es nicht tun müssen.’ antwortete der erste wieder.

‚Gut, sie ist kein herzloser Killer. Aber dann hätte sie das auch für jeden anderen getan.’ gab der andere zu bedenken.

‚Und was ist mit dem Pakt? Sie riskiert eine Menge dabei!’ verteidigte sich der erste.

‚Hey, sie hat dich genau da, wo sie dich schon immer haben wollte! Sie ist der Boß und du tanzt nach ihrer Pfeife!’ bemerkte der andere schnippisch.

„Na na!“ tadelte Jarod seinen imaginären Streithahn laut.

‚Sie hat sich auch um dich gekümmert, als du krank warst. Sie hat dir die Stirn gekühlt und...’ meldete sich der erste noch einmal kleinlaut.

‚Oh bitte!’ fuhr der andere empört dazwischen. ‚Krieg dich mal wieder unter Kontrolle. Du bist kein liebeskranker Teenager. Mach dich nicht lächerlich. Du bist ein wertvolles Projekt für das Center, also auch für sie. Mehr sieht sie nicht in dir. Du versuchst immer noch das Mädchen, daß du früher kanntest, in ihr zu finden. Vergiß es! Sie hat es dir oft genug gesagt: Die Menschen verändern sich. Und es sind immerhin 20 Jahre seitdem vergangen. Warum glaubst du, sollte sie irgendwelche Gefühle für dich haben? Weil sie dir vor 20 Jahren mal einen Kuß gegeben hat? Pah! DU bist derjenige, der die ganze Zeit an sie gedacht hat, all die Jahre... SIE hat dich vergessen, als sie das Centre verließ und hat seitdem nie wieder einen Gedanken an dich verschwendet... Na ja, außer vielleicht, wie sie dich wieder einfangen kann.’

Jarod hatte keine Lust mehr, sich das länger mit anzuhören. Es tat weh, weil es eine Sichtweise war, die er immer versuchte zu verdrängen... und weil es ja stimmte. Und er brauchte auch keine andere Person, die ihm das sagte, er wußte es selber... doch er wollte nicht daran erinnert werden – nicht mal von seinen eigenen Stimmen.

„Es ist ja wahr... Sie hat so oft gesagt, wie sie wirklich über mich denkt... Ich... ich mache mir nur selbst etwas vor, wenn ich denke, daß sie etwas für mich empfindet“

Bitter lachte er auf. „Jetzt diskutiere ich schon mit mir selbst...“ er schüttelte schwer den Kopf. „Ist das das Fieber... oder werde ich langsam verrückt?“

Er schüttelte traurig den Kopf, dann holte er sich einen neuen Pyjama aus dem Schrank, zog sich um und legte sich wieder ins Bett.





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Dies ist mein erstes FanFic und ich bin für jede Art von Feedback dankbar. Schreibt mir, ob es euch gefallen hat oder was ich besser machen soll. ;-)
Kapitel 5 by foxee
Rechtliche Hinweise: Die bekannten Charaktere der Fernsehserie The Pretender gehören wie jeder weiß MTM und NBC. Also dient meine kleine Geschichte keinerlei kommerziellen Zwecken, sondern dient nur der Unterhaltung... und zur Überbrückung der Wartezeit auf Neues von unserer beliebten Fernsehserie.
Spoiler: Bis zum Ende der vierten Staffel .




Der Pakt
© by Foxee

Kapitel 5







24. April, Miss Parkers Büro

Miss Parker saß an ihrem Schreibtisch und blätterte lustlos in einigen Unterlagen. Wie schon so häufig in letzter Zeit schweiften ihre Gedanken ab - zu Jarod. Und jedes Mal, wenn sie sich dabei ertappte, hätte sie sich am liebsten selbst in den Hintern getreten. Doch es änderte nichts.

Das Gespräch mit ihm war jetzt 4 Tage her. Sie war seitdem nicht mehr in seinem Raum gewesen... sie wollte vermeiden, daß die Gerüchteküche, die ohnehin schon kräftig brodelte, noch weiter angeregt wurde. Und sie wollte vermeiden, daß sie... nun ja...

Sie mußte zugeben, daß sie ein wenig Angst hatte vor den Gefühlen, die Jarod in ihr weckte. Obwohl das eigentlich lächerlich war!! Sie, die Eisprinzessin, hatte Angst vor irgend etwas... und noch dazu vor einem Gefühl! Doch es war nicht das Gefühl selber, vor dem sie sich fürchtete, sondern daß sie es nicht kontrollieren und vor allem nicht abstellen konnte. Es machte sie schwach - zumindest redete sie sich das ein. Natürlich wußte sie es eigentlich besser. Doch all die Jahre im Centre, all die Predigten ihres Vaters, davon, daß Gefühle ein Zeichen von Schwäche sind und nur die Starken überleben... all das und noch mehr in ihrem Leben ließen sie dieses Gefühl, so angenehm es auch sein mochte, fürchten.

Sie wurde von einem Klopfen an der Tür aus ihren Gedanken gerissen.

"Kommen sie rein, Broots!"

Der Techniker steckte seinen Kopf zur Tür herein und schaute sie überrascht an. "Woher wußten sie, daß ich es bin?"

"Nun, mein Vater kommt nie hierher, mein Bruder klopft nicht an und Sydney's Klopfen klingt irgendwie... anders. Also blieben ja nur noch sie."

Broots schloß die Tür hinter sich und kam zum Schreibtisch. "Nun, es hätte auch noch einer der Sweeper sein können."

Miss Parker verschränkte die Finger ungeduldig. "Die klopfen energischer, wenn es um wichtige Dinge geht, oder warten vor der Tür, bis ich rauskomme, wenn es nicht so wichtig ist. Also, was gibt es, Broots?"

Der andere war etwas verwirrt, besann sich dann aber auf die Unterlagen unter seinem Arm und überreichte sie ihr wortlos.

Miss Parker hob fragend eine Augenbraue und begann in den Papieren zu blättern. "Ist es das, wofür ich es halte?"

"Es ist ein fertiger Abschlußbericht über den Fall." bestätigte er.

Sie blätterte noch ein wenig weiter und ihre Überraschung wuchs. "Broots! Das ist ja wirklich erstaunlich. Und vor 5 Tagen sagten sie noch, daß sie in einer Sackgasse feststecken. Und jetzt überraschen sie mich mit einem abgeschlossenen Bericht. Und was ist das?" Sie legte das oberste Bündel beiseite und überflog das zweite. "Sie sind in SEINEN Computer gehackt und haben alle seine Daten kopiert???" Sie lachte auf. "Ich wette, der hat ganz schön blöd aus der Wäsche geguckt. Na ja, es ist nur dumm, daß ihn das natürlich nervös gemacht hat. Ich wette, ein Sweeper-Team würde dort nur noch leere Räume finden. Aber egal, sollen sie halt ‚den Dreck wegräumen'"

Sie blätterte durch die Auflistung der kopierten Daten und nickte einige Male anerkennend. "Mir scheint, da war aber einer fleißig. Er hat sich sogar bei Regierungsrechnern bedient. Hm... Jetzt fehlt nur noch eine Analyse, wie er durch das Centre-Sicherheitssystem kommen konnte."

"Ähm... Letzte Seite." warf Broots kleinlaut ein.

Miss Parker schaute verwundert auf und blätterte zur letzten Seite. Schließlich legte sie alle Unterlagen zur Seite und schaute Broots anerkennend an. Doch der trat verlegen von einem Bein auf das andere.

"Ok, was ist los?" fragte Miss Parker.

"Der Bericht..." druckste er herum. "Der... der Bericht ist nicht von mir." So, jetzt war es raus. Und er fühlte sich auch gleich besser.

Miss Parker blieb erstaunlich ruhig. "Und von wem ist er dann?"

"Jarod."

Miss Parker nickte, sagte aber nichts. Das erklärte natürlich einiges.

Broots fuhr fort, erleichtert, ihr alles erzählen zu können. "Er muß von Sydney gehört haben, daß ich in der Sache nicht weiterkomme und daß die Centre-Führung sie und mich unter Druck gesetzt hat. Da hat er wohl selbst ein paar Nachforschungen angestellt."

"Ich verstehe. Und warum stehen sie dann vor mir wie ein verschüchterter Schuljunge?"

"Nun, wissen sie... Es war ja sein Verdienst, daß wir den Hacker aufgespürt haben und... Ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken."

Miss Parker lächelte ihn an. Broots war einfach zu ehrlich und zu bescheiden um ein Lob zu akzeptieren für anderer Leute Arbeit. Das war einer der Gründe, weshalb er im Centre nie die Macht- und Karriereleiter erklimmen würde - aber auch der Grund, weshalb sie ihn, trotz aller seiner Fehler und Macken, als Mitarbeiter und Freund schätzte. Nur würde sie ihm das nie sagen!!

"Und was sagt Jarod dazu?"

Überrascht schaute er sie an. "Wie meinen sie das? Ich, ähm, ich hab noch gar nicht mit ihm gesprochen, seit er wieder hier ist."

"Nun, er hat den Bericht in ihrem Namen geschrieben."

Broots nickte. Das hatte er auch schon gesehen. Und: Jarod hatte den Bericht in SEINEN Raum bringen lassen und nicht in das Büro von Miss Parker.

"Ich denke, er möchte, daß sie den Bericht in ihrem Namen abgeben."

Broots blieb skeptisch.

"Außerdem," fuhr sie fort, "hat er schließlich auf IHRER Vorarbeit aufgebaut. Machen sie sich keine Sorgen. Jarod ist nicht so kleinlich. Wenn er Leuten hilft, dann macht er es gerne und hat auch keine Hintergedanken dabei - ganz im Gegensatz zu den Leuten im Centre."

Broots nickte. Ihm war Jarod immer ein Rätsel gewesen. Einerseits hatte er Angst vor ihm, andererseits aber den allergrößten Respekt. Er bewunderte ihn, nicht nur wegen seiner Intelligenz, sondern vor allem, daß er es geschafft hatte trotz all der Jahre im Centre ein guter Mensch zu bleiben und anderen mit Freundlichkeit zu begegnen.

"Haben sie sonst noch etwas auf dem Herzen, Broots?" fragte Miss Parker.

"Ähm, nein..."

"Dann schlage ich vor, sie bringen den Bericht zu meinem Bruder und sagen ihm, daß meine... unsere Aufgabe hiermit erledigt ist und daß ich es ihm überlasse, vor Ort aufzuräumen." Damit wandte sie sich wieder anderen Papieren auf ihrem Schreibtisch zu.

Broots sammelte alle seine Unterlagen zusammen und verließ ihr Büro. Obwohl er immer Angst vor Mr. Lyle hatte, freute er sich dieses mal ein wenig auf ihr Zusammentreffen. Nun konnte er nicht mehr auf ihm herumhacken. Das Fall war geknackt. Gut, Jarod hatte den Löwenanteil gemacht, aber er beschloß, Mr. Lyle gegenüber nichts zu erwähnen. Miss Parker hatte vielleicht recht... vielleicht wollte Jarod ihm damit eine Freude machen... und ein Vergnügen würde es sein, Mr. Lyle's Gesicht zu sehen.

In ihrem Büro betrachtete Miss Parker mit einem verschmitzten Lächeln, wie Broots beschwingt den Raum verließ. Sie grinste und schüttelte den Kopf. ‚Jarod!'










27. April, das Centre, SL 13

6:45 Uhr. Jarod kam aus dem Badezimmer, nur mit einem Handtuch um die Hüften. Sein erster ‚Arbeitstag' im Centre als einer ihrer ‚Angestellte'. Er stöhnte innerlich auf. Wie hatte es nur so weit kommen können? ER arbeitete für das Centre! Irgendwie glaubte er nicht daran, daß sich etwas ändern würde im Vergleich zu den 30 Jahren, die er hier verbracht hatte. Im Schrank hingen dieselben Klamotten, im Simulationsraum erwarteten ihn dieselben Gesichter und dieselben Aufgaben... Sein Leben würde so trostlos sein wie früher... und so grau wie Sachen, die er widerwillig aus dem Schrank nahm. Je länger er sie anstarrte, desto verhaßter wurden sie ihm. Sie repräsentierten alles, was er hinter sich lassen wollte. Aber was sollte er tun? Also warf er sie mit einem weiteren Stöhnen aufs Bett und zupfte an seinem Badetuch...

...und stopfte den freien Zipfel jäh wieder an seinen Platz als er ein energisches Klopfen an der Tür hörte. Er warf einen schnellen Blick auf die Uhr. Es war eigentlich zu früh, um ihn abzuholen. Seine Arbeit begann gewöhnlich um 7:30 Uhr. Na ja, wer auch immer da vor der Tür war, er würde ihn ja wohl nicht halbnackt mitnehmen wollen. Aber andererseits war ihm das im Moment auch egal, so sehr war seine Stimmung an diesem Morgen in den Keller gerutscht.

Mit einem, "Was ist denn?" zog er die Tür schwungvoll auf.

Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, DIESE Person vorzufinden.

"Na das ist mal eine Begrüßung für die es sich lohn, früher aufzustehen..." begrüßte ihn eine überraschte - zugegebenermaßen angenehm überraschte - Miss Parker und ließ ihren Blick unverhohlen über seinen muskulösen Körper wandern.

Rasch schloß er die Tür wieder ein Stück und verbarg sich hinter ihr. Ihm war die Situation ziemlich peinlich.

"Oh, sind wir neuerdings schüchtern?" fragte Miss Parker mit dunkler Stimme und sah ihn durch ihre langen Wimpern hindurch verführerisch an.

"Ich... hatte nicht damit gerechnet, daß sie es sind." antwortete Jarod schnell. Jetzt war es sich SICHER, daß sie mit ihm spielte... und er war im Moment nicht in der richtigen Position, um zu kontern.

"Dann würde mich mal interessieren, WEN sie denn erwartet haben..." schnurrte Miss Parker weiter. Sie genoß es offensichtlich, ihn in eine Ecke gedrängt zu haben.

"Niemanden! Ich... Was wollen sie?" Ihm stand der Sinn absolut nicht nach Konversation, während er halbnackt hinter einer Tür geduckt stand.

Miss Parker zeigte Erbarmen und reichte ihm zwei große Tüten durch die Tür.

"Was ist das?" fragte Jarod erstaunt.

"Für sie. Ist ja schlimm genug, daß ich auf Broots keinen Einfluß habe... da will ich nicht, daß noch einer meiner Mitarbeiter als wandelnde Katastrophe rumläuft. Glauben sie nicht, das sei ein Geschenk. Es wird ihnen selbstverständlich vom Gehalt abgezogen!"

Jarod schaute verwirrt auf die Tüten und dann wieder auf sie. Er wunderte sich, was sie mit ‚wandelnder Katastrophe' meinte. Natürlich konnte er nichts wissen von den Streitereien, die es immer wieder zwischen Miss Parker und Broots gab, weil ihr sein ‚Modestil' nicht gefiel.

Miss Parker machte auf dem Absatz kehr. "Ich muß noch eine Akte wegbringen. In 10 Minuten bin ich wieder da. Wenn sie dann nicht fertig sind, gehe ich alleine Kaffeetrinken." Damit marschierte sie in Richtung Aufzüge davon.

Jetzt klappte Jarod wirklich der Kiefer runter. Sie wollte mit IHM Frühstücken gehen?? Das würde er sich ganz sichern nicht entgehen lassen!!

Miss Parker war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war, Jarod zur Cafeteria mitzunehmen... - es war sogar eine hervorragende Idee. Erstens konnte dann jeder gleich sehen, zu WEM er ab jetzt gehörte, und diesen Triumph über ihren Bruder wollte sie sich auf keinen Fall entgehen lassen. Und zweitens war somit sicher gestellt, daß er und auch alle anderen - vorzugsweise die übereifrigen Sweeper anderer Leute - gleich wußten, was er durfte und was nicht.

In seinem Raum hatte Jarod die beiden Tüten jetzt aufs Bett gelegt und begann, eine von ihnen auszuräumen. Er war ziemlich überrascht, als er eine schwarze Jeans herauszog. Mit fragend erhobener Augenbraue schaute er zur Tür - stellvertretend für Miss Parker - und legte die Jeans beiseite. Nach und nach holte er noch eine weitere schwarze Jeans, zweite schwarze und zwei weiße T-Shirts und ein schwarzes Hemd heraus. Er mußte grinsen... wollte sie ihm damit irgend etwas sagen?

Die zweite Tüte war schwerer. Seine Augen wurden immer größer als er hineingriff. Schließlich hielt er eine schwarze Lederjacke in den Händen. Sie sah der, die er selbst einmal besessen hatte sehr ähnlich. Mit sicherem Blick bemerkte er, daß es sich dabei durchaus nicht um ein billiges Stück handelte. Er legte sie vorsichtig zur Seite. Als letztes kam noch eine kleinere Tüte zum Vorschein. In ihr fand er Haarspray, Haargel und einige andere kleine Utensilien.

Na ja, vielleicht würde dieser Tag ja doch nicht so furchtbar werden, wie er gedacht hatte. Der Anfang war zumindest schon mal vielversprechend.

Ein Blick auf die Uhr überzeugte ihn davon, daß er sich lieber beeilen sollte. Also zog er sich schnell um und verschwand noch einmal im Badezimmer.

10 Minuten später klopfte Miss Parker wieder an seine Tür. "Ich gehe jetzt!"

Ohne eine Antwort abzuwarten ging sie schon mal vor. Besonders weit war sie allerdings nicht gekommen, als sie eine Stimme hinter sich hörte.

"Na so was, so was. Haben sie vielleicht Probleme mit ihrem neuen Mitarbeiter?"

Das hatte ihr jetzt noch gefehlt. "Wie kommen sie denn darauf, Lyle?" Langsam drehte sie sich um.

"Na ja, bis jetzt konnte unser Goldjunge ja auf der faule Haut liegen." Lyle kam noch näher. "Aber was machen sie, wenn er keine Lust hat, zu arbeiten?"

"Dieses Problem stellt sich bei mir nicht!" konterte Miss Parker scharf.

Inzwischen blieben immer mehr Mitarbeiter um sie herum stehen und lauschten gebannt.

"Ach nein? Und wie kommen sie darauf? Denken sie, sie werden mehr Glück bei ihm haben bloß weil sie..."

"Das ist nicht mehr ihre Angelegenheit, Lyle. Also halten sie sich da raus!" Miss Parkers Augen blitzten gefährlich.

"Ich denke, da irren sie sich." drohte Lyle.

"Und ICH denke..." ließ ihn eine dunkle Stimme von hinten herumfahren, "sie hat recht."

Lyle hatte ja vieles erwartet, aber DAS nicht. Jarod stand vor ihm ganz in Schwarz gekleidet, mit teurer Lederjacke und - sah er da richtig? - gestylten Haaren... und einem provozierenden Glühen in den Augen. Er ging ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, an ihm vorbei und stellte sich neben Miss Parker.

"Entschuldigen sie meine Verspätung."

Obwohl sie überrascht war, ließ sich Miss Parker nichts anmerken. Betont kühl entgegnete sie: "Das mir das nicht noch einmal passiert!"

Trotz ihrer Bemühungen sah Jarod das triumphierende Leuchten in ihren Augen. Also antwortete er brav: "Nein, Ma'am."

Diesmal war das Getuschel, das um sie herum entstand, Balsam für Miss Parker. Es folgte noch ein kurzes, stummes Kräftemessen zwischen ihr und ihrem Bruder, bei dem sie sich einfach anstarrten, bis Mr. Lyle sich schließlich wutentbrannt umwandte und ohne ein weiteres Wort verschwand.

Erst danach drehte sich auch Miss Parker um und marschierte mit Jarod im Schlepptau zum Fahrstuhl.

Das war noch besser gewesen, als sie es sich ausgemalt hatte!

‚Sieg auf der ganzen Linie!!' sinnierte auf der Fahrt nach oben. Und Lyle war davongezogen wie ein geprügelter Hund!

Plötzlich bemerkte sie, daß Jarod sie amüsiert anstarrte.

"Vorsicht, Miss Parker. Das wäre ja fast... ein Lächeln geworden." neckte er und drehte sich grinsend weg.

Auf einmal fühlte sie sich ertappt. Er hatte recht, innerlich hatte sie so triumphiert, daß er das wohl bemerkt hatte. "Und?" fragte sie wieder gereizt.

"Nichts."

Der Fahrstuhl hielt an und er kam ihr näher, als er ihn verlassen wollte. Leise, so daß nur sie es hören konnte, raunte er: "Es steht ihnen gut."

Am liebsten hätte sie ihn dafür laut beschimpft, aber nun waren sie von mehreren Leuten umgeben, so daß sie sich lieber ihren Kommentar verkniff. Verdammt, das hatte er ja mal wieder gut arrangiert.

Vor der Cafeteria wurden sie schon von Broots und Sydney begrüßt.

‚Na, da hab ich ja ein tolles Team.' dachte Miss Parker bei sich, als die ganze Gruppe den Raum betrat, während Jarod und Broots unbefangen über Computer-Zeug redeten.

Miss Parker stellte sich natürlich als erste in die Schlange. Sie bestellte nur einen starken Kaffee und die Frau hinter dem Tresen, die ihre Wünsche schon kannte, schüttete ihr aus einer ‚Spezialkanne' eine Tasse ein. Sydney wollte einen normalen Kaffee und ein belegtes ‚Gesundheitsbrötchen'.

Broots schaute sich die Auslagen sorgfältig an und entschied sich schließlich für ein doppelt belegtes Käsebrötchen und ein Wurst-Sandwich.

"Meinen sie, das wird bis zum Mittagessen reichen?" fragte Miss Parker schnippisch.

"Uhm, ich habe eben morgens immer viel Hunger." verteidigte sich der Techniker.

Die wahre Freude machte Miss Parker aber Jarod. Er studierte sämtliche Auslagen, und zwar so genau, als wären sie die Schaltpläne eines neuen Raketentyps. Eigentlich hätte sie ja schon gehen können, um sich einen Platz zu suchen, aber das Schauspiel faszinierte sie irgendwie. Es wurde immer besser, als sie Sydneys mißmutiges Schnaufen hörte über Jarods deutliches Interesse an der Abteilung für Süßspeisen. Also stellte sie ihren Kaffee ab und verschränkte belustig die Arme vor der Brust.

"Und was wollen sie haben, junger Mann?" fragte die inzwischen auch etwas belustigte Frau hinter dem Tresen. Jarods kindliche Freude an ihrem Nachtisch-Angebot öffnete ihm sofort den Weg zu ihrem Herzen - und bei ihrer Statur hatte sie ein sehr großes Herz - vor allem für Naschkatzen!

"Haben sie vielleicht Eiscreme?" fragte Jarod mit Unschuldsmiene.

"Eiscreme?" wiederholte die Frau verwirrt.

"Eiscreme???" kam auch ein etwas gequetschter und empörter Ausruf von Sydney.

Jarod nickte und strahlte sie an. "Ich liebe Eiscreme!!"

"Zum Frühstück?" fragte die Frau skeptisch.

"Warum nicht. Wissenschaftlich gesehen stecken sehr viele Kohlenhydrate, Calcium und Proteine in Eiscreme."

Sydney schnaubte, Broots gluckste und auch Miss Parker mußte sich auf die Zunge beißen, um nicht loszulachen.

"So so." Die Frau wußte nicht so recht, was sie von dem Mann, der vor ihr stand halten sollte. Sie hatte ja schon eine Menge schräger Typen hier im Centre gesehen, aber der Kerl übertraf sie irgendwie alle. Ob die hier vielleicht Experimente machten, in denen sie das Wachstum so beschleunigten, daß ein Neunjähriger aussah wie ein Erwachsener? "Nun, Eiscreme habe ich heute leider nicht."

Sein hoffnungsvolles Gesicht fiel in sich zusammen.

"Und es steht diese Woche auch nicht auf dem Plan..." überlegte sie weiter.

Oh man, mit der Schnute die er jetzt zog, hätte sie ihn auf der Stelle adoptiert... egal wie alt er in Wirklichkeit sein mochte.

"Aber... ich könnt' ja mal ein Auge zudrücken und was bestellen... Sozusagen kleine Extrawünsche für Spezialkunden." Sie zwinkerte ihm schelmisch zu.

"Ehrlich?"

"Na klar doch. Welche Sorten denn?" sie holte Block und Stift aus ihrer Tasche.

"Alle" war die knappe Antwort.

Jetzt mußte Miss Parker doch grinsen, während sich Sydneys Stirn immer mehr verfinsterte.

Die Frau sah Jarod verblüfft an und lachte schallend los. "Hätt' ich mir ja eigentlich denken können."

"Nur keine Pistazie." fügte Jarod rasch noch hinterher.

Die Frau nickte und notierte die kleine Einschränkung, dann packte sie alles wieder weg. "Und was darf es dann heute sein?"

Jarod studierte noch mal die Theke. "Also, ich hätte gerne was von dem Wackelpudding... den roten und den grünen... und dann noch 5 Doughnuts... zwei mit rose Glasur, einen mit Puderzucker und zwei mit Schoko... hm... und zwei Croissants..."

"Die normalen oder die mit den Schoko-Enden?" fragte die Frau grinsend.

Jarod grinste zurück, diese Frau verstand ihn. "Mit den Schoko-Enden bitte. Und dann noch ein Stück von dem Streuselkuchen und dem Apfelkuchen. Danke."

"Und was möchten sie zu trinken?"

Er schaute sie lächelnd an. "Sagen sie doch einfach Jarod zu mir," Er schielte auf ihr Namensschild. "Ellen."

"Ok, Jarod. Also wir haben heißen Kakao, Kaffe oder verschiedene Sorten Tee. Kalte Getränke stehen dort drüben in den Kühlschränken."

"Ich denke, ich nehme einen Kaffee. Mit Milch und Zucker, bitte."

Plötzlich stockte er und sah zu Miss Parker rüber. "Ich hab ja gar kein Geld."

"Das ist kein Problem." Miss Parker drückte ihm ein Kärtchen in die Hand. Es war ein Ausweis, der ihn als Mitarbeiter des Centres identifizierte. Auf einen weiteren fragenden Blick von Jarod schob Miss Parker ihn einfach zur Kasse. Die Frau, die dort die ganze Zeit gewartet hatte, lächelte ihn an, nahm ihm seine neue Karte einfach aus der Hand, las den Zahlencode mit ihrem Gerät ab und gab ihm die Karte zurück.

"Ah so. Muß ich diese Karte denn jetzt immer bei mir haben?" fragte Jarod.

"Bei mir nicht." meldete sich die Frau hinter dem Tresen wieder, und mit einem Zwinkern fügte sie hinzu: "Gute Kunden merke ich mir, die werden an der Kasse gespeichert."

"Danke." Jarod schnappte sich sein übervolles Tablett - es war eindeutig nicht groß genug für Leute mit Hunger - und folgte den anderen zu einem leeren Tisch, etwas abseits der anderen Mitarbeiter.

Während Jarod sich auf den Streuselkuchen und den grünen Wackelpudding stürzte, saßen und aßen die anderen schweigend und schauten ihm zu.

Sydney konnte schließlich nicht länger still leiden. "Dreißig Jahre gesunde Ernährung für die Katz!"

Jarod schaute kurz hoch und biß dann herzhaft in einen Schoko-Doughnut.

"Ach kommen sie, Sydney. Nur gesundes Zeug... das ist doch langweilig auf die Dauer." mischte sich Broots ein.

"Was heißt den ‚langweilig'? Es war nur das beste Essen, zusammengestellt nach wissenschaftlichen Erkenntnissen." protestierte Sydney.

"Das heißt: pürierte Artischockenherzen und Weizenkleie zum Frühstück. Kein Salz, kein Zucker, keine Gewürze." erklärte Jarod mit ruhigem Tonfall an Broots gewandt. Der verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

"Und es war MEHR als nur langweilig!" bemerkte Jarod noch an Sydney gerichtet, bevor er sich ein Croissant nahm.

Sydney machte ein beleidigtes Gesicht darüber, daß Jarod seine Bemühungen offensichtlich nicht zu schätzen wußte.

"Zugegeben..." mischte sich nun auch Miss Parker ein, die bis jetzt nur an ihrem Kaffee genippt hatte. "Aber meinen sie nicht, sie übertreiben es ein wenig? Ich meine, auf ihrem Teller liegen mehr Kalorien als sie in einer Woche verbrauchen."

Jarod schaute auf sein Tablett, überschlug die gängigsten Kalorientabellen und verglich sie mit den durchschnittlichen Werten, die ein Mensch bei normaler Arbeit pro Tag verbraucht und sagte schließlich: "Das stimmt nicht ganz. Allein mit den Sachen auf diesem Tablett könnte man den Verbrauch eines durchschnittlichen männlichen Erwachsenen für etwa 1 Tag 6 Stunden und 34 Minuten decken. Rein statistisch, natürlich."

Miss Parker rollte die Augen und setzte wieder ihre Tasse an die Lippen. Mit einem Genie zu diskutieren war einfach sinnlos.

"Andererseits..." setzte Jarod wieder an und schaute sie dabei direkt an. "Ist es wissenschaftlich erwiesen, daß es sehr ungesund ist, Kaffee auf nüchternen Magen zu trinken."

"Ich frühstücke nie."

"Nun, das sollte sie aber. Wäre auch besser für ihren Magen."

Sie setzte die Tasse ab und fixierte Jarod. "Mit meinem Magen wäre alles in Ordnung, wenn es sie nicht gäbe!"

"Denken sie das? Ich halte es eher für eine Folge von Streß und ungesundem Lebensstil."

"Ungesunder Lebensstil???"

Jarod wußte nicht sicher, ob er sich jetzt nicht zu weit über die Klippe beugte, aber er wollte auch nicht klein beigeben. "Mit dem Rauchen haben sie ja schon aufgehört, was ich für sehr vernünftig halte."

Wäre Broots nicht im Weg, dann hätte Miss Parker Jarod für diese Bemerkung sicherlich einen Fußtritt verpaßt, von dem er noch lange etwas gehabt hätte.

"Aber..." fuhr er unbeeindruckt fort, "sie sollte mehr essen. Und gesünder essen. Ein schwarzer Kaffee kann doch kein Frühstück ersetzen."

Miss Parker lachte auf, doch es war kein fröhliches Lachen, mehr eine Kampfansage. "Sie sind der Richtige, mir etwas über gesunde Ernährung zu erzählen. Ich wette zum Mittagessen gab es bei ihnen in den letzten 4 Jahre meist nur Fast-Food."

"'Meist' ist übertrieben... aber auch, ja." antwortete Jarod ruhig. "Nur wird mich dieses bißchen Fast-Food nicht umbringen."

Seine siegessichere Gelassenheit brachte sie auf die Palme. Ok Bürschchen, ich kann auch anders. Da ist ein Strategiewechsel angezeigt.

"Ich soll also mehr essen." begann sie, jetzt mit einem ruhigen, säuselnden Tonfall, der Jarod anzeigte, daß er in ernsthaften Schwierigkeiten stecken könnte. Sie erhob sich halb und lehnte sich quer über den Tisch zu ihm herüber in einer Art und Weise, die ihm, ohne daß er es beabsichtigte, durchaus ‚tiefere' Einblicke ermöglichte - nicht viel, aber genug um ihn nach Luft schnappen zu lassen. Er merkte plötzlich, daß sein Mund sehr trocken wurde. "Soll das heißen, daß ich zu mager bin... zu dürr? Wolltest du das sagen?"

‚Himmel hilf!' er merkte, daß ihre tiefe, verführerische Stimme und der laszive Blick, den sie ihm zuwarf, bei ihm ein Kribbeln im untersten Drittel seinen Bauches hervorrief... und es konnte leicht passieren, daß es noch ein Stück tiefer rutschte. ‚Konzentrier' dich auf etwas anderes!!' rief ihm sein Verstand zu. Ihr Blick prickelte seinen Nacken herab, als hätte sie ihm einen Eiswürfel in den Kragen gesteckt. Diese blauen Augen... sie hypnotisierten ihn.

Er senkte den Blick um sich von ihnen loszureißen. Oh oh, keine gute Idee. Die Aussicht, die er jetzt hatte machte sein Problem nur noch schlimmer. Also schaute er schnell wieder auf.

‚Armer Junge.' dachte Miss Parker gehässig. Das war IHR Spiel, keiner beherrschte es so gut wie sie. Auch wenn er ein Genie war, hier war er nur ein blutiger Anfänger. Zeit, die Sache zu beenden, bevor sein Kopf so rot wurde, daß er platzte.

Seit Anfang ihres ‚Gespräches' hielt er den Doughnut mit dem Puderzucker in der Hand. Sie streckte ihren Arm aus und nahm im dem Kringel aus der Hand. Dabei ließ sie ihre Finger über seine streichen und registrierte befriedigt, wie seine Finger bei ihrer Berührung zuckten. Sie hob den Kringel vor das Gesicht und beobachtet - immer noch mit ‚diesem' Blick - wie ein Teil des Puderzuckers begann, von einer Seite des Gebäcks zu rieseln.

Jarod mußte aufpassen daß er seine Zunge nicht verschluckte, als sie den Doughnut langsam vor den Mund hob und bedächtig mit der Zunge den über den Rand rieselnden Teil des Puderzuckers ableckte. Dabei schaute sie ihm die ganze Zeit in die Augen.

Schließlich konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. Sie biß herzhaft in den Kringel und unterdrückte ein Lachen, als Jarod dabei zusammenzuckte. Mit einem siegessicheren Blick setzte sie sich wieder hin und aß den ganzen Kringel.

Jarod war immer noch verwirrt über das Schauspiel.

Sydney hatte das Spektakel mit väterlichem Erstaunen und Interesse verfolgt und Broots konnte sich ein SEHR breites Grinsen nicht verkneifen. Er war sich allerdings nicht sicher, ob ihm Jarod leid tun oder ob er ihn lieber beneiden sollte.

Miss Parker kaute schon auf dem letzten Stück ihres ergatterten Gebäckes, als Jarod endlich seine Sprache wiedergefunden hatte. "Schön daß wir jetzt etwas gefunden haben, daß ihnen offensichtlich schmeckt."

Sie antwortete nicht, sondern sah ihn nur noch einmal an, trank ihren letzten Schluck Kaffee und stand auf. "So, ich mach' mich an die Arbeit. Sydney, wir sehen uns heute nachmittag zur Besprechung in meinem Büro. Also dann."

Damit war sie verschwunden. Die drei Männer schauten ihr hinterher. Schließlich konnten es sich Broots und Sydney nicht verkneifen, Jarod anzusehen und zu grinsen. Broots gluckst vor sich hin.

Jarod verstand nicht ganz. "Denkst du, sie ist sauer auf mich?" fragte er Sydney besorgt.

Der räusperte sich und versuchte wieder ernst zu schauen. "Nein Jarod, das denke ich nicht."

Jarod sah weiter skeptisch aus.

"Warum sollte sie sauer sein, sie hat ja schließlich gewonnen." vervollständigte Broots, der seine Chefin und ihre Launen inzwischen auf recht gut kannte.

Jarod versuchte das Gesagte zu verarbeiten. Sie hatte gewonnen? Also hatte sie seine Bemerkung als Herausforderung aufgefaßt und hatte entsprechend reagiert... nun, nicht daß er auch nur eine Sekunde damit gerechnet hätte, daß sie so reagieren würde. Betrachtete man es so, dann hatte Broots recht. Man, es gab offensichtlich noch einiges, das er lernen mußte.

"Jarod! Du träumst mit offenen Augen." bemerkte Sydney amüsiert und riß ihn damit aus seinen Gedanken. "Wir wollen heute noch mit der Arbeit anfangen. Also solltest du dein... ähm ‚Frühstück' beenden."




15 Minuten später standen die beiden im SimLab, dem Raum, den Jarod am meisten von allen haßte. Sydney breitete gerade einige Umschläge auf dem Tisch aus.

"So, du kannst wählen zwischen: einem entführten Jungen in Texas; einem unbekannten grippeähnlichen Erreger, der die Bevölkerung in einer Kleinstadt in Iowa plagt und dort schon eine regelrechte Epidemie ausgelöst hat; dem mysteriösen Tod eines Offiziers in Kentucky; und schließlich einer Anfrage für eine Überarbeitung der Pläne für ein neuartiges Passagierflugzeug mit der Bitte, die Sicherheit der Fluggäste durch zusätzliche Verbesserungen zu erhöhen." zählte Sydney auf.

Jarod sah sich jede Akte an. "Dieses letzte Projekt... bringt dem Centre sicher Geld ein, oder?"

Sydney nickte. "Dieses und auch das zweite... mit dem Grippe-Erreger. Auch wenn das Centre diesen Menschen, die akut betroffen sind den Impfstoff umsonst zur Verfügung stellt, so wird es doch dafür und für die Informationen über den Erreger vom Gesundheitsministerium bezahlt werden."

Jarod nickte. Es war, wie Mr. Smith es ihm gesagt hatte. Einige Projekte brachten dem Centre Geld ein, andere Prestige. Die Chefetage legte mehr Wert auf das erste... Er mußte also schauen, daß er ein Gleichgewicht herstellte, damit diese Leute nicht meinten, er würde ihnen nichts einbringen und ihm die ‚wertlosen' Projekte strichen. Und außerdem war auch dieses zweite Projekt wichtig, weil er damit vielleicht Menschenleben retten konnte. Das letzte Projekt konnte warten. Und auch der tote Offizier würde ihm nicht weglaufen. Zuerst mußte er mal den Lebenden helfen!

Er hustete und fischte ein Hustenbonbon aus seiner Hosentasche.

Sydney sah ihn aufmerksam an. "Wir werden heute nicht zu lange arbeiten. Du brauchst immer noch Ruhe."

‚Komisch, daß immer alle so auf meine ‚Ruhe' bedacht sind.' dachte Jarod in Anlehnung an sein Gespräch mit Miss Parker und mußte lächeln.

"Schon gut, Syd. Ich bin ok. Ich melde mich schon, wenn etwas ist." beruhigte er seinen Mentor.

Sydney wußte jedoch genau, daß Jarod, wenn er einmal in seinem ‚Pretend' war, nicht mehr voll mitbekam, was mit seinem Körper passierte. Auch früher war es häufiger mal vorgekommen, daß er ihn über sein Limit heraus beansprucht hatte und schließlich zusammenbrach.
Doch dafür war er ja hier... um Jarod zu leiten und auf ihn aufzupassen.

Der Vormittag ging rasch um und schnell stellte sich wieder eine Routine zwischen den beiden ein. Zum Mittagessen begleitete ihn Sydney, doch sehr zu Jarods Enttäuschung leistete ihnen Miss Parker dieses Mal nicht Gesellschaft. Also blieb ihm nur sein alter Mentor, der ihn wiederum belehrte, daß eine Portion Nachtisch völlig ausreichte. Jarod ließ sich davon nicht beeindrucken, als er seinen dritten Pudding aß - schließlich gab es ja auch drei verschiedene Sorten... und wie sollte er herausfinden, welche ihm am besten schmeckte, wenn er sie nicht alle probierte?

Der Nachmittag verlief ebenso ereignislos, wie der Vormittag. Jarod vertiefte sich in seine Projekte, suchte weitere Daten dazu im Internet, unterzog den unbekannten Erreger im Labor einigen Tests uns setzte weitere Versuchreihen für die Nacht an, die er dann am nächsten Tag auswerten wollte. Sydney verschwand zwischenzeitlich für eine Stunde, um sich mit Miss Parker zur Besprechung zu treffen.

Schließlich beschloß Sydney, daß es für einen Tag genug war. Sie waren schon ein gutes Stück voran gekommen und er mußte immer noch bedenken, daß Jarod nicht in Höchstform war.

Sydney verabschiedete sich, da er noch in seinem Büro die Daten eines seiner anderen ‚Schützlinge' auswerten mußte und Jarod stand plötzlich allein auf den Gängen des Centres. Es war schon ein merkwürdiges Gefühl. Früher wurde er immer von einem oder mehreren Sweepern begleitet, die dafür sorgen sollten, daß er nicht abhaute... oder Sydney paßte auf ihn auf. Nun konnte er selbst entscheiden, wo er hinging. Nur... WO sollte er im Centre schon hingehen wollen? Natürlich wäre er gerne für eine Weile an die frische Luft gegangen, aber das überschritt seinen ‚Spielraum' für den ersten Tag wohl doch... Er beschloß, damit eine zeitlang zu warten und mit Miss Parker darüber zu sprechen.

Fürs erste trottete er wieder zu seinem neuen Lieblingsplatz im Centre - der Cafeteria. Er unterhielt sich ein wenig mit Ellen und machte sich schließlich mit einer kleinen Flasche Kakao und zwei Äpfeln auf den Weg zu seinem Zimmer.

Während er auf dem Bett lag und seinen Apfel aß, dachte er über Miss Parker nach. Er wurde einfach nicht schlau aus ihr. Mal war sie kühl und sogar abweisend und beleidigend, ein anderes Mal nett und mitfühlend... und dann heute... Er mußte grinsen. Er konnte sich sehr gut vorstellen, daß ihr, wenn sie es wollte, die Männer zu Füßen lagen. Aber diese Männer würden nur durch ihre Verführungskünste und ihr Aussehen zu ihr hingezogen. ER wollte mehr, als nur das oberflächliche... ihre wahren Gefühle, auch ihre Ängste, all das, was sie so sehr versuchte vor allen zu verbergen.

Aber was waren ihre Gefühle für ihn? Hatte sie überhaupt welche? Oder waren diese Andeutungen, diese Blicke nur ein Spiel? Ein nichtssagendes Spiel, bei dem es nur darum ging, ihre Macht über Männer zu verdeutlichen. Und wenn das so war, wollte er dann darauf eingehen - und wenn ja, wie?

Er schloß die Augen und beschloß, ein paar Simulationen darüber in seinem Kopf ablaufen zu lassen. Und dann würde er eine kalte Dusche nehmen - er fühlte irgendwie, daß er sie danach brauchen würde.








04. Mai, das Centre

Jarod lehnte sich auf dem harten Stuhl zurück und ließ die Schultern kreisen. Als er schließlich das ersehnte *knack* hörte, schloß er mit einem Seufzen die Augen. Wie lange arbeitete er hier jetzt schon? 15 Stunden, oder mehr. Er wußte es nicht. Dieser Fall war eine echt harte Nuß. Seit dem Frühstück hatten weder er noch Sydney den Raum verlassen, die ganze Zeit versuchten sie, eine Lösung zu finden. Ohne Erfolg bis jetzt. Das Problem war aber auch nicht einfach. Eine Gruppe Terroristen hatte etwa 7 Menschen entführt und an einen unbekannten Ort gebracht. Laut ihren Aussagen würden die Geiseln sterben, wenn ihnen nicht innerhalb von 24 Stunden 50 Millionen Dollar Lösegeld bezahlt würde.

Auf einmal kam ein lautes Grummeln aus Jarods Bauch. Sein Magen beschwerte sich vehement, daß ihm sowohl das Mittagessen, als auch das Abendessen vorenthalten worden waren. Jarod zog eine Grimasse und seufzte. Nicht mal ein Hustenbonbon hatte er noch. Na schön, er hatte schon schlimmeres überstanden... allerdings war ein leerer Magen nicht gerade förderlich für die Konzentration...

Auch Sydney war geschafft. Er massierte mit Daumen und Zeigefinger seine Nasenwurzel und kniff die Augen zusammen. "Was haben wir übersehen, Jarod? Es MUSS noch etwas geben, daß direkt vor unserer Nase ist."

Jarod ließ seinen Blick schweifen über die Unterlagen auf dem Tisch - von fast allen Terroristen kannte er jetzt ihr Privatleben besser als sie selbst - die Notizzettel an der Pinnwand, die Verbindungen zwischen Personen und Orten. Alles war da - aber WAS hatte er übersehen?

Auf einmal stieg ihm der Geruch von Essen in die Nase. ‚Na toll, jetzt fantasiere ich schon...'

"Nun sieh sich einer dieses Trauerspiel an!" kam auf einmal eine Stimme von der Tür her. Da man den Simulationsraum über eine Treppe betreten mußte, stand die Person dort höher als Jarod und Sydney. Sie lehnte am Geländer und schaute auf die beiden herab. "Unser Genie geschlagen von ein paar Typen, die wahrscheinlich nicht mal die Highschool geschafft haben."

Jarod sah auf und erkannte Miss Parker. Sie trug ihr Weinrotes Lederkostüm mit kurzem Rock, schwarzer Bluse und - wie sollte es anders sein - hochhackigen Schuhen.

Jetzt schnappte sie sich eine Plastiktüte und kam mit schwingenden Hüften die Treppe herunter.

Normalerweise hätte Jarod ihr eine entsprechende Antwort gegeben, doch heute war er zu müde und zu frustriert dazu. Also knurrte er nur etwas unverständliches und drehte sich wieder weg.

Sydney versucht es wie immer mit Diplomatie. "Miss Parker, was für eine nette Überraschung. Was führt sie denn hierher?"

"Eigentlich wollte ich nur mal sehen, wie weit sie inzwischen gekommen sind. Außerdem hab ich heute vor lauter Arbeit gar keine Zeit zum Essen gehabt. Und schließlich hat mir ja jemand erzählt, daß das sehr ungesund ist." Sie warf einen Seitenblick zu Jarod, der jedoch noch immer abgewandt saß und sie ignorierte. "Also wollte ich etwas essen gehen. Aber irgendwie hatte ich keine Lust, allein zu Essen. Deshalb..." sie lächelte und setzte die Tüte auf den Tisch, "habe ich etwas vom Chinesen geholt und wollte sie beide fragen, ob sie mir Gesellschaft leisten wollen. Aber wenn sie natürlich kein Interesse haben..."

Jarod war aufgesprungen und stand mit wenigen Sätzen neben dem Tisch und der wohlriechenden Tüte. Neugierig öffnete er sie und schnupperte begierig. "Hm, das riecht hervorragend. Was ist das?"

"Verschiedenes vom Chinesen. Gebackene Shrimps, Ente süß-sauer und ähm, irgendwas mit Erdnußsoße. Sie... sie haben noch nie chinesisch gegessen, oder?"

Jarod schüttelte den Kopf und sog wieder den verführerischen Duft ein. "Aber es riecht sehr gut."

"Es schmeckt sogar noch besser." versicherte Miss Parker mit einem Grinsen und zog sich einen Stuhl an den Tisch. "Wollen wir jetzt stehenbleiben und das Essen beschnuppern bis es kalt ist, oder wollen sie..."

Jarod unterbrach sie hastig. "Oh, mein Magen sagt eindeutig, daß wir es lieber ESSEN sollten." Also räumte er schnell die Unterlagen vom Tisch und legte sie auf eine der anderen Ablagen. Dann stockte er und sah erst Sydney fragend und dann die Unterlagen mit schlechtem Gewissen an.

Doch Sydney schüttelte den Kopf. "Ich finde das eine hervorragende Idee. Wir sollten wirklich etwas essen. Ein leerer Magen behindert den Kopf!" Auch er holte sich einen Stuhl und setzte sich zu Miss Parker. "Vielen Dank."

Miss Parker schaute ihn überrascht an. "Wofür? Ich hab es wirklich so gemeint: Ich hatte keine Lust, alleine zu essen. Und ein Vögelchen hat mir gezwitschert, daß sie beide wohl länger arbeiten würden. Also..." sie zuckte mit den Schultern.

"Ist heute abend nicht ein Bankett der Centre-Chefetage?" fragte Sydney mit einem Schmunzeln. "Sie könnten doch ihrem Vater Gesellschaft leisten."

Miss Parker schnaufte. "Da kann ich mir wirklich etwas schöneres vorstellen, als meinen Vater, Lyle und vielleicht auch noch Raines als Gesprächspartner zu haben."

"Ich fühle mich geehrt, daß sie uns vorziehen." bemerkte Sydney, immer noch mit seinem ‚Psychiater-Lächeln'.

"Außerdem..." Miss Parker schaute zu Jarod rüber. "habe ich mich bei unserem letzten ‚Essen' viel besser amüsiert als bei den Banketts des Centres."

Jarod hob eine Augenbraue. "Da wäre ich nie drauf gekommen." Aber dann lächelte er sie an und ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer.

"Oh, sie wollen mich doch wohl nicht noch mal herausfordern, oder?" fragte sie mit gespielter Kampflust.

Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, daß Jarod darauf eingehen würde. Er warf ihr einen - sie konnte es nicht anders beschreiben - heißen Blick zu, beugte sich zu ihr herüber und sagte mit dunkler, verführerischer Stimme. "Normalerweise... würde ich nichts lieber tun."

Sie erwiderte seinen Blick, hielt ihm stand, doch bezwingen konnte sie ihn diesmal nicht.

Zu ihrem Glück, lehnte sich Jarod wieder zurück und grinste. "Doch wenn sie nichts dagegen haben, verschieben wir das auf später. Wir wollen ja unser Essen nicht kalt werden lassen."

"Hm, große Worte. Aber schauen wir doch erst mal, wie sie mit ihrem Essen fertig werden." damit zog sie mehrere Schachteln aus der Tüte und verteilte sie auf dem Tisch.

"Gibt es denn keine Teller?" fragte Jarod verwirrt.

"Meist ißt man das Gericht direkt aus dem Karton." belehrte sie ihn und drückte ihm schließlich mit einem herausfordernden Lächeln etwas in die Hand.

"Was ist das?" Jarod begutachtete die schmalen Holzstücke.

"Das sind Eßstäbchen." erklärte Miss Parker.

"Damit... ißt man?" er konnte es nicht recht glauben, hielt sie auseinander und wieder zusammen und wurde nicht so recht schlau aus ihrer Handhabung.

Miss Parker grinste. Sie nahm die Stäbchen in eine Hand, suchte sich den richtigen Karton heraus und fischte mit Leichtigkeit einen Shrimp heraus. Nachdem sie ihn kurz von Jarods Nase herumgewedelt hatte, steckte sie ihn sich in den Mund.

Jarod beobachtete sie. Dann nahm er die Stäbchen so in die Hand, wie sie es tat - zumindest meinte er, daß es genauso war. Aber irgendwie funktionierte es bei ihm nicht so recht. Wenn er endlich ein Stückchen Fleisch zwischen den Stäbchen hatte, überkreuzten sie sich und das Stück fiel wieder in die Schachtel. Nach dem fünften Versuch schnaufte er frustriert. Er schaute wieder auf Miss Parker, die ihre Stücke sicher zwischen den Stäbchen geklemmt hatte und sogar das Kunststück hinkriegte, die Shrimps in ein Soßentöpfchen zu dippen ohne, daß sie ihr wegflutschten. Wieder schaute er auf seinen eigenen Karton und seufzte. Er würde vor dem gedeckten Tisch verhungern... wegen dieser verflixten Stäbchen.

Plötzlich war Miss Parker neben ihm. Sie war mit ihrem Stuhl einfach um den Tisch gerollt, weil sie das Schauspiel nicht mehr länger mitansehen konnte. Sie lächelte ihn an und nahm seine Hand in ihre. Dann arrangierte sie die Stäbchen richtig zwischen seinen Fingern. Danach nahm sie ihre eigenen wieder in die Hand und machte es ihm vor.

"So... Siehst du, ganz einfach. Nein, du bist viel zu verkrampft. Laß die Hand locker. Du sollst mit den Dingern ja niemanden umbringen." und sie lachte ihn an.

Jarod war überrascht. Sie lachte. Nicht etwa aufgesetzt und künstlich, nein, sie lachte einfach weil die Situation komisch war. Er wollte aber nicht, daß sie dachte, er würde sie beobachten - dann würde sie schnell wieder ihre Mauern aufbauen. Also konzentrierte er sich auf die Technik, die sie ihm zeigte und siehe da, es funktionierte!

Er nahm seinen Karton wieder in die linke Hand und schaffte es tatsächlich ein Stück herauszufischen und bis in seinen Mund zu befördern. Es schmeckte wirklich hervorragend.

"Hmmm, das ist gut. Sehr gut sogar. Seltsam, daß ich das nicht schon früher mal probiert habe."

Sie lachte wieder über seine Begeisterung. "Na wenigstens kann Sydney diesmal nicht meckern, daß sie nur ungesundes Zeug essen."

Der Angesprochene, der die Vorgänge zwischen den beiden schweigend beobachtet hatte, lächelte über seinen Karton hinweg. "Tja, vielleicht hört er ja auf sie mehr als auf mich."

"Was, soll das heißen kein Nachtisch?" fragte Jarod mit gespielter Empörung.

"Tut mir leid," antwortete Miss Parker mit ebenso vorgetäuschtem Bedauern, "aber die Eiscreme wäre sicherlich geschmolzen."

Jarod zog eine Schnute, dann grinste er breit. "Na, zum Glück habe ich ja noch ein paar Pralinen, PEZ und Plätzchen in meinem Zimmer."

Sydney rollte mit dem Augen.

Miss Parker schüttelte den Kopf. "Wie können sie nur so schlank bleiben bei all dem Junk food, den sie in sich hineinstopfen?"

Jarod warf ihr einen tiefen Blick zu. "Einfach Glück, schätze ich."

Sie legte den Kopf schief und hob eine Augenbraue. Dann kam sie noch ein Stück näher. "Was... haben sie denn da?"

Jarod überlegte kurz. "Ich denke es ist Ente süß-sauer. Aber viel ist nicht mehr da."

Sie schaute ihn an, schaute kurz auf seinen Karton und sah ihm dann auffordernd in die Augen. Er lachte. "Möchten sie vielleicht ein Stück?"

Ohne eine Antwort abzuwarten, fischte Jarod ein Stück aus seinem Karton, dann stellte er ihn ab um seine linke Hand frei zu haben und schützend unter das schwebende Stückchen zu halten. Langsam näherte er sich ihrem Mund und fütterte sie.

Sie kaute genüßlich und konnte nicht anders als über die Situation lächeln.

‚Warum eigentlich?' schoß es ihr plötzlich durch den Kopf. ‚Warum sitze ich hier und fühle mich so wohl wie schon lange nicht mehr? Und warum lächele ich ihn an, obwohl ich doch die Eisprinzessin bin?'

Sie ließ das Fleisch und auch den Gedanken auf der Zunge zergehen. ‚Ach vergiß es!' beschloß sie schließlich. ‚Vergiß für einen Abend diese dummen Spielregeln. Er hat dir deine unterkühlte Art eh nie abgekauft.'

"Warum lachen sie?" riß er sie aus ihren Gedanken.

"Nun, weil ich mehr das Gefühl habe, ich sitze bei einem ‚blind dinner' anstatt in einem Simulationsraum im Centre." platzte sie heraus und wollte sich selbst am liebsten dafür vors Schienbein treten.

Aber jetzt wollte es Jarod natürlich wissen. "Was ist ein ‚blind dinner'?"

Sie rollte die Augen. "Eine Art ‚blind date' mit Abendessen."

Ein weiterer verständnisloser Blick.

"Eine Verabredung mit einem Unbekannten plus Abendessen. Jetzt klar?"

"Aber warum mit einem Unbekannten? Sie kennen mich doch." fragte Jarod naiv weiter, als ihm plötzlich die Bedeutung klar wurde. Eine Verabredung?!? Ein Date!!! Mit ihm??!!

Miss Parker war seine Frage offensichtlich unangenehm, denn sie hatte sich ja verplappert. "Ich sagte doch nur: als ob."

Jarod nickte und aß schweigend weiter. Trotzdem konnte er sich einen heimlichen Seitenblick zu Miss Parker nicht verkneifen. Und etwas anderes fiel ihm jetzt auf: offensichtlich konnte sich Miss Parker nicht entscheiden, ob sie ihn siezen oder duzen sollte. Es schien, als würde ihr, wenn sie nicht aufpaßte, schon mal ein vertrauliches ‚du' über die Lippen kommen, ohne daß sie es bemerkte. Er hätte gerne mit ihr darüber geredet, aber er wollte es nicht hier machen, unter den Augen von Sydney - und den Kameras natürlich. Doch er nahm sich fest vor, sie darauf anzusprechen.

"Sagen sie mal," begann Miss Parker mit einem Blick zur Pinnwand, "wo liegt eigentlich das Problem mit diesen Terroristen?"

"Ich schätze das Problem mit ihnen ist, daß wir sie nicht finden können." informierte Sydney ruhig.

Miss Parker nickte. Sie schlenderte zum gegenüberliegenden Schreibtisch und überflog einige Unterlagen. Über die Geiseln, die Täter, die Vorgehensweise...

"Ganz schön brutal... Die gehen ja echt mit der Brechstange ans Werk." kommentierte sie.

"Mit der Brechstange?" Jarod sah sie verständnislos an. Nach seinen Informationen hatten sie vor allem Schußwaffen benutzt.

"Eine Redewendung." erklärte Sydney kurz und machte sich mental eine Notiz, seinem Schützling mehr über die ‚Umgangssprache' beizubringen.

Miss Parker murmelte etwas vor sich hin, von dem Jarod immer nur Bruchstücke aufschnappte. "... auch Kinder... 4 Schwerverletzte... flohen in einem... älteres Baujahr... Farbe silbermetallic... oh nein, eine Frau ist im 8. Monat schwanger."

Als sie zurück kam waren ihre Wangen vor Zorn gerötet und ihre Augen glühten. Jarod konnte gut verstehen, daß ihr Bruder einmal zu ihr gesagt hatte, daß sie im Zorn noch hübscher aussieht... das hatte er aber nicht von ihr, sondern von Angelo gehört. Wenn man über den neuesten Klatsch und Tratsch im Centre informiert sein wollte, dann sollte man immer ihn fragen.

"Diese Kerle sind wirklich der Schrott der Gesellschaft!" polterte sie los. "Und genau dahin sollte man sie auch werfen: zum Schrott. Oder noch besser: in eine Schrottpresse. Ja, warum die überbelegten Gefängnisse noch mehr belasten? Wir quetschen sie auf handliche Größe, das ist doch platzsparend."

"Miss Parker, das ist nicht ihr Ernst?" fragte Sydney entsetzt.

"Natürlich will ich sie nicht umbringen... Aber eine kleine Abreibung haben sie doch verdient. Wir stecken sie in eine Schrottpresse und jagen ihnen ein wenig Angst ein. Da unten hört garantiert niemand ihre Schreie!" erklärte Miss Parker immer noch kampflustig.

Jarod war auffallend ruhig. "Was haben sie gesagt?"

"Ich meinte doch nur..."

"Das ist es! Natürlich!" er sprang auf und drückte der überraschten und entsetzten Miss Parker einen Kuß auf die Wange. "Sie sind ein Genie!"

Miss Parker und Sydney schauten entgeistert auf seinen Rücken, als er sich wie ein Irrer auf die Unterlage stürzte und hier und da einige herausfischte. Dabei murmelte er unverständlich vor sich hin.

Schließlich drehte sie sich um und sah Sydney an. "Was ist denn in den gefahren?"

Der andere zuckte mit den Schultern. "Wie's aussieht, hat er eine Idee."

Schließlich setzte Jarod sich vor den Computer und begann mit einer ungeheuren Geschwindigkeit, zu tippen. Miss Parker trat von hinten an ihn heran und schaute ihm über die Schulter. "Darf man fragen, was sie da machen? Und wieso bin ICH auf einmal das Genie?"

"Schrott." antwortete er knapp.

"Geht das noch ausführlicher?"

"Ich glaube, sie haben damit voll ins Schwarze getroffen. Erinnern sie sich an den Fluchtwagen? Ein älteres Auto in silbermetallic. Ich habe die Farbe überprüft, die gab es noch nicht, als der Wagen gebaut wurde. Er muß also mindestens einmal umgespritzt worden sein. Und das ist teuer. Bei einer normalen Autowerkstatt könnten sich diese Typen das nicht leisten. Außerdem sah der Lack auf den Fotos noch recht neu aus. Die kleine Verschönerungsarbeit kann also noch nicht sehr lange zurückliegen.
Wenn man also selber einen Wagen umlackieren will braucht man zumindest eine Halle wo der Lack trocknen kann und auch das entsprechende Werkzeug. Ich überprüfe jetzt, ob einer der Männer in irgendeiner Verbindung steht mit einer Werkstatt, einem Schrottplatz, einer Lagerhalle oder sonst etwas."

Er arbeitete sich schweigend durch einige Datenbanken, die für Miss Parkers Augen viel zu schnell über den Bildschirm rasten. Polizei, FBI, Gefängnisse, Bewährungshelfer...

"Bingo!"

"Was haben sie gefunden?" Miss Parker rückte noch ein Stückchen näher. Nicht daß Jarod sie nicht gern in seiner Nähe hatte, aber DIESE Nähe lenkte ihn ein wenig ab...

"Einer der Kerle saß schon einmal im Gefängnis. Dort saß er mit einem Mann namens Eric Bristol für 2 Jahre in der selben Zelle. Dieser Bristol hat den gleichen Bewährungshelfer wie er... und raten sie mal, wo der ihn untergebracht hat? Als Hilfskraft auf einem Schrottplatz!"

"Das heißt noch nicht, daß dieser Kerl etwas damit zu tun hat. Außerdem wieso ein Schrottplatz? Wo will er die Geiseln verstecken?"

"In der Presse."

"Was?"

"In der Schrottpresse." Das Puzzle setzte sich für Jarod immer mehr zusammen. "Sehen sie, die Schrottpressen dort sind groß genug um einen Kleinbus zu zerquetschen. Wenn man die Geiseln in einem Wagen in dieser Grube versteckt und den ‚Deckel' schließt, ohne den Mechanismus zu betätigen hat man ein verdammt sicheres Gefängnis mit 15 cm dicken Stahlwänden in dem niemals jemand suchen würde... und in dem sie niemand schreien hören kann."

Ein Schauer lief Miss Parker bei dem Gedanken über den Rücken. "Aber wie können sie sicher sein, daß das richtige Versteck ist?"

Jarod überlegte. Dann wandte er sich wieder dem Computer zu und begann zu tippen.

Miss Parker blieb nichts anderes übrig als zu warten und zu versuchen nachzuvollziehen, was er vorhatte. Überrascht war sie allerdings schon, als die Sprache auf dem Bildschirm auf einmal russisch war. "Was ist das?"

Jarod war offensichtlich an eine Barriere gestoßen und machte sich jetzt daran, sich hindurch zu hacken. "Oh das... Das ist der Hauptrechner der russischen Sattelitenstation."

"Der WAS??"

Er war durch. Ein Bild erschien auf seinem Monitor, sie konnte einen Teil Amerikas entdecken, die Küste. Dann zoomte Jarod heran... immer weiter... Man sah eine Stadt... Er wählte einen Ausschnitt und vergrößerte ihn weiter.

"Die amerikanischen Satteliten befinden sich gerade auf der anderen Seite der Erde. Aber dieser russische hatte die richtige Position." erklärte Jarod ruhig als wäre er das normalste von der Welt einen russischen Satteliten zu benutzen - schließlich waren die eigenen ja eben nicht greifbar.

Miss Parker wollte protestieren, doch Jarod schaute sie plötzlich triumphierend an. "Sehen sie! Da!"

Er zeigte auf den Schirm. Dort konnte man relativ verschwommen etwas erkennen, daß mit ein wenig Phantasie ein Schrottplatz sein konnte. Und dort, wo Jarods Finger hindeutete, war ein kleiner, hellsilberner Punkt... nein, ein Wagen. Der Fluchtwagen! Das war wirklich mehr als nur ein Zufall.

Jarod machte eine Kopie von dem Bild. "Ich denke es wird Zeit, daß wir der Polizei Bescheid sagen." Er gab Sydney die Diskette mit dem Bild.

"Das war sehr gute Arbeit, Jarod!" lobte der, während er sich sein Jackett schnappte.

"Diesmal hatte ich ja Hilfe dabei." Jarod lächelte Miss Parker an.

"Ich schlage vor, wir machen Schluß für heute. Du hast dir deinen Feierabend redlich verdient. Oh, und ihnen danke ich natürlich auch, Miss Parker. Ich werde mich jetzt lieber beeilen."

"Schon klar. Gute Nacht, Syd." rief Miss Parker ihm lächelnd nach.

Auf einmal standen Jarod und Miss Parker allein im Raum. Jarod schaltete den Computer aus und fing an, die Reste ihres Essens zusammenzuräumen.

Miss Parker, die auf einmal nicht recht wußte, was sie tun sollte, gab sich einen Ruck und half ihm.

Das Schweigen zwischen ihnen brachte eine unangenehme Spannung mit sich. Beide wußten plötzlich nicht mehr, was sie sagen sollten

Schließlich gab Jarod sich einen Ruck. "Sagen sie, Miss Parker..."

Sie schaute auf. "Ja?"

"Wenn ich demnächst mal wieder nicht weiterkomme, dürfte ich sie dann vielleicht mal zum Abendessen einladen. Das ist... sehr inspirierend."

Sie schaute ihn erst geschockt und dann verständnislos an. Und dann fingen beide gleichzeitig an zu lachen.

Jarod war froh, daß das Eis wieder gebrochen war.

"Wow, das ist... der seltsamste Grund, weshalb mich jemand zum Essen einladen will, den ich je gehört habe..." sagte Miss Parker mit einem Zwinkern in den Augen.

Jarod grinste breit. "Und? Würden sie kommen?"

Sie lächelte vielsagend und drehte sich um, um den letzten Karton wegzuwerfen. Erst nach einer kleinen Weile antwortete sie ihm. "Vielleicht..."

Jarod war überrascht. Das war mehr, als er erwartet hatte. Sein Herz schlug wieder schneller. Sollte er es wagen...?

Miss Parker kam zum Tisch zurück und wollte ihre Jacke nehmen.

Jarod schnappte sich die Jacke von der Stuhllehne weg. Erst wollte er ihn hineinhelfen, dann entschied er sich aber doch anders. Jetzt oder nie!

"Eigentlich ist das Abendessen ja noch nicht beendet."

Miss Parker hob fragend eine Augenbraue.

"Was ist denn ein Essen ohne Nachtisch?" er grinste sie an.

Miss Parker warf ihm einen Blick zu der fragte: ‚Wo zum Teufel willst du JETZT im Centre noch Nachtisch herkriegen??'

"Deshalb... würde ich sie gerne noch einladen, in meinem Zimmer einen Kaffee mit mir zu trinken."

So, jetzt war es raus, sein Herz klopfte laut - hoffentlich hörte sie es nicht - und er wußte nicht, ob es eine gute Idee gewesen war. Vielleicht lachte sie ihn ja aus...

Miss Parker schaute ihn überrascht an. Sie wollte es nicht zugeben, aber auch ihr Herz schlug schneller. Er bat sie, mit ihm auf sein Zimmer zu kommen?! Sie war hin und her gerissen. Sollte sie es tun? Einerseits hatte sie den Abend sehr genossen und hätte nichts dagegen, wenn er noch etwas länger dauerte... und schließlich erwartete sie ja daheim ja nichts als ein leeres Haus. Aber andererseits... was wäre, wenn es irgend jemand erfährt... was wenn ihr Vater...? Sie stockte in Gedanken. Warum sollte es sie interessieren, was ihr Vater dachte? Er hatte sich nie viel um sie geschert solange sie nur brav das tat, was er wollte. Immer lief es so, wie ER es wollte und plante. Verdammt das war IHR Leben, nicht seins! Er hatte ihr schon soviel kaputt gemacht!

Jarod beobachtete ihr Zögern. Vielleicht hatte er zuviel verlangt? Oder zu schnell. Oder sie wollte einfach nicht noch mehr Zeit mit ihm verbringen und suchte nach einer Ausrede, um es ihm schonend beizubringen. Oder...

"Na dann, gehen wir."

Miss Parker hakte sich bei dem total verdutzten Jarod ein und sah ihn auffordernd an. Da der aber im Moment vom Sprechen ab war, nickte er nur.

Sie gingen zusammen die Treppe hoch und Jarod bewunderte mal wieder, wie sie so sicher auf diesen Schuhen laufen konnte. Oben hielt er ihr die Tür auf.

Als sie danach zusammen über die leeren Flure des Centres gingen, hakte sich Miss Parker allerdings nicht bei ihm ein. Das war ihr dann doch zu ‚gefährlich' - schließlich mußte man die Gerüchteküche ja nicht unnötig anheizen. Aber sie unterhielten sich unverfänglich über ihre Arbeit und ein paar Hobbies, die sich Jarod ‚draußen' angeeignet hatte. Miss Parker mußte bei dem Gedanken lachen, wie Jarod wohl aussah, wenn er mit einem Alligator einen Ringkampf macht. Allerdings schollt sie ihn mit gespielter Entrüstung, daß er die gefährliche Echse nach ihr benannt hatte!

Schließlich holten sie sich an einem Automaten noch zwei Becher Kaffee, bevor Jarod endlich seinen Schlüssel rauskramte - ja, er hatte sogar einen Schlüssel für seinen Raum (obwohl er sicher war, daß es noch andere im Centre gab) - und sie eintreten ließ.

Jarod holte zwei Schachteln mit Plätzchen und Pralinen aus dem Schrank und stellte sie auf seinen Schreibtisch. Dann fiel ihm plötzlich auf, daß er ja auf ‚Besuch' gar nicht vorbereitet war. Er hatte keine Couch und sein einziger Tisch im Raum war der Schreibtisch mit seinem Computer. Auch Stühle waren Mangelware.

Miss Parker bemerkte seinen verzweifelten Blick durch den Raum und lächelte.

"Entschuldigen sie, ich hab ganz vergessen, daß..."

"Schon gut, Jarod!" unterbrach sie ihn. "Dann improvisieren wir halt." Sie setzte sich auf sein Bett und stellte den Kaffeebecher auf dem Nachttisch ab.

‚Ich benehme mich so seltsam, wenn ich mit ihm zusammen bin.' sinnierte sie, während sie auf ihren Kaffee starrte. ‚Was ist nur los mit mir? Kann es sein... kann es sein, daß ich wirklich Gefühle für ihn habe?? Das darf nicht sein! Ich... Ich kann mir keine Gefühle erlauben! ... Und ich will mir auch keine erlauben. Wenn man Gefühle für jemanden hat, dann ist man schwach und angreifbar. Und man wird nur enttäuscht. Meistens waren es die Männer, die ich gemocht habe, die mich enttäuschten... die mit meinen Gefühlen nur gespielt und sie ausgenutzt haben. Ich kann keinem vertrauen! Niemandem! Dann kann mich auch keiner verletzen. ... Mit Thomas war das etwas anderes gewesen. Er hat mich nicht nur benutzt, er hat mich geliebt. Und ich habe ihn geliebt. ... Aber habe ich das wirklich?? Er hatte mir viel bedeutet, aber habe ich ihn auch wirklich geliebt?? Wenn ich das getan hätte, dann hätte ich ihm hundertprozentig vertrauen müssen, hätte ihm alles von mir erzählen müssen... Aber das habe ich nicht. Ich konnte nicht. Ich hatte Angst, das er manche Seiten von mir nicht akzeptieren würde... ... Vielleicht habe ich in Wahrheit noch nie jemanden geliebt. Vielleicht weiß ich gar nicht, wie das geht.'

Jarod hatte inzwischen seinen Bürostuhl ans Bett gerollt und die Schachteln und seinen Kaffee auch auf den Nachttisch gestellt. Überrascht bemerkte er Miss Parkers abwesenden und traurigen Blick. Plagten sie wieder schlimme Erinnerungen? Oder Probleme mit ihrem Vater?

"Erde an Miss Parker!"

Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch und sah Jarod lächelnd vor sich sitzen. Er hielt ihr eine Schachtel hin. "Möchten sie? Die mit der Walnuß oben drauf sind besonders gut."

Sie lächelte zurück und nahm sich eine Praline.

Mit ernsterer Stimme sagte er: "Hören sie... wenn es ein Problem gibt, bei dem ich ihnen helfen kann, dann sagen sie es mir."

Sie sah ihn überrascht an. "Wie kommen sie darauf."

"Nun, sie sahen aus, als bereite ihnen etwas Kopfschmerzen. Und ich dachte, na ja, vielleicht geht es ja um ihren Vater... oder einen Fall, den sie bearbeiten."

Sie schüttelte den Kopf. "Es ist nichts. Ich hab nur... über etwas nachgedacht. Ist aber nicht so wichtig."

Er schaute sie immer noch ernst an. "Gut. ... Ähm, wenn sie mal jemanden brauchen, mit dem sie reden können, oder der einfach nur zuhört..."

Er brach ab und schaute schnell woanders hin. ‚Himmel was bietest du ihr da an???' schrie ihm seine kleine Stimme zu. ‚Meinst du im Ernst, sie kommt zu DIR, um sich bei dir auszuheulen???'

Auch Miss Parker war verdutzt darüber, daß er ihr das anbot. Um nicht mit offenem Mund dazusitzen, murmelte sie schnell "Danke" und trank einen Schluck aus ihrem Becher. Warum hatte er das gesagt? Meinte er es ernst? Und was war mit ihr? Sie konnte ihm ja wohl kaum von ihren Problemen erzählen... Das war... Er würde es ja eh nicht verstehen... ... Oder doch? Wenn sie es so betrachtete war Jarod der einzige Mensch, der sie wirklich so kannte, wie sie war, und sie auch so akzeptierte. Gut, er versuchte ständig, sie zu verändern. Aber wenn sie ehrlich war, dann hatte er ihr eine Seite an ihr gezeigt, die sie auch selbst mehr mochte, als sie es zugeben wollte.

Beide nippten an ihrem Becher und wußten mal wieder nicht, was sie sagen sollten. Doch diesmal war es Miss Parker, die das Schweigen brach.

"Jetzt weiß ich übrigens noch etwas, das in ihrem Zimmer fehlt."

Jarod sah sie fragend an.

"Eine Stereoanlage."

Er lachte auf. "Na ja, es wäre manchmal nicht schlecht, etwas Musik zu hören. Hoffentlich kriege ich dann keine ‚Verwarnung' der anderen ‚Anwohner' wegen Lärmbelästigung."

Auch Miss Parker grinste. "Wenn du nicht gerade Heavy Metal - Fan bist, dann dürfte es keine Probleme geben."

"Warum sollte ich denn ein Fan von Metall sein??" fragte Jarod verduzt.

"Nicht doch!" Miss Parker lachte auf. "Nicht von Metall. Von Heavy Metal, das ist ne Musikrichtung. Hast du etwa noch nie etwas davon gehört? Na macht nichts, ist auch nicht so toll... eigentlich ist es nur laut."

Da!!! Da war es wieder, das ‚du'!! Ok, jetzt wollte er es aber wissen!

"Wissen sie, was mir aufgefallen ist, Miss Parker? Sie haben mich gerade geduzt."

Sie schaute ihn überrascht an. Das war ihr gar nicht aufgefallen.

"Beim Essen übrigens auch."

Ups, da hatte er sie wohl erwischt.

Doch zu ihrer Verwunderung lächelte er sie an und sagte: "Warum bleiben wir nicht dabei. Das ist doch eigentlich albern, das wir uns siezen. Ich meine, wir kennen uns schon seit einer Ewigkeit."

Ganz wohl war Miss Parker dabei nicht. "Du weißt, daß das nicht so einfach ist."

Sein Grinsen wurde eine Spur breiter. Mist! Sie hatte schon wieder ‚du' gesagt.

"Verdammt. Jetzt hast du mir nen Floh ins Ohr gesetzt."

Jarod schaute sie fragend und skeptisch an. "Ich habe WAS gemacht?"

"Einen... Hat Sydney ihnen nie Sprichwörter beigebracht?"

"Nein. Deswegen trete ich auch ständig in irgendwelche Fettnäpfchen." Er seufzte - einerseits wegen der Sprichwörter und andererseits, weil sie wieder ins ‚sie' zurückgefallen war.

"Ah so." sie nickte mitfühlend. Sydney hatte ihn wirklich nicht gut auf das Leben ‚draußen' vorbereitet.

Sie tippte mit dem Zeigefinger nervös gegen den Rand ihres Bechers. "Ich weiß wirklich nicht, ob das so eine gute Idee ist."

Jarod ließ die Schultern hängen. "Ja, ich weiß..." Er versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht recht. "Aber einen Versuch war's wert."

Miss Parker lächelte zurück. Es tat ihr irgendwie leid, daß sie ihm seine Bitte ausschlagen mußte. "Aber... was mein Vater nicht weiß, macht ihn nicht heiß..."

Jarod hob langsam den Kopf und Miss Parker hätte schwören können, sie sah lauter Fragezeichen in sein Gesicht geschrieben.

Sie schnitt eine Grimasse. "Ähm... jetzt weiß ich das perfekte Weihnachtsgeschenk für dich: ein Sprichwörter-Buch." Dann wandte sie sich ab und angelte sich noch eine Praline aus der Schachtel.
"Es bedeutet nur: wenn mein Vater nichts mitkriegt, dann gibt es auch keine Probleme." erklärte sie schließlich, da Jarod weiterhin stumm auf eine Antwort wartete

Jarod dachte über ihre Worte nach und nickte bedächtig. "Also so was wie ein Geheimnis zischen ihnen und mir?"

Miss Parker wäre fast die Praline im Hals stecken geblieben... ein Geheimnis... das klang so... Sie schluckte das hartnäckige Konfekt herunter und schaute ihn forschend an.

"Keine Angst, ich verrate es nicht! Pfadfinderehrenwort!" Jarod hielt die Hand zum Pfadfinderschwur hoch.

"Du warst nie Pfadfinder." konterte Miss Parker.

Er grinste sie schelmisch an. "Sind sie sich da sicher??"

Miss Parker verdrehte die Augen und unterdrückte ein Grinsen.

"Erinnern sie sich noch an unser Geheimnis von früher?" fragte Jarod und schaute ihr tief in die Augen.

Wie konnte sie sich nur in diesen tiefen braunen Augen so schnell verlieren? Miss Parker konzentrierte sich auf seine Frage, um ihren Magen wieder vom Hüpfen abzubringen. "Geheimnis?"

"Ja, ich hab es nie jemandem verraten. Die ganze Zeit."

Bilder aus der Vergangenheit zuckten in ihrem Kopf auf: das Simlab, der kleine Junge mit den traurigen Augen, das kleine Mädchen beugte sich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr. "Du... du weißt es noch?"

Jarod lächelte über ihren erstaunten Gesichtsausdruck. "Natürlich." Seine Stimme war leise, dunkel und verführerisch.

Dann beugte er sich langsam nach vorn bis sein Mund neben ihrem linken Ohr war. Für einen Augenblick berührte seine Wange ihre Haut, als wäre es nur ein Versehen... aber war es das? Sein Atem kitzelte ihr Ohr und ließ die sensiblen Nerven darin Feuer fangen. Seine Lippen bewegten sich sanft als er leise, fast lautlos ein Wort flüsterte. Das verbotene Wort. Das Wort, daß sie eigentlich nie wieder hören wollte. Das Wort, daß sie nur in ihren Träumen hörte, wenn die Erinnerung an ihre Mutter sie verfolgte...

Ihren Namen!

Ein leichtes Zittern lief durch sie hindurch.

Aber war es nur die Erinnerung an ihren Namen gewesen, die sie bewegte? Oder war es seine Nähe? Seine Berührung...

Als er sich wieder zurücklehnte, schaute sie zuerst auf den Boden. Dann sah sie auf... suchte seine Augen... suchte einen Hinweis darauf, ob er nur mit ihr spielte und sie verhöhnte, ob auch er versuchte, sie zu manipulieren und zu verletzten. Doch sie sah nur Ehrlichkeit und Wärme in seinen Augen. Und... war da noch etwas? Sie konnte es nicht genau sagen.

Er lächelte sie an. Kein typisches Jarod-Grinsen, keine Herausforderung. Nein, mehr ein schüchternes Lächeln, daß ihr zeigte, daß er sie verstand... daß er mit ihr fühlte.

Ihr Herz schlug immer noch schnell. Sie war nervös. Himmel, so nervös wie schon lang nicht mehr! Sie wünschte sich plötzlich, sie hätte nicht mit dem Rauchen aufgehört, dann hätte sie sich jetzt wenigstens damit ablenken können. Hätte nicht einfach so dagesessen. Der Vorteil beim Rauchen war eindeutig, daß man immer eine Beschäftigung für die Hände hatte. Aber das war vorbei. Also nahm sie jetzt als Ersatz wieder ihren Kaffeebecher in die Hand nippte wieder daran. Der Kaffee war schon lange nicht mehr so heiß, daß sie hätte nippen müssen, aber wer weiß, wie lange sie von diesem einen Becher noch zehren mußte, wenn das Gespräch weiter so persönlich blieb!

Ein kurzer Blick auf Jarod zeigte ihr, daß er sich jetzt wieder entspannt hingesetzt hatte und sie anlächelte, allerdings diesmal mit dem typischen Jarod-Lächeln. Auch er trank ein paar Schlucke aus seinem Becher und schwieg.

Eine Weile sagte keiner ein Wort und sie genossen einfach die Stille. Schließlich angelte Jarod etwas aus dem Bücherregal neben dem Bett und hielt es ihr hin. "PETS??"

Sie mußte lachen. "Wie kommen sie denn daran?"

"Ah!" Jarod hob tadelnd den Finger.

"Also schön. Wie kommst DU denn daran?"

"Tut mir leid, ich darf meine Quellen nicht verraten!" er grinste breit.

Sie nahm ein Bonbon aus der Hülle. "Was hast du nur immer mit diesen PETS?"

"Sie waren das erste, was ich nach meiner Flucht für mich entdeckt hab. Sie symbolisieren für mich also praktisch die Freiheit." erklärte er.

Sie nickte und wurde wieder ernst. "Jarod, hör zu. Wegen... Ich meine... Ich möchte eigentlich nicht, daß..."

"Schon klar." unterbrach er sie. "Ich würde dich auch nie mit deinem Vornamen ansprechen. Zumindest nicht, solange du das nicht willst. Ich respektiere deinen Wunsch. Auch wenn ich es sehr schade finde, es ist ein sehr schöner Name und er paßt viel besser zu dir als ‚Miss Parker'."

Sie zog eine Grimasse und er grinste.

"Was hältst du davon, wenn ich einfach nur ‚Parker' sage?"

Sie überlegte. "Ich denke damit könnte ich leben." Dann schaute sie ihn herausfordernd an. "Und was noch viel wichtiger ist: damit könnte ich DICH weiterleben lassen!"

Jarod lachte auf.

Auch Miss Parker lächelte. Dann schaute sie auf ihre Uhr und seufzte. "Hast du eigentlich gesehen, wie spät es ist?"

"Nein." Er drehte sich zu seiner Wanduhr um. "Oh. Heißt das, das du schon gehen willst?"

‚Wenn ich hier nicht übernachten will.' lag ihr schon auf der Zunge, aber sie sprach es lieber nicht laut aus... obwohl...der Gedanke hatte etwas verlockendes... ‚Schluß damit!'

"Ja, ich fürchte schon. Ich brauche schließlich auch meinen Schönheitsschlaf." Sie griff ein letztes Mal nach ihrem Becher und hielt dann inne. "Oh, ich vergaß. Das hat dich ja nie groß gestört..."

"Huh?" Jarod machte ein unschuldiges Gesicht, als sie sah ihn tadelnd ansah.

"Du kannst froh sein, daß ich dich damals nicht in die Finger gekriegt habe! Leute, die es sich zum Hobby machen, mich um 3 Uhr nachts anzurufen und aus dem Schlaf zu reißen bekommen bei mir eine ‚Sonderbehandlung'!" Mit dieser Drohung lehrte sie ihren Becher, zerdrückte ihn und warf ihn in den Papierkorb.

Jarod verkniff sich einen weiteren Kommentar. Er beschränkte sich darauf, sie spitzbübisch anzugrinsen. Natürlich wußte sie, daß er wegen ihres gestörten Schlafes kein schlechtes Gewissen hatte.

Jarod nahm ihre Jacke und half ihr ganz gentlemanhaft hinein. "Willst du vielleicht noch ein paar Pralinen mitnehmen? Als kleinen Mitternachts-Snack?"

Miss Parker, die gerade die Jacke zuknöpfte, schnaufte. "Langsam habe ich da Gefühl, du willst mich mästen!" Dann drehte sie sich abrupt um... und stieß mit dem immer noch hinter ihr stehenden Jarod zusammen.

Jarod hatte nicht damit gerechnet, daß sie sich so schnell umdrehen würde. Als sie gegen ihn stieß und dann nach hinten zu fallen drohte, griff er automatisch nach ihrem Arm und zog sie an sich.

Plötzlich stand sie in seiner Umarmung! Ihre Hände lagen auf seiner Brust und sie meinte sogar, sein Herz schlagen zu fühlen. Seine Armen hatte er schützend um sie gelegt und seine Hände lagen locker auf ihrem Rücken. Für einen Augenblick hielten beide die Luft an und bewegten sich nicht.

Miss Parker erholte sich als erste wieder. Sie machte einen Schritt zurück und Jarod entließ sie sofort aus seinen Armen. Ihr Herz schlug so laut, daß sie Angst hatte, er könnte es hören und sehr zu ihrem Ärger breitete sich ein Anflug von Röte auf ihren Wangen aus.

Allerdings war es Jarod, er als erster seine Sprache wiederfand. "Tut mir leid... Ich wollte dich nicht umrennen." stammelte er schnell.

"Schon gut." Miss Parker schüttelte den Kopf. "Das war... meine Schuld."

"Alles in Ordnung?"

‚Reiß dich zusammen!' rief ihr Verstand Miss Parker zu. Sie schaute hoch und setzte ein neutrales Lächeln auf. "Na klar. Ich bin ja nicht aus Porzellan."

Sie suchte in ihren Taschen nach dem Autoschlüssel und tadelte sich selbst dafür, daß ihre Hand ein wenig zitterte. Sie zog den Schlüsselbund heraus und behielt ihn in der Hand. Ihr war es lieber wenn sie ihn in der Tiefgarage nicht erst suchen mußte.

"Also dann, ich bedanke mich für den netten Abend." sagte sie so unverfänglich wie möglich.

Jarod lächelte sie schon wieder an. "Nein, ICH bin es, der sich bedanken muß. Das war wirklich ein sehr schöner Abend... Das Essen war ausgezeichnet und die Begleitung war einfach bezaubernd."

"Hey, erzähl das bloß keinem!! Du ruinierst sonst noch meinen schlechten Ruf."

Beide lachten.

"Gute Nacht, Jarod."

"Gute Nacht, Parker. Fahr vorsichtig."

Miss Parker zog eine Grimasse. "Ja, Daddy."

Dann drehte sie sich um und verließ sein Zimmer.



Draußen auf den leeren Korridoren lief der Abend wie ein Film noch mal vor ihrem geistigen Auge ab. Sie blieb stehen und wollte sich am liebsten gegen eine der Mauern lehnen und tief Luft holen. Aber da war wieder ihre kleine Stimme, die ihre nachdrücklich zurief: ‚Die Kameras!!'

Sie hatte recht! Miss Parker ging weiter, das Gesicht wie immer völlig emotionslos, aber in ihrem Innere aufgewühlt und verwirrt.






... Fortsetzung folgt





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