A Feeling for Mom by MissCatherine
Summary: findet es heraus :)
Categories: German Characters: Telling Would Spoil
Genres: Drama, Romance
Warnings: None
Challenges: None
Series: None
Chapters: 4 Completed: No Word count: 19290 Read: 11228 Published: 14/01/06 Updated: 13/10/09

1. Teil 1 by MissCatherine

2. Teil 2 by MissCatherine

3. Teil 3 by MissCatherine

4. 4. Teil by MissCatherine

Teil 1 by MissCatherine
A Feeling for Mom

Autor: Miss Catherine
E-Mail: LosAngelesnaumann@web.de
Spoiler: Die Story spielt nach den Spielfilmen.
Disclaimer: Die Figuren der Serie „The Pretender“ gehören nicht mir, sondern TNT, NBC und 20th Century Fox. Ich habe sie mir nur zur Unterhaltung anderer Fans ausgeliehen.
Hinweis: An dieser Stelle richte ich einen großen Dank an Katty, die eine fleißige Beta-Lesering ist. Ohne sie wären mir manche Dinge gar nicht aufgefallen.
Anmerkung: Siehe Ende der Geschichte!


Teil 1

Miss Parkers Haus
Blue Cove, DE
Nachts


Ich lief durch die Gegend ohne auch nur einen blassen Schimmer davon zu haben, wo ich war oder warum ich dort war. Es war dieses seltsame Gefühl, dass ich gar keine Kontrolle über mich oder meine Bewegungen oder die Umgebung hatte. Ich war in meinem Körper aber zugleich auch nur stiller Beobachter. Ich hasste dieses Gefühl. Ich konnte es noch nie leiden, wenn ich nicht die volle Kontrolle über die Situation besaß.

Ich blieb stehen und drehte mich um mich selbst. Ich konnte nichts sehen, da alles um mich herum in dichten Nebel gehüllt war und dennoch kam mir diese Gegend so vertraut vor. Ich war mir so sicher da schon einmal gewesen zu sein. Viel mehr überraschte es mich IHN plötzlich vor mir zu sehen.

Erstaunt und ohne diesen bösen Unterton in der Stimme, wie ich es gern gehabt hätte, rief ich seinen Namen: „Jarod!“ Er sah mich nur an, neigte seinen Kopf … und drehte sich um. Als er anfing wegzugehen setzte ich mich auch in Bewegung, doch ich kam nicht von der Stelle.

Ich kam mir so einsam vor und wollte nicht, dass er ging. Also lief ich schneller und schneller und wurde immer panischer. Fast schon hysterisch rief ich ihn. „Jarod, bitte lass mich nicht allein! JAROD!!“

Doch er zeigte keine Regung, also blieb ich stehen. Was war das nur? Ein eisig kalter Schauer lief mir den Rücken herunter. Es war ein so unangenehmes Gefühl und trotzdem so vertraut. Ich wollte das nicht mehr und schüttelte mich und machte schließlich die Augen zu.

Etwas schien sich zu verändern. Als ich die Augen wieder öffnete war ich an einem Ort, den ich nur zu gut kannte. In einem Augenblick stand ich in Ocees kleiner Hütte. Im anderen Moment saß ich dann plötzlich in einer Decke und einen Bademantel gehüllt am Kamin … neben mir - ganz nah – Jarod.

Ich erinnerte mich. Diese kleine Szene ging mir seit dem nicht mehr aus dem Kopf. Es war ein besonderer Punkt. Ich konnte aus meiner jetzigen Sicht als Beobachter förmlich die Weggabelung sehen, die sich auftat.

Ich hatte eine gute und eine schlechte Wahl. Ich entschied mich damals für die Schlechte. Oder? Woher wusste ich das so plötzlich? Damals fühlte es sich auch falsch an. Aber was konnte man in 5 Sekunden schon entscheiden?

Ich war seit dem schon immer neugierig gewesen, was wohl passiert wäre, wenn Ocee nicht in das Zimmer gekommen wäre und uns gestört hätte. Hätte alles dann plötzlich so rosig ausgesehen, bloß weil wir uns geküsst hätten?

Oder meine Entscheidung am Flughafen? Hätte ich Jarod nicht zurückweisen sollen? Und dann? Wären wir dann einfach so händchenhaltend an Daddy und Raines vorbeispaziert und alles wäre gut?

Die Lage war misslich. Egal was ich tat, es war schlecht. Aber auf was hatte das schlechte Auswirkungen? Ich wusste die Antwort, aber ich wollte sie nicht sagen geschweige denn überhaupt denken.

Doch es ging nicht anders. Ich wusste, dass es immer Auswirkungen auf meine Beziehung zu Jarod haben würde, obwohl man das nicht als Beziehung bezeichnen dürfte. Doch trotzdem kam es mir manchmal so vor.

Ich wollte am Liebsten den Kopf schütteln oder mich ohrfeigen, dass ich endlich aufhörte, so etwas zu denken. Ich wollte das nicht hören. Schon immer habe ich es vorgezogen vor solchen Fragen und Problemen davonzulaufen.

Doch jetzt kam mir alles, was ich bisher in meinem Leben tat falsch vor. Es war nicht mehr auszuhalten. Mir war so, als würde ich nur noch aus Schuldgefühlen und meinem schlechten Gewissen bestehen. Wie ich das hasste. Eine Parker besaß keine Schuldgefühle … und schon gar kein schlechtes Gewissen.

Diese ganzen Gedanken schossen in meinem Kopf und mir wurde ganz schwindelig. Ich hatte Angst, mir würde vor lauter Kopfschmerzen der Kopf zerspringen. So etwas hatte ich echt noch nie erlebt. Sonst kam die Moralpredigt immer von Sydney, aber dieses Mal kam sie direkt von mir. Hatte das etwas zu sagen?

Ich versuchte aus dieser Lage herauszukommen, doch es ging nicht. Nach dieser Horrorreise durch meine Gedanken waren wir wieder in der Hütte am Kamin. Doch etwas schien verändert.

Ich stand da, als Beobachter, fühlte aber gleichzeitig alles, was in der Person mir gegenüber vorging. Ich sah Jarod, der diese Person, die ja ich war, anstarrte und mir wurde ganz warm. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich ganz auf diese Situation … und war plötzlich wieder in meinem Körper, neben Jarod.

Ich fühlte, wie mein Herz immer stärker schlug, wie das letzte Mal auf der Insel. Ich hatte dieses Verlangen etwas zu tun, ihn zu berühren, doch wie beim letzten Mal plagten mich Zweifel.

Dann kam sein Gesicht näher und ohne nachzudenken tat ich es ihm gleich und … wir küssten uns. Niemand hielt uns dieses Mal auf. Es war ein so angenehmes Gefühl, auch wenn es sich gleichzeitig falsch anfühlte.

Doch das gute Gefühl überwog und so schmiss ich zumindest für diesen einen Augenblick all meine Sorgen, Plagen und Gedanken über Bord. Ich genoss diese Nähe und all die Liebe, die durch diesen Kuss übermittelt wurden. Es war so angenehm.

Ich wünschte, es würde nie mehr aufhören und ich drohte mich in diesem Kuss zu verlieren … als plötzlich ein seltsam schrilles Geräusch sich seinen Weg in meine Ohren und mein Bewusstsein drängte.


Vorsichtig blinzelte ich um ein scharfes Bild zu bekommen. Ich war noch ganz benommen. Schließlich stellte ich fest, dass es mein Wecker war, der mich aus meinen Gedanken riss. Ich stöhnte resignierend. „Was war das denn jetzt wieder für ein Höllentrip?“ Ich ließ mich mit einem Ruck zurück in meine Kissen zurücksinken. „Ich muss endlich aufhören vor dem Schlafen so viel Scotch zu trinken!“

Centre
Blue Cove, DE
Wenig später


Immer noch benommen von diesem Traum lief ich gedankenverloren durch die Lobby des Centres, auf dem Weg in mein Büro. Der Traum war so real, aber dennoch nur eine Fiktion. Es ließ mich aber nicht los.

Hatte ich das etwa nur so geträumt, aus Zufall? Oder steckte da mehr dahinter? Die Gefühle und die Zweifel, die ich wieder spürte, sollten etwas aussagen, da war ich mir sicher. Aber warum gerade jetzt?
Ich bemerkte scheinbar gar nicht wirklich, wie ich mein Büro erreichte. Die Gedanken und die Fragen waren immer noch in meinem Kopf.

Plötzlich hörte ich etwas. Erschrocken schüttelte ich den Kopf und sah Sydney vor mir stehen. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich irgendwie hilflos aussehen musste, wie ich da so in der Mitte meines Büros einfach herumstand.

Also setzte ich mich in Bewegung und ging zu meinem Tisch. Sydney musterte mich und legte wieder einen seiner psychiatrischen Blicke auf. Ich hob eine Braue. „Was ist? Warum sehen Sie mich so an?“

Er veränderte seine Pose und stand mit verschränkten Armen und dem gleichen besorgten Blick vor mir. „Sie sahen so abwesend aus, als ich hereinkam. Ist etwas?“

Energisch schüttelte ich den Kopf. „Mir geht es gut! Ich hatte nur schlecht geträumt.“
Fehler! Das hätte ich nicht sagen sollen.

Sydney hakte nämlich sofort nach. „Über was haben Sie geträumt?“

Ich rollte mit den Augen. „Es ist nichts! Kann man nicht mal schlecht schlafen? Was wollten Sie eigentlich? Sie sind doch nicht nur hergekommen um mich wegen meines schlechten Schlafs zu nerven, oder?“

Sydney nickte und setzte sich in Bewegung. Er machte eine einladende Geste. „Wir haben eine Spur von Jarod bekommen. Broots ist schon dabei ihn zu lokalisieren.“

Ich nickte und begleitete ihn zu Broots. Zufall, ja? Um meine Gedanken endlich loszuwerden schüttelte ich erneut den Kopf. Was war hier los?


Tech Room

Eiligen Schrittes betrat ich gemeinsam mit Sydney den TechRoom und sah schon Broots an seinem Computer, wie er hochkonzentriert auf der Tastatur herumtippte und versuchte, einen Hinweis auf Jarods Aufenthaltsort zu bekommen. Das war wirklich keine leichte Aufgabe und ich musste schon zugeben, dass Broots das sehr gut meisterte. Ich sagte aber nie etwas darüber. Das war nie eine meiner Stärken.

Ich grinste bei dem Gedanken wie konzentriert er war und konnte es nicht lassen ihn erschrecken zu wollen. Ich ging um den Tisch herum stellte mich hinter ihn und schlug mit dem Satz „Hey, Broots!“ auf seine Schulter.

Er schrie kurz, fuhr herum und sah mich mit großen Augen an, während er sich seine Hand an der Brust hielt. „Mein Gott! Wollen Sie, dass ich einen Herzinfarkt bekomme?“

Eigentlich wollte ich ernst bleiben und noch etwas gemeines erwidern, aber ich konnte einfach nicht anders und musste lachen. Mir die Tränen wegwischend klopfte ich ihm auf die Schulter. „Entschuldigen Sie.“

Dann wurde ich wieder ernst und sah ihn durchdringend an. „Also, was haben wir?“

Broots stand schwungvoll aus seinem Stuhl auf und lief zu einem anderen Tisch, auf dem etwas lag. Er nahm das Päckchen und gab es Miss Parker. „Das ist für Sie. Ich habe das Papier bereits abgemacht und bin dabei es auf Spuren nach seinem Aufenthalt zu untersuchen, aber es ist nicht so einfach.“

Meine Augen verengten sich und ich funkelte ihn böse an. „Was soll das heißen?“ Es würde doch wohl nicht so schwer sein!

Broots duckte sich etwas und sah mich an. „Na ja, wissen Sie, das Paket hat keinen Poststempel oder sonst irgendeinen Absenderhinweis. Das heißt, Jarod hat es jemanden gegeben, der es hier abgeliefert hat oder er war selbst hier.“

Ich nickte vor mich hin. Jarod hier? Klang gar nicht so abwegig. Das tat er schon oft. Aber warum sollte er es riskieren wegen eines einfachen Päckchens erwischt zu werden? Man sollte der Spur dennoch nachgehen. Also wies ich Broots an. „Checken Sie die Überwachungsbänder. Vielleicht haben wir Glück.“

Broots nickte und machte sich eilig davon.
Sydney sah mich bedächtig an. „Denken Sie wirklich Jarod war selbst hier?“

Ich sah ihn nur an. „Man kann ja nie wissen. Er ist zu allem fähig.“

Sydney deutete mit dem Kopf auf das Paket, das ich noch immer in den Händen hielt. „Was wird Jarod Ihnen wohl geschickt haben?“

Ich lächelte gemein. „Das würde Sie interessieren was?“

Ich setzte mich in Bewegung, doch Sydney hielt mich auf. „Miss Parker, ich weiß, dass Sie nicht mit mir reden möchten. Aber ich merke, dass sie immer noch von Gefühlen und Erinnerungen gequält werden, die mit den Geschehnissen damals auf dieser Insel zu tun haben. Sie sollten das nicht einfach verdrängen.“

Ich funkelte ihn an. Was dachte er sich eigentlich? Wenn er wusste, dass ich nicht darüber reden wollte, warum fragte er mich dann? Genervt riss ich mich von ihm los. „Danke für den Tipp, Dr. Freud.“

Zugegebenermaßen klang dieser Satz eine Spur zu scharf, aber ich wollte ihm begreiflich machen, dass er mich nicht mehr mit seinen psychologischen Andeutungen nerven sollte.
Ich machte mich wieder auf den Weg in mein Büro. Das Paket wollte ich in Ruhe selbst auspacken.

Miss Parkers Büro
später


Eine ganze Weile saß ich nun schon an meinem Schreibtisch. Das Paket von Jarod lag vor mir auf dem Tisch und wartete nur darauf geöffnet zu werden. Irgendetwas hinderte mich daran. Ich konnte nicht genau sagen was es war, aber da war etwas, das mir sagte, dass etwas bedeutungsvolles in diesem Paket war.

Vielleicht etwas, das mit den Ereignissen auf der Insel zu tun hatte, die letzte Zeit in der ich Jarod sah und mit ihm sprach. Dieses Paket war auch die erste Meldung von ihm seit damals. Seine erste Nachricht nach all der Zeit war ein Paket, was nur für mich bestimmt war.

Ich wusste, wenn ich noch länger darüber nachdenken würde, würde ich verrückt werden. Aber vor dem Öffnen hatte ich einfach zu viel Angst, vor allem nachdem was auf der Insel zwischen uns passierte.

Ich war so tief in meine Gedanken versunken, dass ich gar nicht mitbekam, wie Sydney in der Tür meines Büros stand und mich beobachtete. Erst als er sich räusperte und auf mich zukam bemerkte ich ihn.

Ich hob den Kopf und sah ihn nur an, wissend, dass er gleich etwas psychologisches sagen würde. Er deutete auf das Paket. „Warum öffnen Sie es nicht, Miss Parker?“

Ich sah ihn nur weiterhin an. Er würde mich ohnehin in ein Gespräch verwickeln, vorher würde er nicht aufgeben. Aber zu einfach sollte er es auch nicht haben. Sydney nickte vor sich hin und nahm auf der anderen Seite des Tisches auf einem Stuhl Platz.

Er schien mich zu analysieren. Sein Blick war schon fast triumphierend. „Wollen Sie das Paket nicht öffnen, weil sie Angst haben, Jarod könnte ihnen etwas persönliches mitteilen.“

So langsam riss mein Geduldsfaden. „Warum sagen Sie nicht einfach was Sie wollen?“

Sydney blieb immer noch so ruhig. „Warum sagen Sie mir nicht was Sie bedrückt? Sie sind seit sie von dieser Insel wiedergekommen sind so verändert. Was ist da passiert, was sie so nachdenklich stimmt?“

Ich sah ihn eindringlich an. Was sollte ich sagen? Sollte ich mein ganzen Herz ausschütten? Er wusste, dass ich das nicht tun würde. Aber die Ereignisse hingen unweigerlich damit zusammen.

Ich seufzte. „Ich weiß es auch nicht, Sydney.“, gab ich offen zu. „Es ist eine Mischung aus allem was da passiert ist. Die ganze Geschichte mit meiner Familie, alles was ich dort erfahren musste, die eventuelle Bedeutung dieser Schriftrollen, der Sprung meines ... Vaters aus diesem Flugzeug, die ganze Zeit auf der Insel, die ich mit Jarod verbracht habe...“

Ich brachte mich selbst zum Schweigen. Als ich die ersten Worte sprach flossen die anderen so schnell hinterher, dass ich es gar nicht mehr kontrollieren konnte. Ich hatte im Grunde schon zu viel gesagt und damit Sydney eine Menge Stoff geliefert.

Der sagte aber seltsamerweise nichts, sondern schaute mich nur an, mit einem Blick, den ich gar nicht richtig deuten konnte. Es war eine Mischung aus Verwunderung, Neugier und Besorgtheit. Er rieb sich nachdenklich über das Kinn.

Seine Stimme klang, wie immer, so sanft und ruhig. „Ich kann mir schon vorstellen, dass es nicht einfach war, diese ganzen Momente zu erleben. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es eigentlich nur um ein Thema geht.“

Ich sah ihn an. Ich wusste warum er nicht weitersprach und welche Worte ihm auf der Zunge lagen. Ich wusste es selbst. Aber es war zu schwer es zuzugeben und einzusehen. Langsam hatte ich meine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle und meine Stimme wurde leiser. „Sagen Sie es einfach, Syd.“

Er schaute mich an, mit dieser Besorgtheit in seinen Augen, als wäre er mein eigener Vater, der sich Sorgen um seine Tochter machte. Dieser Gedanke war rührend und irgendwo auch vorstellbar.

Sydney hatte sich damals, nach Moms Tod immer gut um mich gekümmert. Er blieb noch immer ruhig. „Es geht um Jarod, richtig?“

Was sollte ich sagen. Er hatte natürlich, wie immer, voll ins Schwarze getroffen. Ich brachte kein Wort heraus. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Es war nicht so, als müsste ich jeden Augenblick anfangen zu weinen.

Es war nur die Gesamtheit aller Erlebnisse, die Jarod und ich teilten, alles zusammen... Er spielte eine zu große Rolle in meinem Leben und es hatte sich nie etwas geändert. Wir waren nicht nur damals gute Freunde, sondern halfen uns auch in den späteren Jahren immer wieder.

All die unzähligen Male, die wir ihn „knapp verpassten“, all die Schüsse, die ich auf ihn abfeuerte und die „knapp vorbeischossen“, all die Telefonate, die Hilfe, die Informationen ... Es war, als wären wir im Laufe der Zeit immer mehr voneinander abhängig geworden.

Ich hatte manchmal das Gefühl, dass es einfach Schicksal war. Es schien uns vorbestimmt zu sein Freunde zu sein, oder mehr; uns immer wieder zu helfen. Egal was wir taten, wie oft wir uns stritten, wie weit oder wie lange wir voneinander getrennt waren, die Zeit brachte uns doch immer wieder zusammen und ließ uns reden, über uns, unsere Vergangenheit oder andere Dinge. Es war ein seltsames Gefühl, aber gleichzeitig das wohl vertrauteste Gefühl, dass ich hatte.

Ich sah Sydney an, noch immer unfähig irgendetwas zu sagen und nickte einfach nur leicht mit dem Kopf. Er verstand sofort, was das zu bedeuten hatte und lächelte aufmunternd. „Auf der Insel war etwas passiert, dass Ihr Verhältnis zu ihm verkompliziert hat, richtig?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Definieren Sie ‚verkompliziert’. Unser Verhältnis zueinander war noch nie einfach gewesen.“

„Ich weiß nicht. Sie waren damals als Kinder ganz normale Freunde gewesen...und auch später.“

Ich sah Sydney einfach nur an. „Sie haben gar keine Ahnung, Sydney. Wir waren Freunde, das stimmt, aber unser Verhältnis änderte sich mit der Zeit, als wir beide Teenager waren. Und seit dem ist es wie es ist .... und mit jedem Ereignis, dass uns näher bringt und unsere Gefühle offenbart wird es schlimmer.“

Das war noch nie einfach für mich gewesen. Ich war eigentlich nur einen Schritt davon entfernt Erleichterung zu finden. Aber genau dieser eine Schritt, war der größte in meinem Leben. Ich spürte, wie eine kleine Träne meine Wange hinunterlief und wischte sie hastig weg.

„Ich fürchte, Miss Parker, Sie werden keine andere Wahl haben, als mit Jarod zu reden. Das ist die einzige Möglichkeit diese Hürde zu überwinden.“

Ich nickte und meine Stimme klang rau. „Ich weiß. Aber ich kann es einfach nicht.“

Sydney beugte sich vor und legte seine Hand beruhigend auf meine. „Alles zu seiner Zeit, Miss Parker. Irgendwann wird der Moment kommen, in dem sie dazu bereit sind. Setzen Sie sich nicht unnötig unter Druck.“ Damit stand er auf.

Ich nickte vor mich hin und sah ihm nach, wie er mein Büro wieder verließ. Auch wenn nie viel gesprochen wurde, wusste er immer was mich bedrückte und half mir.

Eine Weile saß ich einfach nur so da und starrte vor mich hin, überdachte Sydneys Worte. Ich wusste, dass er Recht hatte, aber ich brauchte noch Zeit. Währenddessen fiel mir immer wieder das Paket auf, das nun schon stundenlang ungeöffnet vor mir herum lag.

Ich nahm eine kleine Schere und entfernte das Klebeband am Karton, so, dass ich ihn schließlich öffnen konnte. Was ich darin fand war eine kleine Porzellanpuppe, mit blonden Haaren und einem kleinen weißen Kleidchen.

Ich nahm die Puppe heraus und durchsuchte den Karton. Es war nichts weiter darin. Irritiert sah ich die Puppe genau an. „Was willst du mir damit sagen, Jarod?“, fragte ich vor mich hin und hoffte, bald darauf eine Antwort zu finden.

Miss Parkers Büro
The Centre, Blue Cove
2 Tage später


In den letzten beiden Tagen waren wir nur am Arbeiten. Broots bekam ein paar Hinweise über Jarod konnte aber trotzdem nicht eindeutig herausfinden wo er war. Es war schwerer als sonst. Ich konnte es förmlich spüren, dass der eindeutigste Hinweis direkt vor meiner Nase war, ich ihn aber nicht sehen konnte.

Während meiner Arbeit, schaute ich auch oft zu der kleinen Puppe, die Jarod mir schickte und die einen Platz auf meiner Bürocouch bekam. Ich wusste einfach nicht, was mir Jarod damit sagen wollte. Ich wusste, dass sie mir verraten würde wo er sich aufhielt, aber wie?

Seufzend stand ich von meinem Schreibtisch auf und ging erneut in den TechRoom. Broots war wie immer am Computer beschäftigt und Sydney lief durch das kleine Zimmer und blätterte in einer Akte herum.

Als die beiden das Klappern meiner Schuhe auf dem Steinboden hörten, das meine Ankunft andeutete, schauten sie auf. Broots machte dabei aber kein glückliches Gesicht. „Es tut mir leid, Miss Parker. Aber es ist so schwer ihn zu finden. Es ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Jarod hat es uns dieses mal nicht gerade leicht gemacht.“

Ich nickte. Ich hatte diese Sucherei so satt, dass es mir inzwischen egal geworden war, ob wir ihn fanden oder nicht. Der einzige, der mich daran erinnerte, dass die Suche wichtig für das Centre sei, war der keuchende Mr. Raines. Ich winkte nur ab. „Ist schon gut. Suchen Sie aber weiter.“

Broots nickte und arbeitete eifrig weiter.
Ich schaute noch ein paar Sekunden zu Broots und widmete dann meine Aufmerksamkeit Sydney, der auf mich zukam und mich fragend ansah.

„Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen. Wie auch? Wir finden ihn ja nicht.“
Ich sprach dabei leise, denn ich wollte nicht, dass Broots oder sonst jemand hören konnte.

„Aber Sie werden mit ihm reden?“, fragte Sydney neugierig nach.

Ich hob die Hände in die Luft. „Am Ende habe ich doch keine andere Wahl, oder?“

Sydney klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. Ich nickte nur und ging wieder zurück in mein Büro. Frustriert ließ ich mich auf meine Couch sinken. In letzter Zeit lief nichts so wie es sollte. Ich hoffte, dass sich das bald ändern würde.

Als ich meinen Blick durch mein Büro streifen ließ, fiel mir wieder die kleine Puppe auf. Ich nahm sie und betrachtete sie ausgiebig. Irgendwo musste ein Hinweis versteckt sein. Da wurde mir plötzlich bewusst, wie sehr sie der Puppe ähnelte, die dem kleinen Mädchen auf Carthis gehörte.

Diese Puppe war damals sehr wichtig für unsere Suche. Langsam dämmerte es mir und mir wurde klar, was Jarod bezweckte. Mir ging dieser Spruch durch den Kopf. ‚Sie besitzt den Schlüssel.’

Es war, als würde ich ein jahrelanges Rätsel endlich lösen. Es war plötzlich alles so klar. Triumphierend ging ich mit der Puppe zu meinem Schreibtisch, setzte mich und schlug ihr kurzerhand den Kopf ab.

Ich drehte sie um hineinsehen zu können und bemerkte einen kleinen Schlüssel, der mir entgegen kam. Interessiert nahm ich ihn zwischen meine Finger und betrachtete ihn skeptisch. Doch als ich genauer hinsah weiteten sich meine Augen. „Das ist mein Schlüssel!“

Es traf mich wie ein Schlag als mir das alles erst richtig bewusst wurde. „Das heißt also, er war wirklich hier.“ Ich war scheinbar tief in Gedanken versunken. Ich wollte zu gern wissen, ob er noch immer da war. Als Broots lautstark in mein Büro stürmte, sah ich auf. Er keuchte.

„Ich hab was gefunden.“

TechRoom

Broots deutete aufgeregt auf den Bildschirm und startete eine Videoaufnahme. „Das wurde aufgenommen, an dem Tag, als das Paket für Sie ankam. Jarod war wirklich selbst hier!“

Wenig überrascht sah ich mir das Band an und wunderte mich. „Aber wie kann es sein, dass niemand ihn gesehen oder bemerkt hat? Es war mitten am Tag!“ Ich fragte mich wirklich ob überhaupt jemand wirklich die Augen aufmachte.

Broots zuckte unschuldig mit den Schultern. „Wir haben überall nachgefragt. Aber trotz seiner Anwesenheit hier hat ihn niemand bemerkt.“

Ich schüttelte den Kopf. „Wollen wir doch mal sehen ob er noch hier ist. Schicken Sie ein Sweeperteam los, dass sich die Stadt vornehmen soll.“

Dann sah ich Broots und Sydney an, die, genau wie ich, total übernächtigt aussahen. „Und gehen Sie nach Hause. Sie sehen schrecklich aus.“ Damit verließ ich den Raum. Ich war ebenso müde und wollte nur noch nach Hause.

Miss Parkers Haus
Kurze Zeit später


Ich parkte meinen Wagen in der Einfahrt und schlurfte, schon halb schlafend zur Tür. Es war ein Wunder, dass ich heil zu Hause angekommen war. Dennoch drehten sich meine Gedanken nur um die Puppe und den Schlüssel.

Ich fragte mich was das zu bedeuten hatte. Ich hatte schon eine Vermutung, doch ich wollte nicht wirklich glauben, dass Jarod das tun würde, obwohl ich ihn nun gut genug kannte um es besser zu wissen.

Ich schloss dir Tür hinter mir, ließ meine Tasche achtlos neben mir auf den Boden fallen, hängte meinen Mantel auf und ging in die Küche. Mein Magen knurrte lautstark und ich brauchte etwas zu essen.

Doch als ich die Küche betrat sah ich etwas, was mir das Blut gefrieren ließ. Ein fertiges Essen stand dampfend auf dem Tresen hinter der Kochzeile und wartete nur darauf gegessen zu werden. Was mich am meisten irritierte, war, dass es mein Lieblingsessen war.

Niemand hatte diese Information, außer einer Person. Als ich das Haus betrat, sah ich niemanden, doch es musste jemand hier sein, da das Essen noch ganz frisch war. Ohne es anzurühren drehte ich mich wieder um und ging auf die Suche nach der Person, die in mein Haus eingedrungen war.

Nach wenigen Metern wurde ich schon fündig und fand genau die Person, die ich vermutete. „Jarod!“ Meine Stimme klang nicht sehr erfreut und mein Gesichtsausdruck bestätigte das. Er saß auf der Couch und sah gelassen zu mir. Was dachte er sich nur?

Langsam stand er auf und stellte sich direkt vor mich. Mit seinem üblichen Grinsen im Gesicht sah er mich an. Ich wusste nicht was er bezweckte, doch ich würde es herausfinden. Meine Gedanken spielten verrückt und ich wusste nicht, was ich zuerst tun sollte.

Aus einem Reflex heraus zog ich schließlich doch meine Waffe. Ich trat einen Schritt zurück und setzte ihm die Waffe direkt auf die Brust. „Eine falsche Bewegung oder ein falsches Wort und Sie sind Geschichte. Sie kennen ja die Spielregeln.“

Doch er grinste nur weiter und riss mir in der nächsten Sekunde gekonnt die Waffe aus der Hand und fuchtelte damit herum. „Das würden Sie doch eh nicht tun. Das sind doch nur leere Worte.“

Er hielt mir meine Waffe wieder entgegen. Wütend nahm ich sie, steckte sie aber nicht weg. Seine Überheblichkeit machte mich noch wahnsinnig.

Er schien ablenken zu wollen. „Haben Sie das Essen schon gesehen? Genießen Sie es.“

Ich legte meine Stirn in falten. „Warum kochen Sie für mich? Sie haben doch da nichts reingemischt, oder?“

Jarod sah mich ernsthaft bestürzt an. „Was denken Sie von mir? Ich sorge nur dafür, dass Sie mal was essen.“

Frustriert hob ich die Hände in die Luft und steckte die Waffe doch weg. Es hatte ja doch keinen Sinn. Ich seufzte. „Was sind Sie, mein Aufpasser? Es ist meine Sache ob ich etwas esse oder nicht.“

„Aber das ist nicht gut für ihr Magengeschwür.“

Dieser Anblick, den Jarod mir bot, brachte mich nun völlig auf die Palme. Er stand da mit erhobenem Zeigefinger und hatte diese tadelnde Stimme aufgelegt. Das reichte mir. „Hören Sie auf damit! Was wollen Sie überhaupt hier? Haben Sie keine Angst davor, dass ich Sie ganz schnell wieder zurück ins Centre bringen könnte?“

Jarod drehte sich um und machte es sich wieder auf meiner Couch bequem. Er deutete mit seiner Hand auf den Platz neben sich. „Wir sollten mal wieder reden. Außerdem würden Sie mich nicht dorthin zurückbringen“

Ich hob eine Braue. „Woher wollen Sie das wissen?“

„Na ja, sagen wir ich weiß es einfach. Es ist ein Gefühl“

Ich seufzte erneut. „Und über was wollen Sie sich unterhalten?“

Jarod zuckte mit den Schultern. „Wir haben uns eine ganze Weile nicht gesehen. Da gibt es doch sicher einiges zu erzählen.“

Ich wusste nicht, was er bezweckte oder ob ich dieses Gespräch überhaupt wollte, weil ich eine Ahnung hatte, wie das wieder enden würde. Ich stand wahrscheinlich ein paar Minuten da, sah Jarod an und überlegte.

Sein Blick sagte mir so viel. Er bestand offensichtlich sehr darauf mit mir zu reden. Er flehte mich mit seinen Augen förmlich an. Mit einem Brummen setzte ich mich schließlich, in einiger Entfernung, zu ihm.

Ich wusste nicht, was er erwartete, das ich sagen oder erzählen würde. Also sollte er ruhig den Anfang machen. „Dann schießen Sie mal los, Wunderknabe.“

Jarod drehte sich und schaute mir direkt in die Augen. Ein Schauer lief über meinen Rücken. Dieser Blick, diese Augen, so verletzlich und doch stark. Ich hielt seinem Blick stand und versuchte daraus zu lesen, doch es war nicht einfach.

Er sah mich einfach nur an und sagte nichts. Ich wurde langsam nervös. Was erwartete er? Ich seufzte und versuchte meine eiserne Maske abzulegen. Dunkel erinnerte ich mich an das letzte Gespräch das wir führten, kurz nachdem wir die Insel verlassen hatten. „Haben Sie Ihre Mutter schon gefunden?“, fragte ich ehrlich neugierig.

Jarods Gesichtszüge verdunkelten sich und er schüttelte langsam den Kopf. „Nein, leider nicht. Ich hatte eine Spur, aber ich kam leider wieder zu spät.“

Das zu hören machte mich traurig. Ich konnte gut nachfühlen wie es ihm ging. Langsam merkte ich, wie auch die eisernen Mauern um mich herum verschwanden. Jarod schaffte das nur durch seine bloße Anwesenheit. „Ich wünschte ich könnte Ihnen irgendwie helfen.“

Jarod sah mich wieder direkt an. Wahrscheinlich versuchte er nun in meinen Augen zu lesen, ob ich das wirklich ernst meinte. Ich lächelte schmal.

Jarod war überrascht. „Warum würden Sie mir helfen wollen?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Schuldgefühle.“ Jarod zog seine Augenbrauen verwundert zusammen. Das brachte mich zum Lachen. „Na ja, sagen wir eher: Gerechter Ausgleich. Sie haben mir schon so oft geholfen. Außerdem war es ja auch meine Schuld, dass Sie ihre Mutter damals auf Carthis verpasst haben.“

Das zu sagen, war mir schon etwas unheimlich und machte mich etwas nervös, weil ich nicht wusste, wie er darauf reagieren würde. Ich lenkte mich ab, indem ich eine bequemere Position zum Sitzen suchte. Ich machte teilweise üble Verrenkungen bis ich schließlich auch meine Beine auf der Couch platziert hatte und in einer Art Schneidersitz Jarod gegenüber saß.

Der schaute mich an, als wäre er gerade erst auf die Welt gekommen. Doch da war noch dieser Glanz in seinen Augen...Ihm schien gefallen zu haben, was er gesehen hatte. Ich grinste vor mich hin. Jarod sah mich noch eine kleine Weile an und schüttelte dann mit dem Kopf.

„Das war damals nicht Ihre Schuld. Vielleicht war es Schicksal und es sollte einfach noch nicht sein.“

Verwundert hob ich eine Braue. „Schicksal? Ach kommen Sie Jarod! Das glauben Sie doch nicht etwa, oder?“

„Warum nicht? An die Prophezeiung der Schriftrollen, wenn wir wüssten, was sie aussagen, wollen wir doch auch glauben. Das wäre am Ende nichts anderes.“

Triumphierend grinste er vor sich hin. Aber so schnell gab ich mich nicht geschlagen. „Nichts anderes? Zwischen Vorhersagung und Schicksal gibt es für mich einen gewissen Unterschied. Außerdem wissen wir nicht mal ob das was in diesen verdammten Dingern steht auch wirklich wahr ist.“

Jarod fühlte sich scheinbar dazu ermutigt eine Diskussion anzuzetteln und hatte schon die nächstem Gedanken parat. Er kam ein kleines Stück näher. „Stimmt, wir wissen nicht ob sie wahr sind. Aber daran glauben wollen Sie trotzdem. Sie haben mir immerhin damals am Telefon gesagt, wir hätten etwas über unsere Zukunft in Erfahrung bringen können.“

Ertappt zuckte ich mit den Schultern und versuchte etwas abzulenken. „Wer will nicht wissen, was einen in der Zukunft erwartet?“

Jarod lächelte geheimnisvoll. „Ich will es nicht wissen. Die Gegenwart ist doch viel interessanter.“

In diesem Moment wusste ich nicht was ich antworten sollte. Ich dachte einen zweideutigen Ton aus seiner Stimme herauszuhören, als er die letzten Worte sprach. „Interessiert Sie nicht mal der Ansatz einer Vorhersagung. Jeder will doch wissen, ob er eine rosige Zukunft vor sich hat oder nicht.“

Er überlegte kurz. „Und was ist, wenn Sie erfahren würden, dass Sie keine rosige Zukunft erwartet?“

Darauf wusste ich spontan nichts schlagfertiges als Antwort, also zuckte ich nur wieder mit den Schultern. Jarod lächelte wieder siegessicher. „Am Ende ist es doch trotzdem uns überlassen, was wir aus unserer Zukunft machen. Deshalb kann man das auch nicht genau vorhersagen. Mit jeder Entscheidung ändern wir unsere Zukunft. Wir haben es in der Hand.“

Da kam mir ein Gedanke und ich hob meine Hand um seine volle Aufmerksamkeit zu bekommen. „Ja, schon! Aber, wenn die Prophezeiung wirklich wahr ist, ist es doch egal was wir tun, es läuft zwangsläufig darauf hinaus.“

Und sofort sah ich in Jarods Gesicht verschiedene Gefühle. Er war überrascht, überlegte und erkannte scheinbar schließlich, dass ich Recht hatte. Nun war ich diejenige, die siegessicher Lächeln durfte.

Es herrschte eine Weile Stille und ein Blick zu Jarod verriet mir, dass er tief in Gedanken versunken war. Dann hob er wieder den Kopf. „Das würde dann sicher auch Ihre Frage von damals beantworten.“

Ich war irritiert. „Welche Frage?“

Jarod rückte noch ein Stück näher. „Warum die eine Person trotz allem in den schlimmsten Momenten ihres Lebens immer bei Ihnen war. Vielleicht ist das auch prophezeit worden.“

Er hatte diesen Ausdruck in den Augen, der mir schon verriet worauf er hinaus wollte. Ich wurde immer nervöser. Ich sah hinunter auf meine Hände. Das erinnerte mich zu sehr an die damalige Situation und ich hatte irgendwie das Gefühl, dass er diesen Moment wieder aufleben lassen wollte.

Doch das ging einfach nicht. Ich sah wieder hoch und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Vielleicht steht in den Schriftrollen wirklich etwas über uns. Aber woher wollen wir wissen, dass es etwas Gutes ist?“

Jarod zuckte unbekümmert mit den Schultern. „Wir können es herausfinden.“

Er kam noch ein Stück näher und saß mir nun ganz nah gegenüber. Ich versuchte nach hinten auszuweichen. „Jarod...“, begann ich. Doch mehr konnte ich nicht sagen. Er legte seinen Zeigefinger auf meine Lippen und brachte mich zum Schweigen.

Dann nahm er mein Gesicht in seine Hände. Seine Berührungen elektrisierten mich. Ich war hin und her gerissen. Ein Teil in mir schrie mich an, ich solle mich befreien und dagegen ankämpfen. Der andere Teil sagte mir, ich solle mich einfach nur fallen lassen.

Sanft berührten seine Lippen meine und für einen Moment waren all meine Gedanken wie gelöscht. Es gab kein für und kein wider. Ich ließ es einfach geschehen, ohne eine Regung. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Es war, als hätte ich keine eigene Kontrolle über meinen Körper.

Jarod erhöhte den Druck auf meine Lippen und ich begann langsam seinen Kuss zu erwidern. Es fühlte sich an, als würden Blitze durch meinen Körper jagen und ein Feuerwerk würde hochgehen. Er hielt noch immer meinen Kopf in seinen Händen und seine Daumen streichelten über meine Wangen.

Ich begann den Kuss stärker zu erwidern, als mich plötzlich ein Geistesblitz durchzuckte und meine Gedanken mit aller Macht zurückkamen. Plötzlich realisierte ich, was ich da gerade tat und es fühlte sich nicht mehr so gut an, wie vor ein paar Sekunden.

Erschrocken stieß ich seine Hände von meinem Kopf, riss mich von ihm los und sprang auf.
Jarod sah mich irritiert an und ich konnte in seinen Augen einen Schimmer des Schmerzes sehen, den ich durch mein Handeln bei ihm ausgelöst hatte. Aber ich konnte es nicht ändern.

Es war nicht gut und er wusste das. Mir war selbst als würde mein Herz zerspringen, aber mein Verstand war eben doch stärker. Eine Weile saß er einfach nur da und sah mich an. Dann stand er langsam auf und kam auf mich zu. Ich wusste nicht was ich tun sollte und trat ein paar Schritte zurück.

Gleichzeitig streckte ich meinen Arm aus um ihn auf Abstand zu halten. Ich wollte nicht, dass er mir wieder zu nah kam, da das automatisch wieder einen Streit zwischen meinem Verstand und meinen Gefühlen ausgelöst hätte. Der Schmerz drängte sich mehr in Jarods Augen.

„Parker, was ist los?“

Ich schüttelte mit dem Kopf und versuchte wieder etwas Klarheit in meine Gedanken zu bekommen. „Jarod das geht nicht. Das ist falsch.“

Scheinbar verstand er es nicht. „Was ist falsch? Gefühle zu zeigen? Du hast doch nur Angst.“

Meine Augen weiteten sich und ich trat noch einen Schritt zurück. Was dachte er sich eigentlich? Wie konnte er nur so mit mir reden? Verzweiflung kam in mir auf weil ich nicht wusste was ich sagen oder wie ich reagieren sollte.

Wild gestikulierend fing ich an lauter zu schreien als gewollt. „Von wegen Angst. Das ist Vorsicht, Jarod. Ich will nicht tot im Fahrstuhl enden wie meine Mutter.“

Ich hatte das Gefühl ich klang zu hysterisch. Jarod verstand es noch immer nicht. „Woher willst du wissen, dass es zwangsläufig so endet?“

„Ach komm, du kennst das Centre und du weißt wozu die fähig sind. Da machen die auch vor mir nicht halt.“

Jarod kam noch einen Schritt näher. „Ich kann dir doch helfen. Zusammen kommen wir doch gegen die an.“

Ich wich wieder nach hinten aus und schüttelte energisch mit dem Kopf. „Nein, ich will das nicht, Jarod. Ich kann nicht den gleichen hoffnungsvollen Optimismus aufbringen wie du. Dafür ist in meinem Leben zu viel passiert.“

„Das ist doch nur eine Ausrede!“, sagte Jarod böse, „Du willst nur für deine Taten keine Verantwortung übernehmen müssen. Du tust doch am Ende immer das was die sagen. Ich dachte du hättest dich geändert.“

Das reichte mir. Ich konnte mir viel anhören, aber beleidigen lassen wollte ich mich nicht. Ich schnellte nach vorn und schlug Jarod mit meiner rechten Faust ins Gesicht. Er fiel überrascht und erschrocken nach hinten um und fing sich an der Couch auf. Damit hatte er nicht gerechnet.

Mit großen Augen sah er mich an. Scheinbar bereute er jetzt was er gesagt hatte. „Parker, ich...“

Ich war wütend und würde mich nicht so schnell besänftigen lassen. Drohend zeigte ich nur zur Tür. Doch er rührte sich nicht. Er wollte wieder auf mich zukommen. Ich trat noch einen Schritt zurück. „Raus aus meinem Haus.“, schrie ich und konnte nicht verhindern, dass mir Tränen die Wangen hinunter liefen.

Ich wollte diese Situation auch nicht, aber nun konnte ich es nicht mehr ändern. Wie ein geprügelter Hund ging Jarod traurig aus dem Haus. Ich fuhr mit meinen Händen über mein Gesicht, ging ein paar Schritte vorwärts und ließ mich lustlos auf die Couch sinken.

Die letzten Minuten schossen mir wieder und wieder durch den Kopf und lösten eine Welle von Emotionen aus, die über mich hereinbrach. Ich wusste, dass er Recht hatte, wollte und konnte es aber nicht zugeben. Eingestehen musste ich es mir dennoch.

Verzweifelt zog ich meine Beine auf die Couch, an meinen Körper heran und vergrub meinen Kopf. Ich begann haltlos zu weinen. Was hatte ich nur getan? Ich hatte Jarod zu unrecht schlecht behandelt und eine Freundschaft vielleicht für immer zerstört.

The Centre
Blue Cove, DE
Am nächsten Morgen


Mit heftigen Kopfschmerzen schlich ich durch die Gänge des Centres, nicht wissend wo ich hingehen sollte. Zu Hause wollte ich auch nicht bleiben. Da hätte ich Angst, mir würde vor Langeweile die Decke auf den Kopf fallen. Außerdem erinnerte mich dort alles an meinen Streit mit Jarod.

Ich seufzte. Nie hätte ich gedacht, dass mich ein Streit mit ihm so mitnehmen würde. Wir hatten uns schon oft gestritten, aber gestern war es irgendwie anders, schlimmer. An die Dinge, die danach noch passierten erinnerte ich mich kaum.

Ich wusste noch, dass ich lange auf der Couch gesessen haben musste. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass durch den Streit auch viele andere Emotionen wieder in mir aufkamen. Ich erinnerte mich kaum, wann ich das letzte mal so weinte. Es war mir unangenehm daran zu denken.

Warum gerade ich so sensibel reagieren musste! Ich wollte schon den Kopf schütteln, aber jede schnelle Bewegung erinnerte mich noch stärker an meine Kopfschmerzen, denn ich hatte, nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, etwas viel getrunken. Vielleicht erinnerte ich mich dadurch nicht mehr. Es war aber vielleicht auch besser so.

Ich hatte keine Lust alleine in meinem Büro herumzusitzen, weil ich dadurch auch nicht vom Nachdenken abgehalten wurde, also ging ich ins SimLab um zu sehen, was Sydney gerade machte. Ich kam von oben herein und sah über das Geländer hinweg nach unten, wo er sich gerade von einem seiner Projekte verabschiedete.

Seine Studie darüber schien also beendet zu sein. Langsam ging ich nach unten. Sydney war schon wieder in seinem Büro, also klopfte ich an und trat schmal lächelnd ein. Sydney sah auf und lächelte auch. „Guten Morgen, Miss Parker. Was verschafft mir die Ehre?“, fragte er charmant.

Ich zuckte mit den Schultern. Im Grunde wusste ich es auch nicht. Ich wollte einfach nicht allein sein. Als ich näher kam und mich ihm gegenüber setzte verschwand sein Lächeln und er studierte mich leicht besorgt.

Als ich heute Morgen in den Spiegel sah, was ich hätte vermeiden sollen, waren meine Augen gerötet und ich war blass, als wäre ich tot. Na ja, ich fühlte mich auch fast so. Ich wusste, dass Sydney das merkte und Fragen stellen würde, also fing ich an zu reden, obwohl ich es eigentlich nicht wollte.

Aber ein kleiner Teil in mir schrie, es raus zu lassen. „Ich hatte gestern einen furchtbaren Streit mit Jarod.“ Ich beobachtete Sydneys Reaktion.

Er hob verwundert seine Augenbrauen. „Sie haben mit Jarod gesprochen? Also haben Sie herausgefunden wo er war, oder hat er sich gemeldet?“
Ich lehnte mich zurück. „Beides. Durch das Paket, was er mir geschickt hat, hat er mir mitgeteilt wo er war und gestern saß er in meinem Wohnzimmer, als ich nach Hause kam.“

Sydney grinste etwas bei dem Gedanken. „Jarod ist wagemutig.“

Ich wusste, was er damit sagen wollte und warf ihm einen bösen Blick zu.
Sydney grinste jedoch weiter. „Warum war er nach all der Zeit plötzlich bei Ihnen?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Er sagte, er wollte mal wieder mit mir reden, aber ich habe das Gefühl, da hat mehr dahinter gesteckt.“

Sydney zog verwundert seine Brauen zusammen. „Wie meinen Sie das?“ Sein Interesse war mehr als geweckt.

„Er hat seltsame Andeutungen gemacht, auf etwas, was damals auf der Insel passiert ist. Es schien so, als wollte er krampfhaft versuchen diesen Moment wieder aufleben zu lassen.“

Sydney nickte bedächtig, sah mich dann eindringlich an. „Was war damals passiert?“

Ich hob die Hände auf Brusthöhe. „Sie würden es mir doch nicht glauben.“

Sydney lächelte schmal. Er konnte sich wohl gut vorstellen, was ich meinte. Er wusste von nichts was damals geschah und doch machte er immer den Eindruck, als wäre er dabei gewesen. Ich seufzte etwas, weil Sydney ja doch nachfragen würde.

„Ein schlimmer Sturm zog auf, als wir auf der Insel herumliefen. Wir haben uns bei dieser alten Frau, Ocee...“ Ich machte eine kurze Pause, als ich an sie dachte. Ocee war ein Engel, sie hat uns sehr geholfen., „ausgeruht und als wir da allein vor dem Kamin saßen... entstand so eine seltsame Vertrautheit.“

Ich sah Sydney an. „Das klingt total bescheuert, oder?“

Sydney lachte. „Aber nein, das tut es nicht. Sie beide waren früher Freunde. Warum soll diese Freundschaft nicht auch heute noch existieren?“

Nun war ich an der reihe eine Braue zu heben. „Nach all dem, was in den letzten Jahren passierte? Das kann keine Freundschaft aushalten.“

Sydney lächelte väterlich. „Ich denke doch. Jarod hat ihre Freundschaft nie aufgegeben. Darum behielt er ja auch immer Kontakt zu Ihnen. Und in Momenten, ohne jegliche Störung, wie das Centre, kann die alte Vertrautheit wieder aufleben.“

Ich sah ihn einfach nur an. Manchmal könnte ich ihn schon allein dafür umbringen, dass er ständig Recht hatte. „Vielleicht.“, gab ich nach einer Weile geschlagen zu. „Aber es war auch irgendwie anders als früher.“

Sydney nickte etwas. „Sie beide sind ja auch Erwachsen. Da ändert sich viel.“

Ich seufzte. „Ja, das macht alles nur komplizierter.“ Ich faltete meine Hände. „Wir haben uns damals einfach nur unterhalten. Aber dann war da dieser Moment.“

Sydney beugte sich etwas nach vorn. Es schien, als sterbe er bald vor Neugier. „Was für ein Moment?“

„Es war von einer Sekunde zur Nächsten anders. Wir kamen uns immer näher...bis...Ocee ins Zimmer kam.“

Sydney legte die Stirn in Falten. „Die alte Frau?“

Ich nickte. „Ja. Sie war blind. Sie hat nicht gesehen, was wir taten und als ich realisierte was da beinah passiert wäre...war es mir mehr als unangenehm.“

Sydney nickte bedächtig vor sich hin. „Wenn der Verstand die Oberhand hat kommt einem alles anders vor, als wenn man sein Herz sprechen lässt.“

Ich sah ihn an. War er verrückt geworden? „Nun werden Sie mal nicht philosophisch!“ Ich dachte nach. „Aber irgendwie war es schon so. Ich habe für einen Moment mal nicht nachgedacht.“

Sydney beugte sich noch etwas vor. „Und wie hat es sich in diesem Moment, als sie nicht nachdachten, angefühlt?“

Ich sah Sydney direkt in die Augen und dachte auch jetzt nicht nach, als ich antwortete. Ich ließ mein Herz sprechen. „Es war ein schönes Gefühl.“, sagte ich ohne Umschweife.

Sydney lehnte sich leicht triumphierend wieder zurück.
Ich schüttelte leicht mit dem Kopf. „Und doch hat es alles komplizierter gemacht.“

Sydney verschränkte überlegend die Arme. „Das Leben ist nun mal kompliziert. Herzensangelegenheiten können uns schon mal aus der Fassung bringen. Wir müssen versuchen die Kontrolle über diese Situationen zu behalten.“

„Und wie? Wie soll man das schaffen, wenn das alles so plötzlich auf einen einstürmt?“ Ich seufzte. „Es war so seltsam als er gestern so plötzlich in meinem Haus war. Die Situation war von der ersten Sekunde an wieder so wie damals.“

Sydney lehnte sich wieder etwas vor. „Und was haben Sie getan?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Das Gleiche wie immer. Ich hab ihn zuerst mit meiner Waffe bedroht. Dann hab ich es aufgegeben, weil es doch keinen Sinn hatte. Und später saßen wir uns auf meiner Couch gegenüber, haben uns unterhalten und...“

Ich stoppte plötzlich, als mir bewusst wurde, was ich gerade erzählen wollte. Aber im Grunde war es schon zu spät. Sydney zog fragend die Augenbrauen hoch. „Und?“

Ich knetete meine Hände und rutschte auf dem Stuhl etwas nach unten. „Und wir haben uns geküsst.“, sagte ich etwas kleinlaut.

Sydney in diesem Moment zu beobachten war interessant. Man konnte die verschiedensten Emotionen sehen. Aber am meisten war die Überraschung zu vermerken. Seine Augen weiteten sich und sein Mund öffnete sich, obwohl er nichts sagte.

Dann zog er seine Brauen zusammen. „Jarod hat also die Initiative ergriffen und sie haben sich nicht gewehrt?“

Ich schüttelte den Kopf. „Zumindest am Anfang nicht. Aber als ich dann über die Situation nachdachte...kam es mir falsch vor.“

Sydney lächelte schmal. „Wo wir wieder beim Thema wären.“

Ich nickte. „Es ist doch immer das Gleiche.“

Sydney wurde wieder neugierig. „Was haben Sie dann gemacht?“

„Ich habe ihn weggestoßen, bin auf Abstand gegangen...und dann hab ich ihn rausgeworfen.“

Sydney nickte vor sich hin. „Das war dann wohl der Streitpunkt.“

Ich nickte. „Ja. Er wollte es nicht verstehen.“ Ich wurde wieder traurig als ich an diese Situation dachte. „Ich glaube, jetzt ist es doch vorbei mit der Freundschaft.“

Sydney sah sie überlegend an. „Woher wollen Sie das wissen? Jarod war nie nachtragend. Am Ende hat er Sie immer verstanden.“
Ich nickte vor mich hin. Irgendwie hoffte ich, dass er Recht hatte.

Nach ein paar Sekunden der Stille kam mir wieder in den Sinn, dass ich auch noch arbeiten musste. Ruckartig stand ich auf. „Ich muss wieder in mein Büro.“ An der Tür drehte ich mich noch mal um und lächelte Sydney dankbar an. „Danke fürs Zuhören.“ Damit verschwand ich. Einerseits war es seltsam mit Syd zu reden, weil ich so was nie vorher getan hatte. Aber andererseits war es gut und befreiend.

Sydney sah ihr noch eine Weile nach und dachte über das nach, was sie ihm gerade alles erzählt hatte. Es schien sie sehr mitzunehmen. Es wunderte ihn schon sehr. Die Situation zwischen Jarod und Miss Parker schien sich ständig zu ändern, seit sie und Jarod auf der Insel waren. Er wusste nicht recht, wie er das deuten sollte. Einerseits war es gut, weil sie sich näher gekommen waren, andererseits traten die beiden immer noch auf der Stelle, durch den Streit am vorigen Tag.

Miss Parkers Haus
Blue Cove, DE
3 Tage später


Es war bereits spät in der Nacht, als ich durch die Tür meines Hauses trat. Ich war müde. Den ganzen Tag wurde ich von allen beschäftigt. Einerseits war es eine gute Ablenkung, andererseits zerrte es an meinen Kräften. Keiner im Centre war mehr in der Lage etwas allein zu tun.

Zudem hingen mir auch Lyles und Raines im Nacken um mich wegen Jarods Verfolgung auszufragen bzw. aufzuziehen. Lyle war es doch ganz recht, wenn ich nicht voran kam und er eine Möglichkeit bekam sein Können unter Beweis zu stellen, wenn er denn das Können besitzt.

Er war schon immer groß darin, sich gewisse Dinge einzureden. Und Raines... Er tat immer so, als würde er uns gleich behandeln, aber tief im Inneren überkam mich des Öfteren das Gefühl, er mochte Lyle von Anfang an lieber als mich – nicht, dass es mich stören würde.

Ich brauchte niemanden, der mir in den Hintern kroch und schon gar niemanden, der mich beschattete. Am Ende war es mir persönlich egal ob es mit Jarods Jagd Fortschritte gab. Ich versuchte immer mehr Abstand davon zu bekommen. Ich wollte das alles eigentlich nicht mehr.

Aber das konnte ich wohl kaum jemandem auf die Nase binden. Die warteten doch nur darauf, dass sie mir einen Fehler nachweisen können, was denen – so schwor ich es mir vor langer Zeit schon – nie gelingen würde, sofern es überhaupt Fehler gab, die man nachweisen konnte. Jeder definierte diesen Begriff immerhin anders.

Ich ließ meine Tasche neben der Tür fallen, hängte meine Jacke auf und ging ins Wohnzimmer, an meiner Hausbar vorbei. Seltsamerweise hatte ich gar kein Verlangen nach einem Drink. Ich wollte mir nur hinsetzen und abschalten. Genießerisch schloss ich die Augen und ließ meine Gedanken aus dem Sinn....einfach nur ausruhen.

Ich erschrak, als das plötzliche Klingeln des Telefons mich brutal aus meinen Gedanken riss. Ein paar Sekunden starrte ich es an. Ich wusste instinktiv wer an der anderen Leitung war und war mir nicht sicher, ob ich dieses Gespräch führen wollte. Andererseits wusste ich, dass er mir ohnehin so lange auf die Nerven gehen würde, bis ich mit ihm redete.

Nach einer kurzen Weile des Zögerns nahm ich also schließlich den Hörer ab und murmelte mit leicht schläfriger Stimme mein gewohntes „Was?“. Am anderen Ende war es kurz ruhig. Scheinbar überlegte er, was er sagen sollte. Dann wagte er einen Ansatz.

„Sie hören sich seltsam an. Geht es Ihnen gut?“, fragte Jarod in einer Stimme, die ausdrückte, dass er sich Sorgen machte, aber es klang auch ein Hauch von Ignoranz heraus, als würde es ihn eigentlich nicht interessieren und als hätte er nur gefragt, weil er ein höflicher Mensch war.

Ich seufzte. „Ich bin müde, also kommen Sie zum Punkt.“ Ich konnte Jarod tief atmen hören. Zum ersten Mal, seit ich im quer durch Amerika verfolgte, schien es mir, als wäre er sich unsicher.

Er begann. „Ich habe lange überlegt, wegen dem Abend vor ein paar Tagen....“ Er unterbrach sich selbst. Vielleicht war es jetzt an mir ihn ausnahmsweise etwas von seinen Sorgen zu erlösen. „Sie müssen sich für nichts entschuldigen. Ich habe überreagiert.“

Jarod wurde energischer. „Nein, geben Sie sich nicht selbst die Schuld. Ich hätte es trotzdem lassen müssen. Ich wusste doch eigentlich, dass Sie das nicht wollten.“ Er klang etwas geknickt. Das brachte mich zum Lachen.

Es musste sich verrückt anhören. Jarod und ich stritten uns, wer Schuld hatte. „Wir sind wirklich 2 Problemfälle.“ Ich versuchte wieder ernster zu werden. „Sie haben verletzt gewirkt, als sie.... gegangen sind.“

Meine Stimme wurde leiser. Es fiel mir schwer meine Gefühle zum Ausdruck zu bringen, weil ich immer erwartete, dass etwas schlechtes passierte. Jarod dagegen besann sich wieder. „Das war halb so wild. Sydney hat mir geholfen, die ganze Sache besser zu verstehen.“

Ich verzog etwas belustigt das Gesicht. „Sie haben auch mit Sydney gesprochen?“

„Ja, er rief mich vorgestern an.“

Ohne, dass er es natürlich sehen konnte, schüttelte ich den Kopf. „Vor 3 Tagen habe ich mit ihm gesprochen. Es scheint so, als würde unser Freund wollen, dass wir uns wieder vertragen.“

Das brachte auch Jarod zum Lachen. „Ja, es scheint so.“ Es entstand eine scheinbar sehr lang anhaltende Stille. Jarod räusperte sich. „Meinen Sie, wir könnten Sydney seinen Wunsch erfüllen und uns wieder vertragen?“

Ich lächelte. Es kam mir vor, als wären wir wieder Teenager. „Warum nicht. Es wird auf die Dauer doch langweilig, wenn mich keiner nervt und mitten in der Nacht aus dem Bett klingelt.“ Es entstand wieder eine Pause, die dieses Mal angenehm war.

Stillschweigend tauschten wir die Gedanken aus, die wir sonst nie aussprechen würden. Wir wussten, was der andere gerade dachte und wir waren uns einig. Irgendwie kamen wir einfach nicht voneinander los.

Doch, so verrückt es auch war, gerade das gab mir eine gewisse Sicherheit und den Halt, den ich brauchte um meine Aufgaben und den Alltag zu meistern.
Ich gähnte und rieb mir über die Augen. „Ich weiß nicht, was Sie jetzt tun, aber ich hätte schon Lust auf etwas Schlaf.“

„Schlaf klingt gut.“

Ich lächelte. „Gute Nacht, Jarod.“

Miss Parkers Haus
Blue Cove, DE
1 Monat später


Ich drehte mich immer wieder von einer Seite auf die andere. Schon seit Tagen konnte ich nicht richtig schlafen und dazu kamen auch noch diese Geräusche, die ich plötzlich ständig hörte. Irgendwie überkam mich zurzeit das Gefühl ich würde verrückt werden.

Nach minutenlangem Kampf mit mir selbst, beschloss ich, doch aufzustehen. Vor allem, weil mich gerade wieder dieses Gefühl überkam. Mein Magen machte mir schon seit Tagen wieder mal Probleme, so, dass ich sogar manchmal auf Arbeit ausfallen musste.

Ich trank weiterhin das Mittel gegen mein Magengeschwür, was mir vom Arzt verschrieben wurde, aber es wollte nicht so recht helfen. Ruckartig stand ich auf und merkte, wie sich dieses Gefühl urplötzlich verstärkte und mir übel wurde. Schnell rannte ich ins Bad, das Gott sei Dank nicht weit entfernt war und übergab mich.

Ich stand schließlich wieder auf und betrachtete mich im Spiegel, nachdem ich mir das Gesicht gewaschen hatte. Ich war blass und hatte leichte Augenringe. Ich seufzte und fuhr mir frustriert mit einer Hand durch die Haare. Ich hoffte, meine Magen würde sich irgendwann wieder beruhigen.

Ich wollte gerade wieder in mein Schlafzimmer gehen, als ich wieder dieses seltsame Geräusch hörte. Sofort blieb ich stehen und versuchte zu hören was es war oder wo es herkam. Da war plötzlich auch noch ein Zischen und ich hatte das Gefühl eine Stimme zu hören.

Mit einer Ahnung was es sein könnte, schloss ich die Augen und konzentrierte mich. Die Stimme wurde nach und nach deutlicher und ich erkannte sie. Es war die Stimme meiner Mutter. „Mom“, murmelte ich überrascht. Ich konnte sie tatsächlich hören.

Sie sagte immer wieder. „Denk an deine Gesundheit. Sei nicht nachlässig.“ Ich öffnete irritiert die Augen und wurde lauter. „Was meinst du damit?“
„Es ist nicht dein Magen, der dir Probleme bereitet.“

Ich war verwirrt. Was sollte das heißen? Warum sagte sie mir das? Warum hörte ich sie so plötzlich? Kopfschüttelnd ging ich zurück ins Schlafzimmer um mich für die Arbeit anzuziehen. Es ging mir noch nicht richtig gut, aber ich hoffte, dass es durch die Arbeit vergessen wäre und sich von allein geben würde.

Ich lief herum, suchte meine Sachen zusammen und mein Blick fiel zufällig auf meinen Kalender, der an der Wand hing. Erst jetzt wurde mir klar welches Datum wir gerade hatten. Ich stand da und starrte eine Ewigkeit – zumindest kam es mir so vor – auf den Kalender und überlegte.

Plötzlich kam mir ein Gedanke und mein Herz schlug höher. Ich hatte eine Vorahnung. Ich rannte ins Wohnzimmer, nahm meine Tasche und suchte darin herum bis ich meinen Terminplaner fand. Darin herumstöbernd suchte ich nach der Antwort auf die Frage, die mir im Kopf herumschwirrte.

Ich blätterte das heutige Datum auf, sah die Notizen, die ich mir gemacht hatte und musste erkennen, dass es leider doch wahr war. Ich war eine ganze Woche überfällig.

Das war mir bisher in meinem ganzen Leben noch nicht passiert und so langsam ergaben auch die Sätze meiner Mutter einen Sinn. Ungläubig setze ich mich auf die Couch, die ganz in meiner Nähe stand und atmete tief durch. Das konnte einfach nicht wahr sein.

Fortsetzung folgt

So, ich hoffe es hat euch bisher gefallen. Diese Geschichte zu schreiben ist nicht einfach. Deshalb müsst ihr fleißig Feedback schreiben, wenn ihr mehr lesen wollt.
Anmerkung: Aus technischen Gründen (mein Pc ist kaputt) ist der zweite Teil dieser Geschichte zusammen mit einigen anderen Daten verloren gegangen, leider. Das heißt, eine Fortsetzung dauert jetzt noch etwas länger. Ich hoffe ihr habt Verständnis dafür :) Aber ich habe schon wieder eine Idee. *g*
Teil 2 by MissCatherine
E-Mail: misscatherineparker@yahoo.de
Disclaimer: siehe 1. Teil
Notiz: Es ist nicht viel, aber ihr musstest so lange warten, da habe ich es trotzdem schon mal gepostet. Der 3. Teil ist dann auch bald da. Ehrlich. ;)


Teil 2

Miss Parkers Haus
Blue Cove, DE
Am Nachmittag


Wie schnell doch so ein Tag vergehen konnte. Gerade war ich aufgestanden, war es schon wieder Nachmittag.
Kurz nachdem ich die schockierende Entdeckung gemacht hatte, hatte ich mich doch im Centre krank gemeldet.

Sydney fragte mich besorgt durchs Telefon ob denn alles ok wäre und ich sagte, ich hätte starke Kopfschmerzen. Gut, es war gelogen, aber die Wahrheit konnte ich ihm auch nicht sagen. Noch nicht, zumindest. Früher oder später würde er es ja doch herausfinden.

Erst saß ich eine ganze Zeit lang einfach nur da und dachte nach, über das, was gerade geschehen war, die Konsequenzen und all das. Es war furchtbar. Eine Nacht konnte doch wirklich alles verändern.

Ich dachte auch darüber nach, wie das eigentlich passieren konnte und kam auf keinen richtigen Schluss. Ich hatte mich die letzten Wochen so in die Arbeit gestürzt, dass ich alles darüber hinaus vergaß, sogar diese verhängnisvolle Nacht.

Irgendwann kam ich dann zu dem Ergebnis, dass ich noch so lange herumsitzen und nachdenken konnte, aber an meiner gegenwärtigen Situation würde das nichts ändern. Es war außerdem nur eine Vermutung. Ich brauchte zweifellos Klarheit.

Also beschloss ich kurzerhand in den nächsten Supermarkt zu gehen, der eine Drogerieabteilung besaß. Wohl war mir dabei nicht gewesen, aber es musste sein. Ich suchte nicht lange und nahm einen Schwangerschaftstest aus dem Regal, der viel versprechend aussah.

Die Dame an der Kasse musterte mich eindringlich, während sie mir das Geld dafür abnahm und mich überkam in diesem Moment sehr der Drang ihr den Kopf ab zu schlagen. Aber ich versuchte mich zu beherrschen. Das führte eh zu nichts.

Wieder zu Hause lief ich stundenlang im Wohnzimmer herum, den Test samt Verpackung in der Hand und überlegte was nun zu tun war bzw. versuchte mich dazu zu bringen ins Badezimmer zu gehen und den Test zu benutzen.

Doch mit jeder Sekunde bekam ich mehr Angst. Einerseits wollte ich es wissen um mir Klarheit zu verschaffen, andererseits war es genau diese Klarheit, die mir das Herz höher schlagen ließ. Was sollte ich nur tun?

Das war ohnehin ein folgenschwerer Tag und das Ergebnis würde dem Ganzen noch die Krone aufsetzen.
Nach langem Hin und Her begab ich mich doch ins Bad, setzte mich auf den Wannenrand und studierte die Gebrauchsanweisung.

Es war ja eigentlich ganz einfach und zudem noch idiotensicher erklärt, aber ich las den beiliegenden Zettel dennoch mehrmals durch um ganz sicher zu gehen. Ich war viel zu nervös und durcheinander. Ich konnte nicht mal mehr klar denken.

Hier saß ich nun, auf dem Boden meines Badezimmers, an den Rand der Badewanne gelehnt und starrte auf die Uhr an der gegenüberliegenden Wand. Kam es mir nur so vor, oder bewegte sich der Sekundenzeiger so langsam, als wäre es der Minutenzeiger?

3 Minuten sollte man warten, stand auf der Packung. Das waren dann wohl auch die 3 längsten Minuten meines Lebens und zum ersten Mal konnte ich andere Frauen verstehen. Hier und da hörte man immer wieder, wie sie sich über so etwas unterhielten und sagten, der Moment, in dem man warten müsste, wäre der Schlimmste. Sie hatten Recht.

Meine Gedanken schweiften auch schon weiter. Was wenn er positiv war? Ich müsste es dem Vater erzählen, wenn ich mich erinnerte wer das eigentlich war. Ich müsste es dem Centre erzählen, Raines und würde dadurch höchst wahrscheinlich nicht nur mich, sondern vor allem das Kind in Gefahr bringen. Vor dem Centre wäre es wohl nicht sicher.

Die größte Frage jedoch war: Sollte jemand wie ich überhaupt Kinder bekommen? Ich hatte einen ungewöhnlichen und zugegebenermaßen unheimlichen Job, kein sicheres Umfeld, keine Familie, so gut wie keine Freunde. Was könnte ich dem Kind schon bieten, außer meiner Grausamkeit und dieser gewaltverherrlichenden Welt?

Als ich noch jünger war hatte ich doch manchmal daran gedacht wie es eigentlich wäre ein Kind zu haben und es kam auch mal der Wunsch in mir auf, jedoch kam mein Beruf immer wieder dazwischen, fast so, als sollte es einfach nicht sein. Ein Mann fehlte mir auch dazu.

Thomas war damals seit langem der erste richtige Freund, den ich hatte, die erste richtig ernsthafte Liebesbeziehung bei der ich mir durchaus vorstellen konnte auch schwanger zu werden. Doch mit Thomas wurde mir auch der Gedanke genommen und verschwand seitdem tatsächlich völlig aus meinem Kopf ... bis heute.

Der Gedanke ein Kind aufzuziehen machte mir jetzt schon Angst. Dabei gab es aber auch andere Möglichkeiten. Selbst wenn ich schwanger wäre, müsste ich das Kind nicht unbedingt behalten. Abtreibungen wären auch möglich.

Aber könnte ich das? Ich hatte kaum Skrupel Verbrecher und Betrüger umzubringen oder mit einer lebensbedrohenden Waffe herum zu fuchteln. Bei einem unschuldigen Baby sah das anders aus. Könnte ich es töten? Wahrscheinlich nicht. Das wäre selbst für mich zu grausam.

Also würde mir nur die eine Möglichkeit bleiben ... Das Klingeln meiner Uhr, die ich für 3 Minuten gestellt hatte, holte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Noch eine Weile saß ich da und tat einfach nichts.

Es wurde von Sekunde zu Sekunde schlimmer und irgendwann würde ich das Ergebnis ja doch sehen. Also nahm ich nochmals die Verpackung und las. Rot bedeutete schwanger, blau bedeutete nicht schwanger.

Was aber, wenn das Kästchen ein Zwischending von rot und blau war? Ich schüttelte den Kopf. Ich sollte aufhören zu denken und erstmal nachsehen. Danach würde ich mir ohnehin den Kopf zerbrechen.

Schwermütig stand ich auf, ging auf das Waschbecken zu, auf dem der Test lag und schloss kurz meine Augen. Mein Herz raste. Ich atmete tief durch um es etwas zu beruhigen, was aber doch nichts brachte. Ich erfühlte den Test und nahm ihn in die Hand.

Nach einem letzten tiefen Atemzug öffnete ich schwungvoll die Augen – nachdem ich lange brauchte um den Mut dafür aufzubringen – und sah das Testergebnis. Es war als würde mein Herz stehen bleiben. Ich hatte damit gerechnet, aber andererseits auch wieder nicht.

Es gab eindeutig zu viele Möglichkeiten und doch waren sie beschränkt auf die 2 Simpelsten: ja und nein, Schwanger oder nicht. Meine Beine wurden plötzlich wie Pudding. Ich taumelte ein paar Schritte zurück, hielt mich am Wannenrand fest und ließ mich wieder nieder auf den Platz, auf dem ich gerade noch gesessen hatte.

Noch immer hielt ich den Test in der Hand. Vorhin machte ich mir noch so viele Gedanken und plötzlich war mein Kopf leer. Ich brauchte wohl erst einmal eine Weile um das zu realisieren und zu verkraften. Es war aber dennoch so irreal.

Zum tausendsten Mal sah ich auf die Farbe und es änderte sich doch nichts. Es war tiefstes Rot zu sehen. Das war ja zu befürchten. Ich wusste einfach nicht, wie es im Moment weitergehen sollte.
Sich etwas auszumalen wenn noch nichts feststeht war einfacher. Jetzt war es amtlich und ich wusste, dass ich mir Gedanken machen musste, am besten so schnell wie möglich ...
Teil 3 by MissCatherine
Author's Notes:
Sorry, dass es so lange gedauert hat mit der Fortsetzung. Ich hoffe sie gefällt euch. Sie ist allerdings nicht Beta gelesen, weil ich im Moment keinen Betaleser habe. Sonst hat das Katty immer gemacht. Wer also Lust hat das zu übernehmen, kann sich per Mail bei mir melden.

Teil 3

 

Praxis Dr. Lawrence

Dover, DE

2 Wochen später

 

Es war ein mulmiges Gefühl hier zu sitzen und zu warten. Die halbe Nacht hatte ich vor 2 Wochen wach gelegen und weiter nachgedacht, wie fast jede Nacht seitdem. Das Telefon hatte damals noch einige Male geklingelt, aber ich war zu benommen um die Gespräche anzunehmen. Sicher war es nur Sydney, der wissen wollte, wie es mir ging.

Seitdem ging das Leben einfach weiter und ich versuchte etwas zur Normalität zurück zu kehren, auch wenn es nicht immer leicht war.

 

Jetzt saß ich hier und schaute mich im Wartezimmer um. Ich sah die vielen anderen Frauen, einige schwanger, andere nicht. Vielleicht erging es den anderen Frauen wie mir und sie wollten wissen wie es nun weitergehen sollte. Oder sie waren nur wegen einer Routineuntersuchung da.

 

Die Schwangeren waren fast alle in Begleitung ihrer Männer da. Sie wirkten glücklich, lächelten viel und redeten leise mit ihren Männern, während sie fürsorglich über ihren Bauch strichen. Es war ein seltsamer Anblick.

 

Es schien, als führten sie ein ganz normales Leben, ohne viele Sorgen und erfreuten sich an den vielen schönen Seiten des Lebens. Warum ging es mir nicht so? Fast alles empfand ich als Last, sogar dieses Ereignis. War ich nicht in der Lage glücklich zu sein oder war es mir vielleicht sogar untersagt? Oder hing es mit meinem unnormalen Leben zusammen?

 

Als normal konnte man mein Leben ja nun wirklich nicht bezeichnen, nach allem was passiert war. Aber es hieß doch auch, man könne immer einen Weg finden ein glückliches Leben zu führen und selbst nach der längsten Pechphase würde eine Glücksphase kommen.

 

Vielleicht blockierte ich es selbst, weil ich mir ein anderes Leben gar nicht vorstellen konnte. So sehr ich es mir immer wünschte, so unheimlich erschien es mir auch. Ich erwartete immer automatisch, das Centre würde schon einen Weg finden mein Glück zu zerstören.

 

Wie sollte es also werden, wenn ich mich wirklich auf die ganze Situation einließ? Ein Kind könnte selbst mir das geben, was es anderen Frauen auch gab, ich könnte ein schöneres Leben führen. Aber was wäre dann, wenn das Centre eingreifen würde? Daran wollte ich gar nicht denken.

 

Die halbe Nacht hatte mich dieser Gedanke schon wach gehalten und nach meinem Termin hier, würde das wohl auch noch ein paar Tage so weiter gehen. Es gab in so einer Situation leider immer 2 Seiten, eine Gute und eine Schlechte.

 

Die gute Seite war, dass mir ein Kind das Gefühl geben würde ein ganz normaler Mensch mit einem ganz normalen Leben zu sein, aber die schlechte Seite war die Angst. Ich würde immer in der Angst leben, das Centre würde mir oder dem Kind etwas antun und diese Seite überwiegte in meinen Überlegungen immer wieder.

 

In diesem Moment ertönte die Stimme der Sprechstundenhilfe, die mich aufrief. Nun war es soweit, ich war der Wahrheit wieder einen Schritt näher gerückt. Ich zögerte noch für eine Sekunde, stand dann aber auf – meine Beine fühlten sich an, als wären sie aus Beton – und begab mich in das Sprechzimmer der Ärztin.

 

Sie stand von ihrem Stuhl auf und streckte mir lächelnd ihre Hand entgegen. Ich schüttelte diese, brachte dabei aber nur ein recht gequält aussehendes Lächeln zustande. Mir wurde mit jedem Moment unwohler.

 

Dr. Lawrence hatte bereits die sehr dünne Akte mit meinem Namen auf dem Schreibtisch und schaute beiläufig herein. Sie war seit Jahren meine Ärztin, aber wie ich nun einmal war, mochte ich Ärzte nicht besonders und suchte sie dementsprechend wenig auf.

 

„Nun, Miss Parker, es ist schön Sie wieder zu sehen. Ich hatte lange nicht mehr das Vergnügen.“ Aus ihrer Stimme konnte ich einen anklagenden Ton heraushören. Wer konnte es ihr verübeln? Ich war seit Jahren nicht mehr zu einer Untersuchung gekommen.

 

Die in die Jahre gekommene Ärztin, mit den blondierten kurzen Haaren, hob ihren Blick von der Akte zu meinem Gesicht und schaute mir mit ihren hellbraunen Augen direkt in meine. Ihre etwas knittrigen Lippen waren zu einem Lächeln geformt und ihre Hände mit den dünnen Fingern hatte sie auf dem Schreibtisch ineinander gelegt.

 

„Sie kommen heute wegen eines professionellen Schwangerschaftstests, nicht wahr?“ Ich nickte nur. Die Situation war schon seltsam genug, aber ausgesprochen durch den Mund einer fremden Person hörte es sich noch verrückter an. Ich war so nervös. Mein Herz schlug mir bis zum Hals.

 

Dr. Lawrence schein das zu merken oder sagen wir, sie hatte Erfahrungen damit, denn jeder anderen Frau, die sich bereits in meiner Lage befand, ging es sicher so ähnlich.

Sie stand weiterhin lächelnd auf. „Dann folgen Sie mir mal.“ Und wie ein geprügelter Hund – im Moment fühlte ich mich so – ging ich hinter ihr her.

 

Sie veranstaltete ein paar kleine Tests mit mir und fragte mich nebenbei einige Dinge. „Haben Sie bereits einen Test gemacht oder kommen sie rein wegen eines Gefühls zu mir?“ Was sollte ich darauf antworten? „Ich habe einen Test gemacht und er war eindeutig positiv, aber ...“, meine Stimme wurde mit jeder Silbe zittriger und leiser, „ ... man weiß ja nie, ob man diesen Tests wirklich glauben kann.“ Sie nickte nur.

 

Ich atmete tief durch, doch mein Puls und mein Herzschlag wollten sich nicht beruhigen. Bald würde ich es genauer wissen, dann hörte das vielleicht sogar auf, aber zurzeit sah es nicht danach aus. Mein Kopf jedoch war ausnahmsweise leer.

 

Es dauerte nicht mal lange und die Ergebnisse lagen schon vor. Wir begaben uns wieder an unsere vorigen Plätze, sie hinter den Schreibtisch, ich davor. Sie studierte die Ergebnisse und sah mich mit der gleichen Miene an, wie schon vorher. Sie hatte ein richtiges Poker-Face. Aus ihrem Gesicht konnte man keinerlei Emotionen lesen, die Hinweise gaben.

 

Dr. Lawrence räusperte sich und senkte ihre Stimme. Sie klang ernster als zuvor. „Das Ergebnis von ihrem Schwangerschaftsschnelltest hat sich bestätigt. Sie sind eindeutig schwanger. Ich weiß nur nicht ob ich Ihnen gratulieren sollte oder eher nicht.“

 

Ich war in diesem Moment nicht in der Lage etwas zu erwidern. Eigentlich lag es auf der Hand, dass es so ausgehen würde, aber in mir war bis jetzt trotzdem ein Fünkchen Hoffnung gewesen, dass der Test sich doch geirrt hatte. Nun war es offiziell. Und in meinem Kopf keimten noch immer keine Gedanken auf, es war irgendwie unheimlich.

 

Die Ärztin sah mich eine Weile an und sprach dann selbst wieder. „Ich kann mir gut vorstellen, dass es eine schwere Situation für Sie ist und, dass Sie darüber nachdenken müssen. Aber in ihren Überlegungen sollten Sie immer mit bedenken, dass Sie auch nicht mehr die Jüngste sind, Miss Parker. Es gibt noch einige Frauen, die in Ihrem Alter noch Kinder bekommen, die völlig gesund sind. Aber es kann trotzdem immer wieder unerwartet Komplikationen geben. Damit müssen Sie dann immer rechnen. Das Risiko ist in Ihrem Alter höher.“

 

Ich saß da und hörte nur zu. Was erzählte sie da von Risiken wegen meines Alters? Es gab weitaus schlimmere Risiken für das Kind und die hatten nichts mit meinem Alter oder ähnlichem zu tun. Aber diesen Gedanken verschob ich auf später. Ich musste nun erstmal sachlich vorgehen, Schritt für Schritt.

 

„Ich kenne die Risiken, glauben Sie mir.“, antwortete ich nur. Mir war übel, obwohl ich nicht das Bedürfnis hatte mich zu übergeben. Es war irgendwie anders. Jetzt musste ich mir wirklich Gedanken machen wie es weitergehen sollte, aber mir war klar, dass ich diese Entscheidung nicht sofort fällen konnte. Das brauchte Zeit.

 

Die Ärztin hatte einen etwas besorgten Blick aufgelegt. Sie bemerkte scheinbar, wie ich innerlich mit mir kämpfte. Dann stand sie schließlich wieder auf. „Vielleicht sollten wir jetzt erst einmal die Ultraschalluntersuchung machen. Das zeigt Ihnen vielleicht auch eine positive Seite auf.“ Sie versuchte aufmunternd zu lächeln.

 

In diesem Moment war es mir völlig egal, was sie mit mir anstellen wollte, Hauptsache, es half mir eine Entscheidung zu finden. Also ging ich ihr wieder nach und legte mich auf den Untersuchungstisch.

 

Da sie für den Ultraschall ein Gel auftragen musste, musste ich meinen Unterbauch freimachen. So da zu liegen war seltsam, so wie alles andere auch und ich hatte wirklich nie erwartet mal in so einer Lage zu sein, aber scheinbar fing ich an mich daran zu gewöhnen und ich war nicht mehr so nervös wie zuvor.

 

Das Gel war kalt, als es mit meiner Haut in Berührung kam. Vorsichtig setzte Dr. Lawrence das Gerät an und fuhr damit über meinen Bauch, bis sie schließlich bei einer Stelle stoppte und auf den Bildschirm zeigte. „Sehen Sie? Da ist es.“

 

Ein merkwürdiger Anblick, dachte ich mir insgeheim. Es sah aus, wie ein kleiner Klumpen, der sich da irgendwo in mir aufhielt. Ein ganz kleiner Klumpen, da es bisher noch nicht so gut zu sehen war. Dass sich dieser Klumpen bald äußerlich zu einem Kind entwickeln würde, konnte ich mir bisher noch nicht vorstellen. Aber es so zu sehen wirkte schon auf mich ein.

 

Dr. Lawrence überlegte. „Es scheint erst die 5. oder 6. Woche zu sein. Der Embryo ist noch sehr klein, aber dank neuester Technik schon sichtbar.“ Dann sah sie mich intensiv an und lächelte. „Wenn sie einen Anhaltspunkt für Ihre Überlegungen brauchen, kann ich Ihnen einen geben. Sie müssen nur genau hinhören.“

 

Ich verstand nicht ganz was sie meinte, folgte mit meinem Blick aber ihrem Finger, der zum Bildschirm zeigte. Sie war ganz still, also tat ich es ihr gleich und lauschte ... und hörte ein ganz leises Klopfen. Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Was ist das?“

 

„Der Herzschlag. Bisher ist er noch sehr schwach, aber das Herz ist vorhanden, also kann man es auch hören.“ Ich lauschte weiterhin und mit jedem Schlag den ich hörte, wurde mein Bewusstsein verändert. Zuerst der Anblick, dann das Klopfen. Ich wusste nun, was sie meinte, als sie sagte, das könnte mir einen Anhaltspunkt geben.

 

Ich war irgendwie sprachlos und es wirkte tatsächlich positiv auf mich. Es schien magisch zu sein. Die Ärztin reichte mir ein Tuch um das Gel abzuwischen und stand dann wieder von ihrem kleinen Stuhl auf. „Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen das Bild ausdrucken. Das ist normalerweise üblich.“

 

Scheinbar wartete sie meine Antwort ab, da sie sich nicht vom Platz bewegte. Was sollte ich tun? Wollte ich das Bild? Eigentlich schon, aber was, wenn es mich zu sehr beeinflussen würde? Aber im Grunde erfüllte es doch genau diesen Zweck.

 

Wovor hatte ich eigentlich Angst, dass ich mich umentscheiden könnte? Als ob meine Entscheidung schon gefallen wäre ...

Ich schüttelte den Kopf um wieder klar denken zu können. „Ja, ich würde das Bild gern haben.“ Wie könnte ich auch darauf verzichten?

 

Ich rückte meine Kleidung zurecht, nahm dann das Bild entgegen und machte einen neuen Termin mit ihr aus. „Es ist notwendig, dass Sie mich nun regelmäßig aufsuchen.“, klärte sie mich auf. Ich nickte stumm, rang mir ein Lächeln ab und verschwand. Ich musste raus.

 

Draußen an der frischen Luft angekommen atmete ich ein paar Mal tief durch und hoffte wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Nach einem letzten flüchtigen Blick auf das Ultraschallbild steckte ich es weg und begab mich auf den Weg zur Arbeit.

 

The Centre

Blue Cove, DE

Kurze Zeit später

 

Die Situation war nun wirklich nicht mehr neu für mich. So war es mir möglich konzentriert zur Arbeit zu fahren, ohne unterwegs einen Unfall zu bauen. Ich kannte mich und wusste, wie ich in solchen Momenten sein konnte, da wäre ein Unfall oder ähnliches nicht ausgeschlossen gewesen.

 

Aber nun galt es vor allem den Schein zu wahren, es wäre nichts. Das Centre würde noch früh genug heraus finden was los war und bis dahin brauchte ich die Zeit, in der das Centre noch in Unwissenheit schwelgte um mir über einige Dinge klar zu werden und, wie es genauer weitergehen sollte.

 

Auf der einen Seite hatte ich schon das Bedürfnis Sydney und Broots davon zu erzählen – immerhin arbeiteten wir nun schon ein paar Jahre zusammen und wir standen uns nahe, auch wenn das bei mir nie den Anschein machte – aber andererseits war ich mir über meine weitere Zukunft und was werden sollte selbst noch nicht ganz bewusst und da wäre es wohl doch unangebracht gewesen, unnötig staub aufzuwirbeln.

 

Die dringendste Frage, die es jetzt zu klären galt, war, ob ich wirklich dazu bereit war Mutter zu werden oder, ob es besser wäre, darauf zu verzichten. Ich hatte schon oft daran gedacht, hielt es dann aber immer nur für ein Hirngespinst. Ich und ein Baby? Lächerlich, dachte ich mir damals immer. Aber nun lag es ja auf der Hand. Alles war möglich.

 

Ich erreichte mein Büro, in dem schon meine zwei Mitarbeiter warteten. Ich zog eine Braue hoch, als ich sie auf der Couch sitzen und warten sah. „Haben Sie nichts zu tun?“ Ich klang etwas genervt, aber so klang ich ja fast immer. Gut, dachte ich mir, bis jetzt lief es ganz gut.

 

Sydney stand als erster auf und kam auf mich zu. „Ist alles in Ordnung, Miss Parker? Fühlen Sie sich wirklich schon wieder fit genug zum arbeiten?“ Ich rollte mit den Augen, was er aber nicht sehen konnte, weil ich vor meinem Schreibtisch stand und Akten aus meinem Koffer holte. Sydney stand zu meiner Linken.

 

Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung, mit einem aufgesetzten freundlichen Lächeln. „Ja, mir geht es bestens.“ Dann wurde ich wieder ernst. „Mir fällt sonst zu Hause die Decke auf den Kopf. Sie wissen doch, ich bin ein Arbeitstier.“ Ich ging um den Tisch herum und setzte mich. Mein Herz klopfte etwas. Er sollte endlich aufhören mich so anzusehen.

 

Sydney hatte seine typische Psychiaterpose eingenommen. „Aber vielleicht ist es gerade die ganze Arbeit, die sie krank macht. Sie sollten kürzer treten.“ Entnervt lies ich den Stift fallen, den ich gerade in die Hand genommen hatte. „Ach, kommen Sie Syd. Nun werden sie mal nicht albern, ja?“

 

Bevor ich noch etwas sagen konnte, räusperte sich Broots und meldete sich etwas kleinlaut von hinten zu Wort. „Sydney, wir sollten erst einmal gehen und Miss Parker arbeiten lassen.“ Zum ersten Mal war ich dankbar über seinen Einwurf. Broots hasste es, wenn ich einen Konflikt mit Sydney hatte, auch wenn es nur ein kleiner war.

 

Sydney lächelte trotzdem leicht, wie zuvor auch. „Wie auch immer, Miss Parker. Wenn Sie uns brauchen sollten, wissen Sie ja, wo sie uns finden können.“ Ich nickte ihnen zu und sie verschwanden. Ich schüttelte leicht mit dem Kopf. Sydney würde mich noch um den Verstand bringen.

 

Miss Parkers Haus
Blue Cove, DE
Nachts

 

Erschöpft kam ich an diesem Tag nach Hause, aß schnell etwas und legte mich dann sofort schlafen. Vielleicht war es das Verstellen; dass ich so tun musste, als wäre nichts, was so anstrengend und Kraft raubend war. Ich wusste, egal wie ich mich entscheiden würde, lange dürfte ich nicht mehr damit warten, die Bombe platzen zu lassen.

 

Ich konnte nicht so recht einschlafen, egal was ich versuchte. Ich drehte mich hin und her und obwohl ich total müde war, wollte mein Körper sich nicht entspannen und der Nachtruhe hingeben. Als ich mich zur Seite drehte, fiel mein Blick auf das Ultraschallbild. Ich hatte es auf den Nachttisch gestellt. Wo sollte ich es sonst hinlegen?

 

Ich betrachtete es kurze Zeit und schloss dann wieder die Augen. Nach stundenlangem Drehen musste ich dann wohl irgendwann eingeschlafen sein.

 

Ich stand da mitten in einem Raum voll Nichts. Es war nur Nebel um mich herum und es schien dunkel zu sein. Ich sah kaum etwas. Jedoch hörte ich immer wieder Schritte in meiner Nähe. Etwas ängstlich rief ich immer wieder „Wer ist da?“ Aber es zeigte sich niemand.

 

Dann waren die Schritte verschwunden. Ein Windhauch kam auf und blies etwas Rauch weg, wodurch die Umrisse einer Gestalt auftauchten. Ich ging darauf zu und erkannte, als ich immer näher kam, eine Person, die ich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte.

 

Mein Herz blieb fast stehen. In meinen Augen sammelten sich Tränen. „Mom?“ Die Frau, die mir gegenüber stand konnte nur meine Mutter sein. Sie lächelte so liebevoll, wie sie es früher auch immer getan hatte und sie sah noch immer so aus, wie an dem Tag, als man sie tötete. Ich war wie steif gefroren und nicht in der Lage mich zu bewegen. Ich hatte sie so lange nicht gesehen. Warum tauchte sie nun so plötzlich auf? Was wollte sie mir sagen?

 

Sie kam auf mich zu, streichelte mit ihrer rechten Hand über meine Wange und lächelte. „Meine Kleine.“ Ihre Stimme klang so erhaben, so liebevoll, ganz ohne Zorn und Wut oder anderer böser Eindrücke.

 

Ich sah sie verwirrt an, so wie ich mich fühlte. „Mom, warum bist du plötzlich hier?“
„Um dir zu helfen. Du steckst in einer Krise und weißt nicht heraus.“
Ich wunderte mich. Was meinte sie? „Eine Krise? Ich kann dir nicht folgen.“

 

Mom nahm meine Hand. „Dein Kind. Ich will dir helfen eine Entscheidung zu treffen.“
Ich sah sie mit großen Augen an. „Woher weißt du davon?“
Sie lachte. „Ich beobachte dich jeden Tag. Ich bin deine Mutter. Ich weiß über alles bescheid.“

 

Im Prinzip hatte sie Recht. Sie war tot und konnte mich in jeder Lage beobachten und mir beistehen. Sie war nur zu mir gekommen um mir zu helfen. Das war so typisch für meine Mutter. Aber es freute mich so sehr. Es war dieses Gefühl, nicht allein zu sein, beschützt zu werden. Das konnte nur sie mir immer geben.

 

Ich seufzte. „Ich weiß nicht was ich tun soll. Es ist so schwer.“
„Natürlich ist es schwer, meine Kleine. Aber bedenke doch nur die Freude, die dir ein Kind geben kann. Mein Leben war bei weiten nicht so schön, bis ich dich dann endlich hatte.“
Darüber musste ich nachdenken. Ich habe viele Leute getroffen, vor allem Ben, die mir immer wieder bestätigten, dass sie nach der Hochzeit mit „Dad“ erst wieder richtig glücklich war, als ich da war.

 

Ein Kind kann Freude bringen. Wenn es meine Mutter so glücklich gemacht hat, würde es bei mir vielleicht auch so sein. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie etwas für Kinder übrig hatte, was ich von mir nicht immer behaupten konnte. Da kam mir aber mein kleiner Bruder in den Sinn, Baby Parker. Als ich ihn damals im Arm hatte, fühlte ich mich auch wohler.

 

Ich sah meine Mutter fragend und etwas verzweifelt an. „Aber was ist mit dem Centre? Das Kind würde doch immer in Gefahr sein oder nicht?“ Das wäre das letzte was ich wollte, dass mein Kind wegen mir leiden müsste.
Mom schüttelte mit dem Kopf. „Es ist so lange sicher, wie du da bist um es zu beschützen. Außerdem hat es auch einen Vater. Er wird dir helfen.“

 

Mich beschlich das Gefühl sie wusste, wer der Vater war. Inzwischen wusste ich es auch, aber das machte die Situation nicht gerade leichter. „Ich habe es ihm noch nicht gesagt.“
„Ich weiß. Aber das solltest du bald nachholen. Achte nicht darauf, was andere Leute sagen oder tun. Es ist deine Entscheidung, dein Leben. Nur du hast die Macht darüber.“

 

Ihre Worte hafteten in meinem Gedächtnis. Im Grunde hatte sie Recht. „Mom, ich habe Angst.“ Ich hörte mich an, wie das kleine Mädchen von früher.
Mom zog mich an sich. Ich konnte den Duft ihres Haares riechen, ihr Parfum. Ich fühlte mich sicher. „Keine Angst, mein Schatz. Es wird alles Gut.“, sagte sie.

 

In diesem Moment schreckte ich hoch. Es war einer der seltsamsten Träume, die ich je hatte. Aber er zeigte Wirkung. Ich hatte noch immer das Gefühl ihr Parfum riechen zu können und das erinnerte mich an ihre Worte. Sie hatte Recht, mit allem was sie gesagt hatte. Das brachte mich zu meinem Entschluss.

 

Ich sah zur Seite und nahm das Bild vom Ultraschall in die Hand. Mein Herz schlug schneller als ich daran dachte. Ich wusste nun was ich wollte. Wie konnte ich je daran zweifeln? Ich war auch mehr als bereit dafür. Vielleicht hatte ich das Centre benutzt um eine Ausrede zu haben, um nicht Verantwortung übernehmen zu müssen. Aber genau das gehörte dazu und ich wollte es. Ich wollte das Kind behalten.

 

The Centre

Blue Cove, DE

2 Tage später

 

Nachdem ich diesen Traum hatte, war mir ganz seltsam zumute, anders als bisher. Ich war mir in meiner Sache nun ziemlich sicher geworden und damit stand auch eins fest: ich musste es unbedingt auch Sydney und Broots erzählen. Aber wie?

 

Die ganze Situation an sich war schon ziemlich schwer und es wäre mir tatsächlich mal lieber wenn ich jemanden hätte, der mir beistehen würde. Sydney und Broots standen mir sehr nahe. Auch wenn ich das nie zugegeben hatte, aber es war wirklich so und ich wusste, sie würden mir helfen.

 

Ich war sehr nervös bei dem Gedanken, es den beiden zu erzählen, weil ich nicht wusste, wie sie reagieren oder was sie sagen würden. Broots würde sicher seinen Mund nicht mehr zu bekommen. Aber ich musste es loswerden. So lange hing es wie eine Last an mir und eine Last zu teilen tut ja so gut.

 

Also machte ich mich auf den weg die beiden zu suchen. Ich wollte sowieso nachschauen wie die beiden mit Jarods Verfolgung – wir bekamen schon lange keine Hinweise mehr – vorankamen. Da ließ sich das gut verbinden.

 

Ich fand sie also wie erwartet beide im TechRoom, Broots am Computer und Sydney stand überlegend dahinter. Broots schien dem gealterten Psychiater irgendetwas erklären zu wollen.

Sie bekamen mich gar nicht mit, deswegen machte ich mich mit einem lauten Räuspern bemerkbar. Sydney sah zu mir, als hätte er meine Präsenz trotzdem schon bemerkt, Broots hingegen erschrak fürchterlich.

 

Ich unterdrückte ein Lachen (Broots recht dünnes Nervenkostüm wurde von mal zu mal komischer) und ging auf die beiden drauf zu. Ich versuchte für den Anfang so zu wirken wie immer, Herrin über die Lage. Aber es wirklich nicht mehr so einfach wie früher.

 

„Was Neues über unseren Wunderknaben?“, fragte ich mit lässiger aber doch kühler Stimme. Broots schüttelte nur mit dem Kopf. „Leider nichts, bisher, Miss Parker.“ Ich seufzte und wandte mich an Sydney. „Was ist nur zurzeit los mit dem Kerl? Jarod hat sich schon seit Wochen nicht gemeldet?“

 

Sydney sah mich eindringlich an und ich hatte eine Vermutung, as er gerade dachte. Er rieb sich über sein Kinn und überlegte. „Um genauer zu sein, Miss Parker, hat er sich nicht mehr gemeldet seit dem Tag, an dem ich Ihnen riet mit ihm zu telefonieren und sich wieder zu vertragen. Erinnern Sie sich?“

 

Was war das nur für ein Unterton in seiner Stimme? Ich konnte es nicht zuordnen, aber es jagte mir trotzdem eine Gänsehaut über meinen Körper. Sydney wusste irgendwie immer was los war, auch wenn er nichts zu wissen schien. Aber langsam wunderte mich dieser Zustand nicht mehr, weil es schon vor Jahren so gewesen war.

 

Meine Gedanken rotierten. Natürlich erinnerte ich mich an diesen Tag und noch besser an das Gespräch mit Jarod. Aber hatte sein schweigen uns gegenüber wirklich etwas mit mir zu tun? Was sollte ich Syd sagen? „Sie stellen Verbindungen auf, wo es keine gibt. Wer weiß, was er nun wieder im Schilde führt.“

 

Sydneys Blick schien durch mich durch zu gehen, als ob er direkt in meinen Kopf sehen und meine Gedanken und Erinnerungen lesen könnte. Es war merkwürdig und ich wusste, dass ich mein Geheimnis nicht mehr länger verbergen könnte.

 

Sydneys Blick nahm etwas Besorgtes an. „Ist etwas Miss Parker?“ Ich sah ihm tief in die Augen und wusste, dass jetzt der richtige Moment war es ihm zu sagen. Aus den Augenwinkeln sah ich auch Broots. Er versuchte sich auf den Computer zu konzentrieren, beobachtete uns aber trotzdem nebenbei.

 

Vorsichtig schaute ich mich im Raum um, ob auch niemand in der Nähe war. Dass der Raum nicht überwacht oder abgehört wurde wusste ich, weil wir unsere Büros regelmäßig durchsuchten.

Ich sah zu Sydney und dann zu Broots und winkte beide zu mir heran. Sydney nahm eine vorsichtige und musternde Haltung ein. Er schien mich zu analysieren, was ich wohl als nächstes machen würde. Broots war sich unsicher, stand dann aber auf und kam langsam auf mich zu. Sydney tat es ihm gleich.

 

Sydney schien nun richtig neugierig zu sein. „Miss Parker, was ist los?“ Ich wusste nicht wo ich anfangen sollte und obwohl ich es ihnen wirklich sagen wollte, hatte ich Angst und mein Herz schlug mir bis zum Hals. „Was ich Ihnen jetzt sage ist streng vertraulich!“

 

Die beiden nickten unsicher und horchten. Es fiel mir so schwer. „Es ist etwas passiert, etwas, was nicht geplant war, was ich nicht mehr rückgängig machen kann und auch nicht will, etwas, was alles verändern wird.“ Broost sah mich an als wäre ich verrückt geworden. „Miss Parker sie sprechen in Rätseln.“ Und auch Sydney sah mich fragend an.

 

Ich atmete tief durch. Jetzt oder nie. Ich sah mich noch mal kurz um, winkte die beiden noch näher heran, damit es auch keiner hören konnte und flüsterte: „Ich bin schwanger.“

Was in diesem Moment passierte, konnte man gar nicht beschreiben. Die Blicke der beiden waren undefinierbar. Broots wirkte mehr als überrascht, genauso wie Sydney, der aber schon weiter zu überlegen schien.

 

Das war bei ihm üblich, er hielt sich nicht lange bei einer Sache auf und forschte gleich weiter, überlegte, as es mit dieser Sache auf sich hatte und so weiter. So schien er es auch jetzt gerade zu tun. Er versuchte alle Komponenten zusammenzufügen, die er kannte um herauszufinden, wie es dazu kam.

 

Sein Blick verriet mir aber, dass er nicht sehr weit gekommen war und ich würde erstmal dafür sorgen, dass es auch so blieb, aber nur vorerst.

Die Stille wurde langsam unerträglich, also machte ich eine verzweifelt aussehende Handbewegung und sah die beiden an. „Sagt was.“

 

Sydney ergriff als erster das Wort. „Was wollen Sie jetzt tun?“ Broots nickte, als wollte er damit sagen, ihm war die gleiche Frage eingefallen. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich werde das Kind bekommen.“ In Sydneys Augen sah ich, dass er schon zu einer neuen Frage ansetzte und ich wusste, wo das wieder enden würde. Aber auf so ein Kreuzverhör hatte ich jetzt keine Lust, also hinderte ich ihn mit einer Handbewegung etwas zu sagen.

 

„Ich weiß, was sie jetzt sagen wollen Syd. Ich hab mich lange damit auseinander gesetzt und bin mir sehr sicher, wirklich. Aber bitte zwingen Sie mich nicht dazu meinen Standpunkt haarklein mit Ihnen zu diskutieren.“ Sydney nickte. „Wenn Das Ihr Wunsch ist. Aber früher oder später werden sie doch darüber reden müssen.“

 

Daraufhin nickte ich auch. „Ich weiß. Aber bis dahin ist noch Zeit und die will ich nutzen.“ Broots zog die Stirn in Falten. „Und wofür?“ Ich überlegte kurz. „Wie ich es Raines und dem Rest der Chefetage beibringe.“

 

Broots wirkte noch immer verunsichert. „Na ja, egal wie das ausgeht und was Sie tun ... Sie wissen ja, ... dass Sie sich auf uns verlassen können.“ Sydney stimmte dem stumm nickend zu. Ich lächelte, etwas schmal, aber immerhin. Es war ein beruhigendes Gefühl zu wissen, dass och jemanden auf meiner Seite hatte. Es würden noch schwere Zeiten kommen, da konnte ich diese Unterstützung gut gebrauchen. „Danke“, sagte ich nur leise.

 

Miss Parkers Haus
Blue Cove, DE
4 Wochen später, am Abend

 

Auch wenn das Centre noch immer nichts von dem baby wusste, war für mich eine gewisse Art von Normalität eingekehrt. Ich wusste, dass ich es nicht mehr lange geheim halten konnte und so überlegte ich schon immer, wie ich es dem Tower beibringen sollte.

 

Sydney und Broots waren mir dabei eine große Hilfe. Sie standen mir bei, behandelten mich aber so wie immer, worum ich sie gebeten hatte. Nur weil ich schwanger war, hieß das ja nicht, dass ich irgendwie zerbrechlicher war als sonst. Broots hielt sich manchmal nicht ganz daran und ich erkannte immer etwas Vorsicht in seinem verhalten mir gegenüber. Aber ich empfand es eher als süß und lustig und nicht als lästig.

 

Sie gingen damit um, als wäre es das Normalste von der Welt. Sydney lag mir nur gelegentlich mit der Frage in den Ohren was nun eigentlich mit dem Vater des Kindes war und ob er schon davon wüsste und ich vertröstete ihn immer mit den Worten, dass ich das sicher bald nachholen würde. Selbst das hatte eine gewisse Routine in unserem derzeitigen Alltag angenommen. Es war seltsam. So wie immer, eben.

 

An diesem Tag hatte ich wieder eine Untersuchung bei meiner Ärztin. Da ich nicht wusste, mit welcher Ausrede ich mich für ein paar Stunden entschuldigen und vom Centre frei nehmen wollte, legte ich den Termin auf den frühen Abend, nach der Arbeit.

 

Selbst um diese Zeit war das Wartezimmer noch recht voll gewesen und eine lange Wartezeit war vorprogrammiert. Aber es störte mich nicht. Was erwartete mich zu Hause schon?

Müde schloss ich die Tür auf, ließ meine Tasche neben der Tür fallen, schloss die Tür und hängte meine Jacke auf.

 

Dr. Lawrence gab mir wieder ein Ultraschallbild mit, welches ich in meiner Jackentasche aufbewahrte. Ich zog es heraus und betrachtete es. Seit der letzten Untersuchung war gerade einmal ein Monat vergangen, knapp fünf Wochen und trotzdem war das Baby schon sehr gewachsen. Es überraschte mich doch sehr, wie schnell sich so ein Kind entwickelte.

 

In den letzten Wochen war ich meiner Sache noch sicherer geworden. Ich fing schon jetzt an das Baby abgöttisch zu lieben (auch wenn es für mich eher ungewöhnlich war solche Gefühle zu haben) und erwischte mich ab und an, wie ich Pläne machte, für später. Dieses ganze Gefühl erfüllte mich wirklich, mehr als alles andere je zuvor.

 

Ich steckte das Bild erst einmal wieder weg und schaltete das große Licht im Wohnzimmer an. Als ich mich umsah, war es, als würde mich ein Schlag treffen. Das ganze Wohnzimmer war verwüstet. Ein Einbrecher!

 

Für eine Sekunde war ich starr vor Schreck und ein seltsames unbehagliches Gefühl kam in mir auf. Dieses Bild erinnerte mich an den Morgen, als Thomas ermordet wurde. Ich schüttelte den Kopf und schob den Gedanken beiseite. Ich musste jetzt professionell denken.

 

Schnell zog ich meine Waffe und ging in Stellung. War der Einbrecher noch da? Ich hörte keine Geräusche. Er konnte sich aber auch verstecken. Ich sah mich im Wohnzimmer um und entdeckte nichts, also ging ich schließlich durch das Zimmer durch und gelangte in den Hausflur. Ich bog nach rechts.

 

Ich blieb kurz stehen und blinzelte, weil es im Flur dunkel war. Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen und beobachtete alles vor mir sehr genau. Ich war schon öfter in solchen Situationen gewesen, oder zumindest in ähnlichen Situationen, doch nie zuvor hatte ich so viel Angst. Mein Herz rutschte mir in die Hose.

 

Ich ging an der Küche vorbei. Was jetzt nur kam, war die Treppe nach oben. Wenn der Einbrecher nicht in der Küche war, musste er oben sein. In diesem Moment durchfuhr mich ein Gedanke. Ich hatte nicht in die Küche hineingesehen und im nächsten Moment spürte ich etwas hinter mir. Mein Kopf war wie leer. Mist!

 

Hektisch drehte ich mich um und sah diese riesige Gestalt vor mir. In seiner Hand war ein großes Messer, dessen Klinge durch das Mondlicht, das durch das Küchenfenster einfiel, aufblitzte. Von einem Moment auf den nächsten ging alles so schnell. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren und meine Waffe abfeuern, wie ich diesen stechenden Schmerz in meinem Bauch spürte.

 

Der Einbrecher stach noch einmal zu und ich schrie unter Schmerzen. Dann stieß er mich um und rannte aus dem Haus. Die schmerzen waren unerträglich und die Gedanken, die mir in diesem Moment im Kopf herumgeisterten waren noch schlimmer. Mein Bauch, er hatte mich mehrmals in den Bauch gestochen.

 

Verängstigt und unter Schmerzen drehte ich mich auf die Seite und hielt mir mit beiden Händen den Bauch. Was sollte ich nur tun? Mir wurde so schlecht und alles drehte sich vor meinen Augen. Ich war unfähig aufzustehen, aber ich musste dringend an das Telefon gelangen, was jedoch im Wohnzimmer war. Mein Handy war in meiner Tasche, ein noch viel weiterer Weg.

 

Auch wenn ich wusste, dass es nichts nützen würde, versuchte ich mich mit den Händen aufzustützen und aufzustehen, aber meine Arme begannen wie verrückt zu zittern und mich verließ die Kraft. Sollte das das Ende für mich sein? Würde ich verbluten? Was war mit dem Baby? Ich hatte solche Angst. Ich konnte nicht einmal mehr schreien. Ich schluchzte leise und Tränen liefen mein Gesicht entlang.

 

Verzweifelt ging ich in Gedanken alle Möglichkeiten durch, die mir noch blieben, aber sehr viele waren es nicht und mich verließ immer mehr die Kraft. Meine Augen wurden so schwer. Ich kämpfte dagegen an. Ich wollte es nicht. Aber ich konnte es nicht verhindern. Mir wurde schwarz vor Augen.

 

Fortsetzung folgt

4. Teil by MissCatherine
Author's Notes:
Lange hat's gedauert, aber es geht weiter.

Ich hatte meine Augen geschlossen, war aber wach. Es war, als wäre ich aus einem ewig dauernden Schlaf erwacht. Was war passiert? Ich erinnerte mich kaum.

Langsam öffnete ich die Augen und blinzelte ein paar mal um mich an das Licht zu gewöhnen.

 

Wo war ich? Mein Haus war das jedenfalls nicht. Ich schaute mich etwas um, konnte jedoch meinen Kopf kaum bewegen, er war so schwer. War das ein Krankenzimmer? Was war nur passiert? Ich versuchte mich zu bewegen, doch es fiel mir sehr schwer, alles schmerzte.

 

Wurde ich zusammengeschlagen? Es fühlte sich so an. Dunkel waren da vereinzelte Bilder in meiner Erinnerung. Ich konzentrierte mich darauf ... und sah ... ein Messer ... es war dunkel und ich war in meinem Haus. In meinem Kopf hämmerte es, als hätte man mit einem Baseballschläger dagegen geschlagen.

 

Ich fasste mir mit meinem linken Arm an den Kopf ... und bemerkte einen Schlauch. Ich war scheinbar an eine Infusion angeschlossen. Nein, es war Blut. Mein Körper war wie gelähmt und ich fühlte mich schwach.

 

In diesem Moment hörte ich überlaut eine mir gut bekannte Stimme. „Miss Parker, Sie sind endlich wach!“ Ich konnte kaum reagieren, da war die Stimme schon fast wieder verschwunden. „Ich werde den Arzt holen gehen.“

 

Sydney? Was wollte er hier? Mich besuchen? Wie lange hatte ich geschlafen?

Etwas später kam Sydney mit einem Arzt zurück in mein Zimmer. Der Arzt sah mich an, nahm meinen Arm und fühlte nach meinem Puls. Er sah dabei auf die Uhr. Dann sah er mich an. „Wie fühlen Sie sich?“

 

„Blendend“, antwortete ich nur. Meine Stimme war noch etwas leise und kratzig. Der Arzt lächelte nur. „Es ist ein gutes Zeichen, dass Sie aufgewacht sind. Sie haben uns große Sorgen bereitet.“ Ich ging nicht weiter darauf ein. Sollte der mir doch erzählen was er wollte.

 

Der Arzt wollte schon beinahe wieder gehen, als mir ein Gedanke kam. „Hey, Sie. Doktor, könnten Sie mir nicht durch dieses Ding hier“, ich hielt meinen Arm hoch und zeigte demonstrativ den Zugang, der mir gelegt wurde, „ein Schmerzmittel oder so was spritzen? Ich hab das Gefühl mein Kopf explodiert bald.“

 

Der Arzt nickte. „Ich schicke dann gleich eine Schwester zu Ihnen.“ Dann war er verschwunden.

Sydney kam zu mir und setzte sich in einen Stuhl, der in der Nähe des Bettes stand. Er sagte nichts, sondern sah mich einfach nur an, in dieser beobachtenden Psychiaterweise, mit der mich immer ansah und analysierte.

 

„Was?“, fragte ich leicht genervt, meine Stimme noch immer kratzig klingend. Sydney änderte seine Sitzposition und setzte sich bequemer hin. „Wissen Sie noch was mit Ihnen passiert ist, Miss Parker?“

 

Ich überlegte. „Dunkel.“ Sydney nickte leicht. Irgendwie sah er besorgt aus. Was war nur los? „Was ist mit mir passiert, Syd?“ Er schien mit sich zu ringen. Dann beugte er sich nach vorn. „Sie waren nicht zur Arbeit erschienen und hatten sich auch nicht krank gemeldet. Da habe ich mir Sorgen um Sie gemacht. Ich habe Sie dann blutüberströmt in ihrem Haus aufgefunden. Ich dachte schon Sie wären tot.“

 

Ich versuchte zu lachen. „Unkraut vergeht nicht, Syd. Ich bin nicht so schnell tot zu kriegen.“ Dann sah ich ihn wieder an. Da war noch etwas. „Syd?“ Er räusperte sich. „Sie wurden mehrere Male mit einem Messer in den Bauch gestochen und sie hatten sehr viel Blut verloren.“

 

Ein Messer ... Der Abend ... Langsam klarte sich das Bild auf. Da war ein Mann ... Ich sah ab und zu in Sydneys Richtung, in sein besorgtes Gesicht. Dann kam die Erinnerung schlagartig zurück wie ein Boomerang. Ich erinnerte mich an ALLES.

 

Ich atmete geschockt auf als mir ein Gedanke kam. „Syd?“ Meine Stimme klang klarer als zuvor, aber mit einer Angst, die Sydney eine Gänsehaut zu verpassen schien. Er sah mich nur an. Ich ahnte es schon. „Was ist mit meinem Baby?“

 

Jetzt verstand ich auch seinen besorgten Blick, der mit jeder Sekunde schlimmere Ausmaße annahm. „Syd?“ Ich flehte ihn förmlich an mir eine positive Nachricht zu überbringen, doch von seinen Augen konnte ich ablesen, dass ich nichts Gutes zu erwarten hatte.

 

Meine Augen füllten sich mit Tränen. „Syd?“ Warum sagte er nichts? Er nahm schließlich meine Hand. „Es tut mir sehr leid, Miss Parker.“ In diesem Moment fühlte ich mich, als würde man mir noch einmal ein riesiges Messer in den Körper jagen, aber nicht in den Bauch, sondern in mein Herz.

 

Aus ein paar Tränen wurden ein paar mehr und es verschlimmerte sich noch. Ich weinte wie noch nie zuvor. Mein Körper begann zu zittern und ich schluchzte, wohl ziemlich laut. Mein Baby, man hatte es mir einfach genommen. Es war, als würde ein Teil von mir absterben.

 

Warum musste so etwas immer mir passieren? Waren die Schicksalsschläge in meiner Vergangenheit nicht genug? Zuerst nahm man mir meine Mutter, dann Tommy ... und nun das. Man hatte diesem Kind nicht einmal eine Chance gelassen. Das war so unfair.

 

Ich spürte Sydneys Hand, die meine sanft drückte. Er versuchte mir Trost zu spenden, doch im Moment half mir das herzlich wenig. Ich sah ihn an ... er sah auch sehr traurig aus. „Syd, warum muss das immer mir passieren?“

 

Syd sah mich an und ich glaubte zum ersten mal, seit ich ihn kenne Ratlosigkeit in seinem Blick zu entdecken. „Ich weiß es nicht, Miss Parker“, sagte er, seine Stimme klang dabei leise und mitfühlend.

 

Ich verstand das einfach nicht. „Wer war da überhaupt in meinem Haus?“ Wenn es jemand vom Centre gewesen wäre, der mich hätte umbringen wollen, dann wäre das alles ganz anders abgelaufen, da war ich mir sicher.

 

Sydney fuhr sich mit seiner freien Hand über das Kinn und überlegte. „Wir wissen es nicht. Die Polizei meinte, es wäre ein Überfall gewesen, zumindest sah es in ihren Augen danach aus.“

„Die Polizei?“ In meinem Haus? Wenn das mal keinen Ärger mit der Chefetage gibt. Es war ja immerhin möglich, dass die etwas beim Durchsuchen meines Hauses fänden, was auf das Centre hinwies.

 

Eigentlich an sich kein schlechter Gedanke, wenn die Polizei auf die ganzen Machenschaften aufmerksam werden würde. Da könnte sich Raines nicht so leicht wieder heraus reden. Aber da sie die Hinweise dazu in meinem Haus gefunden hätten, hätte ich zwangsläufig auch meinen Kopf dafür herhalten müssen. Also schob ich den Gedanken beiseite.

 

Ich sah wieder zu Sydney. „Als ich Sie auf dem Boden liegen sah,“ sagte er „rief ich sofort den Notarzt an und die haben automatisch die Polizei verständigt. Die Detectives sagten, es sähe nach einem klassischen Raubüberfall aus.“

Er seufzte. „Ich glaube, Sie waren einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort.“

 

Ich nickte vor mich hin. „Das wäre ja nicht das erste mal“, flüsterte ich. Dann sah ich zu Sydney. Mein Kopf hämmerte noch immer und ich verspürte das dringende Verlangen noch etwas zu schlafen. „Ich glaube ich sollte mich ausruhen und noch ein bisschen schlafen.“

 

Ich wollte Sydney ja nicht aus meinem Zimmer verscheuchen, aber zu viel Mitleid und Fürsorge war mir zu wider. Ich wollte einfach nur meine Ruhe haben um über das Geschehene nachzudenken. Sydney verstand den Wink zum Glück und erhob sich.

 

„Ich werde erstmal gehen und Sie in Ruhe lassen. Am Besten ich rufe Broots an und sage ihm, dass er sich keine Sorgen mehr zu machen braucht.“

Ich lächelte schmal. Der arme Broots saß sicher gerade im TechRoom an seinem Computer und machte sich riesige Sorgen.

 

Sydney war schon fast zur Tür hinaus, als er sich noch einmal umdrehte. „Wenn Sie jemanden zum Reden brauchen, Miss Parker, ich bin jederzeit für Sie da.“ Ich sah ihm direkt in seine Augen. „Danke Syd.“

Dann war er gegangen.

 

Ich rollte mit den Augen. Dass er es immer gleich übertreiben musste. Es war sicher nett von ihm gemeint, aber er war immer da, wenn etwas passiert war. Da wäre es eigentlich unnötig gewesen, das noch zu erwähnen. Außerdem war ich mir im Moment nicht sicher, ob ich sein Angebot annehmen würde.

 

Eigentlich war ich nicht besonders scharf darauf überhaupt mit jemandem darüber zu reden. Ich wollte es einfach nur vergessen und weiter machen. Alles andere nützte sowieso nichts mehr.

Hauptsache, die würden mich so schnell wie möglich aus dem Krankenhaus entlassen. Einerseits, weil ich Krankenhäuser nicht wirklich mochte, andererseits, weil ich schnell wieder arbeiten und mein gewohntes Leben leben wollte.

 

Sofern das überhaupt möglich war, suchte ich mir eine bequeme Liegeposition und schloss die Augen.

 

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Direkt nach dem Besuch bei Miss Parker, war Sydney wieder zurück ins Centre gefahren, hatte Broots die Neuigkeiten mitgeteilt und sich dann wieder in sein Büro verzogen – im Moment standen keine Projekte an.

 

Daher hatte er Zeit über den Besuch nachzudenken. Er hatte Miss Parker eigentlich immer relativ verschlossen erlebt, aber an diesem Tag war sie anders, noch zurückgezogener. Das bereitete ihm Sorgen und er sah sich gezwungen etwas zu tun.

 

Miss Parker wäre sicher nicht erfreut darüber, aber im Grunde war es nur zu ihrem Besten. Also öffnete Sydney die unterste Schublade seines Schreibtischs und holte ein kleines Kästchen heraus, was unter einem Stapel Papiere versteckt war.

 

Er öffnete die Kiste und holte einen kleinen Zettel heraus, der etwa die Größe einer Visitenkarte hatte. Dann verstaute er das Kästchen wieder in der Schublade.

Eine ganze Weile schaute er den Zettel einfach nur an und wog Vor- und Nachteile ab. War es wirklich richtig das zu tun? Doch dann nahm er sich zusammen. Er wollte ihr unbedingt helfen. Also griff er zum Telefon.

 

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Ich war zwar erst den zweiten Tag im Krankenhaus, aber mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Der Tag verging ebenso langsam wie die letzte Nacht. Trotz meiner Müdigkeit konnte ich nicht schlafen, zu viele Gedanken gingen mir im Kopf herum und jedes mal wenn ich die Augen schloss, sah ich die Bilder des Überfalls vor mir.

 

Also zog ich es lieber vor, wach zu bleiben. Da mir der Arzt doch noch ein Schmerzmittel gespritzt hatte, waren wenigstens die Schmerzen kein Problem mehr, zumindest die körperlichen nicht. Mein Herz schmerzte dagegen immer noch, bei jedem noch so kleinen Gedanken an mein Baby.

 

Eigentlich wollte ich nicht mehr darüber nachdenken, aber irgendwie bekam ich die Gedanken nicht aus meinem Kopf, so, als wollte jemand, dass ich mich erst richtig auseinander setzte. Aber da hatte dieser Jemand nicht mit mir gerechnet. Ich WOLLTE wirklich NICHT darüber nachdenken oder reden.

 

Da kam mir das klopfen an der Tür gerade Recht. „Ja?“

Sydney betrat mein Krankenzimmer und hatte außerdem einen Strauß Blumen in der Hand. Auch wenn ich anfangs nicht wusste ob ich über den Besuch glücklich sein sollte, war es letztendlich aber immer noch besser, als den ganzen Tag alleine hier herum zu liegen.

 

Ich lächelte, wenn auch etwas gequält, und sah die Blumen an, die Sydney gerade in eine Vase steckte und diese mit Wasser füllte. Sie sahen sehr schön aus und verliehen dem Zimmer gleich einen ganz anderen, angenehmen Hauch.

 

„Sydney, die Blumen sind sehr schön. Danke“

Sydney schien froh darüber zu sein. Er war aber sicher auch glücklich mich wenigstens etwas lächeln zu sehen. „Zu einem Krankenbesuch gehören nun einmal auch Blumen.“, sagte er.

 

Dann wurde seine Miene etwas ernster. „Wie fühlen Sie sich?“

Die frage behagte mir eigentlich gar nicht, denn ich wusste, worauf das hinauslaufen würde. Aber einfach nicht zu antworten war unhöflich.

 

„Ich fühle mich bestens, Syd!“ Ich hatte auch schon mal besser gelogen. „Aber die Ärzte wollen mich einfach nicht entlassen.“

Sydneys Augen weiteten sich. „Sie wurden gestern erst eingeliefert, nachdem sie die ganze Nacht verwundet in ihrem Haus gelegen hatten und beinahe verblutet wären.“

 

Ich winkte ab. „Halb so wild. Ich habe schon ganz andere Dinge überstanden. Vergessen Sie nicht, dass ich noch immer eine Kugel in meinem Rücken habe.“ Das hatte mich damals auch nicht umgebracht.

 

Jetzt war es Sydney der abwinkte und mit seiner rechten Hand sein Nasenbein massierte. Er schien jetzt schon am Verzweifeln zu sein. Es war mir schon bewusst, dass ich in manchen Angelegenheiten ein hoffnungsloser Fall war, aber das waren nun einmal meine Ansichten.

 

Sydney sah wieder zu mir und in seinen Augen stand ein Fragezeichen. „Ich nehme an, Sie möchten immer noch nicht über den Vorfall reden!?“

Ich erwiderte nichts, sondern sah ihn nur an. Er kannte mich und wusste, was ich in so einer Situation sagen würde. Da waren Worte überflüssig.

 

Resignierend nickte er vor sich hin. Dann stand er von seinem Stuhl auf, den er sich herangezogen hatte. Wollte er etwa schon gehen? Ich hoffte ich hatte ihn nicht gekränkt, was eigentlich nicht so einfach war bei ihm.

 

Er ging zur Tür und sah – die Klinke schon in der Hand – zu mir. „Sie dürfen Sich nicht verschließen, Miss Parker.“ Es klang ihm ernst. Er machte sich Sorgen. Das alles änderte jedoch nichts an meiner Meinung. Ich wollte nicht reden.

 

Er wartete scheinbar eine Antwort ab, aber ich schwieg.

Sydney seufzte schließlich und wandte sich zur Tür. „Ich verstehe, wenn Sie nicht mit mir reden wollen, Miss Parker. Aber hier ist noch jemand, der Sie gern sehen würde. Mit ihm sollten Sie aber wirklich reden.“

 

Ich konnte Sydney kaum hinterher sehen, so schnell wie er gegangen war. Etwas tat es mir schon leid, aber dennoch … Aber wer war die Person von der er gesprochen hatte? Broots? Nein, den hätte er nicht großartig angekündigt. Der kleine Computerfreak wäre vorhin, als Sydney zur Tür rein kam, einfach hinter ihm mit ins Zimmer getrottet.

 

Und meinen Bruder mitzubringen würde sich nicht einmal Sydney wagen, zumal er keine Person war, mit der ich unbedingt reden musste oder auch würde.

Da dämmerte es mir! Würde Syd es wirklich wagen? Zuzutrauen war ihm schließlich alles.

 

Ich konnte gar nicht mehr richtig denken, als ich schon die schweren männlichen Schritte auf dem Krankenhausflur hörte, die sich meinem Zimmer näherten. War er es oder war er es nicht? Mein Herz schlug schneller und schneller … um dann für einen kleinen Moment stehen zu bleiben, als ich sein Gesicht sehen konnte.

 

Er war es wirklich. Mein Herz raste wieder. War ich etwa nervös?

Er trat in mein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Ich bekam eine Gänsehaut. Jetzt war wohl der Moment gekommen, wo ich mich doch mit allem auseinander setzen musste. Immerhin spielte er eine Schlüsselrolle in diesem Drama.

 

Mein Hals war trocken und ich bekam kein Wort heraus. Ich sah einfach nur in seine schokobraunen Augen, die so viele verschiedene Emotionen in sich bargen, dass man gar nicht erkennen konnte, was er gerade dachte.

 

Lange hatte ich ihn nicht gesehen und nun war er unverhofft ganz plötzlich wieder in mein Leben getreten, so wie fast immer. „Jarod“, flüsterte ich, doch er konnte es trotzdem hören.

„Parker“ Er klang besorgt. Wer weiß, was Sydney ihm erzählt hatte.

 

Jarod kam auf mein Bett zu und mit jedem Schritt, den er näher an mich heran kam, schlug mein Herz heftiger und schneller.

Kurz vor meinem Bett blieb er stehen, er zögerte und schien zu überlegen, sah dann aber fragend zu mir. „Darf ich?“, fragte er etwas schüchtern – so kannte ich ihn gar nicht – und deutete auf die Bettkante.

 

Ich nickte leicht „Sicher“ Meine Stimme klang etwas kratzig.

Jarod setzte sich mir gegenüber auf die Bettkante und sah mir in die Augen. Er schien zu versuchen in meinen Augen zu lesen, was gerade in mir vorging. Sein Blick schien mich jedoch regelrecht zu durchdringen.

 

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, aber gleichzeitig wurde mir heiß. Meine Gefühle spielten plötzlich verrückt.

Er sah mich einfach nur an. Wusste er etwas? Oder hatte Sydney ihm gar nicht erzählt was los war? Ich konnte es einfach nicht aus seinen Augen ablesen.

 

Er sah so besorgt aus. „Was ist passiert?“ Er wusste also nichts.

„Tja, was soll ich sagen…“ Ich bemühte mich locker zu bleiben und normal zu klingen, als wäre es nur eine Kleinigkeit. Doch das war es nicht. Meine Stimme versagte und ich brachte kaum ein Wort heraus. Es war als hätte ich einen dicken Kloß im Hals.

 

Doch er wäre nicht Jarod der Pretender, wenn er nicht wüsste, dass es keine Kleinigkeit war und ich ihm meine lockere Haltung nur vorspielte. „Parker?“

Ich konnte nichts dagegen tun. Ich spürte wie mein Gesicht immer wärmer wurde und Tränen in meine Augen traten.

 

Ich sah ihm in die Augen und wusste, dass ich es ihm sagen musste. Aber wie? Die ganze Sache war so furchtbar. Wenn es mich so traf, wie würde er erst reagieren?

 

Ich konnte nicht anders und begann zu weinen. Jarod wollte mich umarmen, aber ich hielt ihn zurück. „Mein Baby, Jarod … Unser Baby…“ Mehr brachte ich nicht mehr heraus. Es war auch nicht nötig gewesen mehr zu sagen. Jarod wusste, was los war.

 

 

TBC

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